Berlin - In einer Welt voller Krisen suchen viele nach Halt. Für manche liegt dieser in Geschichten, Gedanken oder Gedichten – zwischen Buchdeckeln. Schriftstellerinnen und Schriftsteller wie Sebastian Fitzek, Mithu Sanyal und Martina Hefter verraten, welche Bücher ihnen Trost spenden.
Ewald Arenz empfiehlt "Die rote Zora" und Mariana Leky
Der Autor Ewald Arenz ("Der große Sommer") nennt auf die Frage, welche Bücher ihm Trost spenden:
- Kurt Held, "Die rote Zora": "Weil es zwar ein Jugendbuch ist, aber diese Geschichte einer Freundschaft in einer oft feindlichen Welt über all die Jahrzehnte ihren Trost behalten hat."
- Mariana Leky, "Kummer aller Art": "Geschichten, die in ihrer zarten Traurigkeit immer schon den Trost dafür in sich tragen."
Sebastian Fitzek: "Jana, 39, ungeküsst" von Jana Crämer
Der Thriller-König Sebastian Fitzek empfiehlt ein Sachbuch der Autorin Jana Crämer. Sie schreibt in "Jana, 39, ungeküsst" unter anderem darüber, wie es ist, mit 39 noch nie einen Mann geküsst zu haben.
Dazu Fitzek: "Dieses Buch spendet mir und vielen anderen Trost und macht Mut. Jana Crämer zeigt in diesem Buch, dass man glücklich sein kann, selbst wenn man nicht die Erwartungshaltung anderer, insbesondere der Gesellschaft, erfüllt."
Martina Hefter liest "Die Wand" von Marlen Haushofer
Die Deutsche-Buchpreisträgerin Martina Hefter ("Hey guten Morgen, wie geht es dir?") entscheidet sich für einen österreichischen Literaturklassiker aus dem Jahr 1963, der von einer Frau erzählt, die im Gebirge plötzlich von der Zivilisation abgeschnitten wird und alleine zurechtkommen muss.
"Mein Trostbuch ist "Die Wand" von Marlen Haushofer, bei aller Tragik", sagt Hefter. "Angesichts größter existenzieller Einsamkeit und völligem auf sich allein gestellt Sein geht das Leben für die Romanheldin dennoch weiter, sie richtet sich in ihrer Situation ein und lernt, damit zurechtzukommen. In ihrer Lage verfällt sie nicht in Panik, sondern handelt. Sie handelt so gut sie kann, nicht mehr und nicht weniger. Und genau das finde ich das Tröstliche daran, so brutale Aspekte dieses Handelns es im Roman auch geben mag. Und natürlich die Tatsache, dass einen auch die Liebe von und zu Tieren zumindest über lange Zeit retten kann."

Alexa Hennig von Lange liest Sylvia Plath und J.D. Salinger
Auch die Autorin Alexa Hennig von Lange greift zu Klassikern. "Es gibt so einige Romane, die mir Trost spenden, allein, wenn ich sie schon im Bücherregal stehen sehe", sagte die 52-Jährige der dpa.
"Wenn ich sie herausziehe und aufschlage, fühle ich mich vollkommen aufgehoben, verstanden und geborgen; weil ich mir zwischen den Zeilen wiederbegegnen kann; jener Alexa, die ich war, als ich zum ersten Mal in dem jeweiligen Buch gelesen habe. Besonders stark entfaltet "Die Glasglocke" von Sylvia Plath diese Wirkung, aber auch "Der Fänger im Roggen" von J.D. Salinger. Zugegebenermaßen beides keine besonders fröhlichen Bücher. Aber mit dem gedanklich-emotionalen Raum, den sie eröffnen, kann ich mich gut verbinden."
Gleich drei Empfehlungen von Mithu Sanyal
Die Bestseller-Autorin ("Identitti") und Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal hat mehrere Tipps: das neue Buch eines gestorbenen Freunds, des britischen Autoren Phil Rickman; eine Kult-Reihe des britischen Autors P. G. Wodehouse (1881–1975) sowie die Kriminalautorin Dorothy L. Sayers.
- Phil Rickman, "The Echo of Crows"
"Bücher sind eine Möglichkeit, mit den Toten zu kommunizieren", sagt Sanyal. "Das wurde mir eindringlich klar, als mein Kollege und Freund Phil Rickman letzten Oktober starb. Ich hatte ihn im Sommer in seinem Haus an der Grenze zu Wales besucht und er hatte mir das Manuskript seines letzten Romans mitgegeben, das plötzlich unendlich wertvoll wurde. Nicht im monetären Sinne. Sondern weil das Buch so wichtig für ihn war, dass er es vollendete, obwohl bereits das Tippen zu anstrengend war. Ab November können alles es lesen, dann erscheint "The Echo of Crows" bei Atlantic Books."

In dem Buch gehe es um die Frage, "wie es möglich ist, Wunden zu heilen, die bereits Jahrhunderte zurückliegen, wenn alle Beteiligten lange tot sind, aber das Trauma weitergeht. Alle Bücher von Phil Rickman haben diesen Effekt, als wären sie Beschwörungsformeln gegen das Böse."
- "Jeeves"-Romane von P. G. Wodehouse
"Unterschiedliche Zeiten erfordern unterschiedlichen Trost aka unterschiedliche Bücher", führt Sanyal aus. "Als der Lockdown anfing, wurde Lesen plötzlich unerwartet schmerzhaft, weil ich eifersüchtig auf die Charaktere in meinen Büchern wurde, die Dinge tun durften, die ich vermeiden musste. Mehr noch, sie durften davon träumen. In meiner Verzweiflung griff ich zu den "Jeeves"-Romanen von P. G. Wodehouse, weil es darin um nichts geht. Jedenfalls nicht um die Herausforderungen des Lebens, sondern eine Geschichte mit möglichst viel Witz zu erzählen."
Jeder Satz sei eine Überraschung, "jedes Klischee wird parodiert, so dass sich die Absätze gegenseitig zuzwinkern und man mitzwinkert, um die Tränen des Lachens aus den Augen zu schütteln. Wodehouses sonnige Welt hat mich durch die Corona-Krise getragen, indem sie meinen Glauben an unsere geteilte Menschlichkeit am Leben hielt, ohne mich mit der Realität zu konfrontieren - zu einer Zeit, als ich an einer Überdosis an Realität litt."
- Kriminalromane von Dorothy L. Sayers
Die britische Autorin Dorothy L. Sayers (1893-1957) wurde mit Kriminalromanen berühmt, die spannende Milieuschilderungen bieten. Bekannt ist unter anderem ihre Reihe über den aristokratischen Amateurdetektiv Lord Peter Wimsey.
Dazu Sanyal: "Dorothy L. Sayers schrieb ihre "Lord Peter Wimsey"-Romane zu einer Zeit des persönlichen Aufruhrs, in der sie an akuten Geldproblemen litt, also gab sie ihm eine luxuriöse Wohnung und einen Hausdiener, der sich um alle seine Bedürfnisse kümmert. Dadurch sollte er unausstehlich sein – stattdessen erinnert er mich an meine lebenskluge und bodenständige polnische Oma."
Sanyals Tipp: der Roman "Ärger im Bellona Club". "Darin trifft Peter eine junge Frau und fragt sie nach ihren Problemen: "Ist es etwas Freudianisches oder Sadomasochistisches oder ähnlich Modernes?" "Ich glaube nicht, dass Sie auch nur mit der Wimper zucken würden, wenn es so wäre", erwidert sie. Sayers zu lesen gibt mir ebendieses Gefühl, dass alles sagbar ist, und es keine Menschen gibt, die nicht liebenswert wären." © Deutsche Presse-Agentur