Im Februar feierte "Islands" bei der Berlinale Weltpremiere, jetzt kommt der Thriller in die Kinos. Der Film ist mehrfach für den Deutschen Filmpreis nominiert, unter anderem ist Sam Riley im Rennen als beste männliche Hauptrolle. Zuletzt wurde der britische Schauspieler 2006 für "Control" ausgezeichnet – "seitdem habe ich nichts mehr gewonnen", gesteht er uns lachend.
Seit Donnerstag kann man
Im Interview mit unserer Redaktion spricht Riley über die außergewöhnlichen Dreharbeiten, Liebesszenen und seine Frau
Herr Riley, liegt das 'Momentum', um Ihrer Rolle in "Islands" entsprechend im Tennis-Sprech zu bleiben, jetzt bei Ihnen? Nach "Cranko" ist das Ihre zweite Hauptrolle innerhalb eines halben Jahres.
Sam Riley: Ich glaube, es ist das erste Mal in meiner Karriere, dass so etwas passiert. Ich habe in den vergangenen Jahren viele Nebenrollen gespielt. Es waren schöne Rollen, aber natürlich bevorzuge ich eher Hauptrollen. Agenturen sprechen gerne von diesem Momentum. Doch die beiden Filme kamen ja eher aus dem Nichts. Daher weiß ich nicht, ob das Momentum jetzt wirklich bei mir liegt.
Dieser Tom, den Sie spielen, lebt zwar ein Leben in scheinbar grenzenloser Freiheit, ist damit aber nicht glücklich. Sehen Sie da Parallelen zur Schauspielerei?
Nun ja, als Schauspieler hat man eine gewisse Freiheit – vor allem in Zeiten, in denen man keine Rollen bekommt und nichts zu tun hat (lacht). Allerdings bin ich nicht in der Position, dass ich mir die Filme aussuchen kann. Diese Form von Freiheit habe ich nicht. Ich warte immer auf eine gute Chance. In diesen Phasen, in denen man keine Arbeit hat, fehlt einem manchmal die Alltagsroutine. Immerhin haben wir ein Kind, das uns eine Struktur gibt und eine Routine in unseren Alltag bringt.
Wie erklären Sie es sich, dass Ihnen zweimal in Folge die Rolle einer alkoholabhängigen Person angeboten wurde? Vor "Islands" spielten Sie den Choreografen John Cranko, der mit inneren Dämonen zu kämpfen hatte.
Das ist eine gute Frage. Ich habe früher in einem Pub gearbeitet – dieser Zeit in meinem Leben verdanke ich übrigens meine raue Stimme (lacht). Vielleicht hat es ja etwas damit zu tun. Nein, Spaß beiseite: Ich trinke seit mehreren Jahren keinen Alkohol mehr. Von daher finde ich es schon amüsant, dass ich jetzt zweimal hintereinander einen Alkoholiker und davor in "Die Witwe Clicquot" einen Weinschmuggler gespielt habe. Das Universum hat einen Sinn für Humor.
"Kein Schauspieler dreht gerne Liebesszenen."
Was fiel Ihnen mit Blick auf "Islands" leichter zu spielen: Partys und One-Night-Stands oder die Tennis-Szenen?
Immer wenn ich ein Drehbuch lese, komme ich irgendwann an den Punkt, an dem ich denke: "Oh, mein Gott." Zum Beispiel, wenn ich weiß, dass ich in meiner Rolle weinen oder eine Liebesszene spielen muss. Dann sind das keine Drehtage, auf die ich mich freue. Kein Schauspieler dreht gerne Liebesszenen. In diesem Fall aber hatte ich die größte Angst vor dem Drehtag, an dem Tom laut Script besoffen Aufschläge machen sollte. Wobei auch One-Night-Stands nicht zu den Szenen gehören, die ich am liebsten spiele.
Sie haben bereits mit
Natürlich durfte ich mit unglaublich tollen Schauspielerinnen arbeiten. So wie zuletzt mit Stacy Martin, die in "Islands" die Anne spielt. Das ändert aber nichts daran, dass eine Liebesszene immer eine unangenehme Situation ist. Schließlich musst du das machen, du hast keine andere Wahl. Weder für deine Spielpartnerin oder deinen Spielpartner noch für dich selbst ist das ein heißer Moment. Außerdem sind die meisten Schauspielerinnen schön. Aber die Schönste von allen habe ich gewählt.
Wer hat Ihnen Tennis beigebracht?
Ich habe im Vorfeld des Films hart daran gearbeitet – mit meinem Tennistrainer Marco, von dem ich mir vor Ort ein bisschen was abgucken konnte. Mein Sohn, den ich zu den Dreharbeiten mitgenommen habe, spielt übrigens nach wie vor Tennis. Er ist im selben Alter wie der Junge, der in dem Film mitspielt. Die Tennis-Szenen haben wir in unserem Hotel gedreht – inmitten der Hochsaison. Der Hotelmanager hat uns gehasst (lacht) …
Wie haben die Hotelgäste auf das Filmteam und die Dreharbeiten reagiert?
Jeden Morgen, als ich kostümiert zum Tennisplatz ging, lagen die Hotelgäste bereits am Pool. Ich fühlte mich wie in der "Truman Show". Viele Urlauber fragten mich, ob ich ihnen später eine Tennisstunde geben könnte. Mir als Schauspieler gab das ein gutes Gefühl, weil ich in meinem Outfit und mit meinem Sonnenbrand offenbar glaubwürdig wirkte. Es hat funktioniert, unser Plan ist aufgegangen.
Es gibt ein wiederkehrendes Element im Film – in Gestalt eines großen Tieres. Was empfinden Sie, wenn Sie diese Szenen sehen?
Ich liebe die Momente mit dem Tier, weil sie schön und absurd zugleich sind. Das habe ich auch Jan-Ole [Gerster, der Regisseur von "Islands"; Anm. d. Red.] gesagt. Für ihn sind das die Szenen, die auf jeden Fall bleiben werden. Auch ich werde dieses Erlebnis nie vergessen. Vor allem nicht den Dreh im Supermarkt: Das Tier wollte alles, nur nicht zu mir kommen. Jan-Ole stand bereits die Panik ins Gesicht geschrieben. Erst beim allerletzten Versuch kam das Tier auf mich zu und gab mir sogar fast einen Kuss.
"Mein Sohn hat nicht viele meiner Filme gesehen, auch diesen nicht."
Wie kam "Islands" bei Ihrer Frau Alexandra Maria Lara und Ihrem Sohn Ben an?
Meine Frau mag diesen Film sehr. Aber eigentlich findet sie fast alles toll, was ich mache. Mein Sohn hat nicht viele meiner Filme gesehen, auch diesen nicht. Alkohol und Affären mit verschiedenen Frauen sind auch nicht das richtige Material für einen Elfjährigen. Aber irgendwann wird er sich meine Filme ganz bestimmt ansehen. Jedenfalls war ich sehr glücklich, dass meine Frau und mein Sohn für ein paar Wochen bei den Dreharbeiten dabei waren.
Sie haben Ihre Frau am Set von "Control" im Jahr 2007 kennengelernt. Sie spielten den Joy-Division-Sänger Ian Curtis und erhielten dafür einige Auszeichnungen …
Stimmt, aber seitdem habe ich nichts mehr gewonnen.
Vielleicht sollten Sie häufiger mit Alexandra Maria Lara zusammenspielen. Ist sie ein gutes Omen für Sie?
Ja, aber dann würde man wahrscheinlich nur sie nominieren (lacht). Aber ich gönne ihr das jedes Mal von Herzen. Es mag kitschig klingen, aber wir sind wirklich ein Team. Wir machen jeden Film zusammen – auch wenn ich nicht am Set bin oder Alexandra nicht am Set ist. Ohne diese gegenseitige Unterstützung wäre das alles nicht möglich. Falls ich also doch mal wieder einen Preis gewinnen sollte, würden wir diesen natürlich teilen.
Sie waren früher Mitglied einer Band. Für die Gesangsparts in "Control" zeichneten Sie höchstpersönlich verantwortlich. Warum haben Sie sich parallel zur Schauspielerei keine Musik-Karriere aufgebaut?
Ich mache immer noch gerne Musik, schreibe Songs und nehme zu Hause immer mal wieder ein Instrument zur Hand. Allerdings vermisse ich es nicht, live Musik zu spielen. Ich besuche auch nur ganz selten Konzerte.
Wer könnte das ändern?
Sollten mich die Rolling Stones irgendwann brauchen, wäre ich sofort dabei. Das Problem ist nur, dass es Mick Jagger immer noch ziemlich gut macht. Unglaublich, der Mann ist über 80 Jahre alt. Und wer weiß, vielleicht werden Peter Hook und Bernard Sumner eines Tages ja wieder Freunde. Dann könnten wir Joy Division wieder zusammenbringen. Nur leider reden die beiden nicht mehr miteinander.
Sie wären nicht die Ersten, die sich wieder zusammenraufen würden, um ein Comeback zu geben.
Zum Beispiel Oasis. Ich habe kürzlich gelesen, wie viele Konzerte Liam und Noel Gallagher vor sich haben. Sollte ich ein Ticket bekommen, würde ich mir einen Termin am Anfang der Tour aussuchen. Denn ich bin mir nicht sicher, ob die beiden eine gemeinsame Welttournee durchhalten werden. Mein erstes Oasis-Konzert war Knebworth 1996, damals waren sie auf dem Peak.
Haben Sie eigentlich – ähnlich wie Mick Jagger – vor, bis ins hohe Alter zu arbeiten?
Ich glaube, dass ich keine andere Wahl habe. Ich muss arbeiten, bis ich nicht mehr spielen kann (lacht). Ein Schauspieler hat den Vorteil, dass er immer interessante Rollen bekommen kann. Irgendwann könnte ich einen Opa spielen. Aber dieser Wandel ist wirklich interessant: Jetzt, mit Mitte 40, spiele ich immer häufiger den Papa.
Zur jungen Schauspielergarde zählt Timothée Chalamet. Wie gefällt Ihnen das, was er macht – zum Beispiel in "Like A Complete Unknown"? Er hat die Bob-Dylan-Songs selbst eingesungen.
Ich finde ihn super. Er hat eine sehr offene Art, ist sehr sensibel. Als ich 20, 30 war, wollte ich vor allem cool sein. Klar, er ist cool – aber nicht, weil er es unbedingt sein will, sondern weil er es einfach ist. Ich habe ihn in "Wonka" gesehen, er hat es mit ganzem Herzen gemacht. Volle Kanne. Das ist Timothée Chalamet. Er ist auch gut für Amerika. Bisher haben meistens Briten Superhelden gespielt, doch er kann es auch. Und ich freue mich, dass er jetzt Dylan zu den jungen Leuten bringt. Bob Dylan ist für mich der beste Poet aller Zeiten.
Über den Gesprächspartner
- Sam Riley ist ein englischer Schauspieler, der einem breiten Publikum 2006 als Post-Punk-Ikone und Joy-Division-Sänger Ian Curtis in dem Biopic "Control" bekannt wurde. Bei den Dreharbeiten lernte er seine spätere Ehefrau, die Schauspielerin Alexandra Maria Lara, kennen. Später war Riley in zahlreichen internationalen Produktionen zu sehen, unter anderem mit Helen Mirren in "Brighton Rock" oder mit Angelina Jolie in "Maleficent".