Die Proteste auf Mallorca nehmen zu: Erneut demonstrierten Bewohner gegen die negativen Auswirkungen des Massentourismus. Angesichts der erwarteten 20 Millionen Touristen in diesem Jahr fordern die Einheimischen dringend Maßnahmen zur Begrenzung der Besucherzahlen und zur Verbesserung der Lebensbedingungen. Experten warnen vor den ökologischen und sozialen Folgen des ungebremsten Tourismus.

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Es wird ungemütlich für Touristen auf Mallorca: Ankommende werden dieser Tage mit Slogans wie "Tourists go home" auf Toilettentüren und Geldautomaten empfangen. Mitte Juni gab es Proteste gegen Massentourismus auf der Mittelmeerinsel. In der Hauptstadt Palma gingen 8.000 Bewohner auf die Straße, forderten Begrenzungen der Besucherzahlen, Kreuzfahrten und Ferienwohnungen.

Die Baleareninseln erwarten 2025 über 20 Millionen Touristen, alleine 14 Millionen auf Mallorca. Hat die Lieblingsinsel der Deutschen genug von Urlaubern?

Einer, der den Protest erklären kann, ist Professor Macià Blázquez Salom, der an der balearischen Universität in Palma Studien zu Tourismus und Nachhaltigkeit durchführt. Er hat schließlich daran teilgenommen.

"Aus Umweltsicht verschlechtert sich die Situation zusehends", sagt er unserer Redaktion, "die Anzahl der Flüge, der CO2-Ausstoß, die Auswirkungen auf Natur, Wasser und das Meer werden immer gravierender."

Die Auswirkungen des Massentourismus auf Mallorca

Nur aus Deutschland landen über 100 Flüge am Tag, 2024 kamen fünf Millionen deutsche Touristen. Auch aus "sozialer Sicht verschlechtert sich die Lage", sagt Blázquez, "in Bezug auf Wohnraum, gestiegene Lebenshaltungskosten und Arbeitsbedingungen." Wohnungen in Palma kosten bis zu 1.500 Euro im Monat, der Durchschnittslohn liegt bei 2262 Euro. Für viele Einheimische ist das kaum darstellbar. Auch daher regt sich nun Unmut.

Schon im Vorjahr gab es Demonstrationen gegen Touristifizierung, an denen Blázquez mitgewirkt hat. Wobei er betont, dass, anders als bei ähnlichen Protesten jüngst in Barcelona, keine Touristen mit Wasserpistolen bespritzt wurden – Bilder, die um die Welt gegangen waren. "Es geht nicht um Personen, um Reisende oder Einwanderer, wir alle sind irgendwann Touristen." Aber man müsse sich mit den Auswirkungen auseinandersetzen.

Einwohner fordern Veränderungen

Es sei den Protesten gelungen, dafür Bewusstsein zu schaffen, was nicht leicht ist auf einer Insel, wo der Tourismus 40 Prozent der Einnahmen ausmacht. "Man kann unterscheiden zwischen 'Vom Tourismus leben' und Ausfuhr der Gewinne", sagt Blázquez, vieles bleibe nicht in der Bevölkerung, sondern lande bei Reiseveranstaltern wie TUI oder Alltours, Hotelketten wie Riu oder Barceló.

Die Regionalregierung führte einige Maßnahmen durch, wie Vorschriften für Ferienwohnungen. "Es gibt Erfolge, die aus Forderungen der Zivilgesellschaft entstanden sind", sagt Blázquez. Die Politik reagiere oder mache sie sich zu eigen, aber man kämpfe weiter, für kürzere Arbeitszeiten, Recht auf Ruhe, Naturschutz und höhere Tourismussteuern. "Der Protest ist sehr vielfältig, es gab dort wohlhabende Bürger, Angestellte und Unternehmer, alle sind sich einig, dass reguliert werden muss."

Lösungen schwieriger als Protest

Seit den 1980er-Jahren sind die Besucherzahlen auf Mallorca von fünf Millionen auf 13,5 Millionen 2014 gestiegen. Dieser Rekord wird nach einer Delle in der Coronapandemie wohl bald übertroffen.
Die Einwohnerzahl beträgt dagegen nur 900.000, auf jeden Einwohner kamen also gut 14 Touristen.

Nur ist es leichter, sich gegen etwas zu vereinigen, als gemeinsam konstruktive Lösungen zu finden. "Das ist die Herausforderung", sagt Blázquez, der mit seiner deutschen Forscherkollegin Nora Müller zu Alternativen für nachhaltigeren Tourismus forscht. Eines sollte dort jedoch nicht herauskommen: eine Luxusinsel. "Wenn sich nur noch Reiche Urlaub leisten können, erzeugt das Ungerechtigkeit."

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Müller erforschte in ihrer Doktorarbeit die Rolle privater, nicht-kommerzieller Naturschutzgebiete. Zudem beteiligte sie sich aktiv an der Bürgerinitiative "Die Stadt gehört denen, die hier leben". Im Gespräch mit dem "Deutschlandfunk" forderte sie eine Kosten-Nutzen-Analyse des Tourismus für die Insel und einen nachhaltigeren Ansatz, der Umwelt und soziale Strukturen vor Ort respektiert.

Die Lokalregierung strebt zwar an, hochwertigen, nachhaltigen Tourismus zu fördern, die Infrastruktur aus- und umzubauen, inklusive autofreier Zonen, und die Saison auf mehr Monate zu verteilen. Aber: "Qualitätstourismus hat auch negative Einflüsse auf die Umwelt", kritisierte Müller, gerade was die 20 Golfplätze auf der Insel angehe, die viel des ohnehin knappen Wassers verbrauchten.

Ein erster Lösungsansatz könnte sein, die Löhne zu erhöhen. "Sie sind besser als in einigen anderen Regionen Spaniens, zugleich gibt es längst Probleme, hier Arbeitskräfte zu finden", sagt Blázquez.

Wie sollten Deutsche sich verhalten?

Nur wie sollten sich deutsche Touristen verhalten? Die Insel meiden, sich dort anders benehmen? "Man sollte einfach an Zuhause denken", sagt Blázquez. "Wer in Berlin von Ferienwohnungen verdrängt wird, sollte sie nicht im Ausland buchen." Er sieht ohnehin ein globales Problem dahinter. Denn die Touristenproteste nehmen vielerorts zu.

In den letzten Jahren gab es Proteste gegen Übertourismus in Städten wie Barcelona, Venedig, Amsterdam, Bali oder Dubrovnik, wo Maßnahmen gegen den Massentourismus ergriffen wurden. In Mallorca gelten mittlerweile auch strengere Benimmregeln an den Touri-Hotspots, etwa Ballermann 6, die den Alkoholkonsum einschränken, um ein rücksichtsvolleres Miteinander mit den Anwohnern zu schaffen.

Ob das den Einheimischen reicht, ist fraglich. Die Flieger voller Touristen werden weiter zu Hunderten und Aberhunderten auf Mallorca landen – und der Protest dürfte weitergehen.

Über den Gesprächspartner

  • Professor Macià Blázquez Salom ist renommierter Wissenschaftler und Aktivist an der Universität der Balearen, der sich auf die Themen Tourismus und Nachhaltigkeit spezialisiert hat. Er hat zahlreiche Publikationen zu den Auswirkungen des Massentourismus auf die Umwelt und die Gesellschaft verfasst und ist gefragter Gesprächspartner in der Debatte um nachhaltigen Tourismus.

Verwendete Quellen