Sie will nicht mehr. Sie kann nicht mehr. Sie hält das alles nicht mehr aus. Darum regt sich Anja Rützel in dieser Kolumne über all das auf, was gerade wieder schiefläuft in der Welt. Heute: Lästige Haustiere als Löwenfutter.

Anja Rützel
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Anja Rützel dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Am wenigsten Aufwand wäre wahrscheinlich eine Hamsterklappe. Eine kleine Luke am Nebeneingang des Zoos, daneben ein laminiertes Schild, beschriftet natürlich in der Gute-Laune-Schriftart Comic Sans: "Für Kleinnager aller Art, bitte nur lebend einwerfen!" Bei voluminöseren Meerschweinchen und etwas zu moppeligen Kaninchen müsste man eventuell etwas nachquetschen, wenn die Tiere nicht auf Anhieb durch die Klappe passen oder sich vielleicht sogar mit Pfötchen und Krallen dagegen sträuben, auf diesem Wege verklappt zu werden. Aber immerhin haben anschließend die Löwen und Luchse wieder eine gesicherte, artgerechte Mahlzeit mehr. Und man selbst ist das lästige Viech los, das irgendwann mal ein gewolltes Haustier war.

Was klingt wie ein unnötig grobes Detail aus einem dystopischen Film, ist – bis auf Klappe und Schriftart – erschreckend nah am Vorschlag eines dänischen Tiergartens. Der Zoo im nordjütländischen Aalborg bittet seit kurzem auf seiner Webseite darum, ungewollte Haustiere direkt bei ihm abzugeben. Allerdings nicht, wie man denken würde, um die lästig gewordenen Familienmitglieder in ein besseres Zuhause weiterzuvermitteln oder sie nach schlechter Haltung aufzupäppeln, sondern um sie zu verfüttern. Ab in den Napf, für Schlangen, Greifvögel, Raubkatzen.

"Verschwendung" vermeiden

Das erschreckend plastische Konzept wird als pragmatische Lösung verkauft. Auf diese Weise würde "Verschwendung" vermieden, heißt es auf der Webseite, die Hamsterspende würde sich vorteilhaft auf das natürliche Verhalten, die ausgewogene Ernährung und das Wohlergehen der Raubtiere auswirken. Aus Sicht der im Zoo einsitzenden Fleischfresser, die vollständige Beute einschließlich Fell, Knochen und Organen brauchen, ist das durchaus plausibel. Unklar bleibt, wie das etwa ein Meerschweinchen sieht: Ist Gefressenwerden erstrebenswerter als, zum Beispiel, weiter ohne Artgenossen in einem zu kleinen Käfig dahinzuvegetieren?

Dazu schweigt die Zoo-Webseite, vermerkt nur, dass kleinere Haustiere wie Hühner, Kaninchen und Meerschweinchen "herzlich willkommen" seien und, wie schon gesagt, in lebendem Zustand werktags zwischen 10 und 13 Uhr ohne Termin abgegeben werden können – allerdings maximal vier Tiere gleichzeitig. Wer seine Sozialversicherungsnummer angibt, bekommt eine Spendenquittung für die Steuer. Auch Pferde kann man auf diesem Weg loswerden, die allerdings muss man vorher anmelden.

Für die Meerschweinchen läuft es eher suboptimal

Als Freundin aller Tiere finde ich dieses Angebot für alle Menschen, denen der Hamster nachts im Laufrad zu laut, das Kaninchen zu wenig schmiegsam oder die Entscheidung für ein Lebewesen ein bisschen zu endgültig war, natürlich höchst makaber. Wie komplett unemotional dieses Win-Win-Win-Konstrukt klingt: Der Tierhalter wird das Meerschwein los, der Zoo spart bei der Mäusezucht, und der Adler kriegt was Frisches auf den Tisch. Nur für das Meerschwein ist es, sagen wir mal: suboptimal.

Natürlich bemüht sich der Zoo bei seinen Formulierungen um Sachlichkeit: Tiere würden dort sowieso regelmäßig verfüttert, das sei normal. Das stimmt – das Konzept "Futtertier" ist Teil der zoologischen Realität. Aber genau diese Realität ist es, über die man doch nochmal stolpern sollte. Denn die Hamsterklappe öffnet auch ein Guckloch in ein größeres Missverständnis: Zoos sind keine neutralen Tier-Wohnadressen, sondern Schaukästen, in denen Lebewesen ausgestellt, sortiert und – wenn nötig – eben auch entsorgt werden.

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Zoos sind Verwahranstalten mit angeschlossenem Souvenirshop

Zoos geben sich gern modern, als Refugien des Artenschutzes, der Bildung, der tiernahen Erlebnispädagogik. Doch in Wahrheit sind sie Verwahranstalten mit angeschlossenem Souvenirshop. Die meisten Tiere dort gehören gar nicht zu bedrohten Arten. Selbst bei denen, die dazu zählen, gibt es in vielen Fällen weder eine realistische Auswilderung noch ein echtes Artenschutzprogramm. Wirtschaftliche Überlegungen – Besucherzahlen, Futterkosten, Attraktivität des Tierportfolios – wiegen oft schwerer als das Tierwohl. Was "naturnah" aussieht, ist oft nur eine dekorierte Kulisse. Und Tiere werden hier nicht einfach beobachtet, sie werden in oft deutlich zu kleinen Gehegen zur Darstellung gezwungen. Viele entwickeln stereotype Verhaltensstörungen, laufen im Kreis, lecken an Wänden, wirken apathisch oder überdreht.

Auch ich bin vor etwa 17 Jahren regelmäßig in den Zoo gegangen, um dort einen jungen Ameisenbären zu sehen, dessen Leben ich von Geburt an verfolgte. Im Rückblick habe ich auf dem Weg zu seinem Gehege vor vielen Zuständen die Augen verschlossen, die mir noch heute ein schlechtes Gewissen machen. Damals wusste ich es nämlich schon: Ein Zoo ist ein Ort, der Tiere vor allem verfügbar hält. Bis sie, wie der heimische Hamster, lästig werden. Erst im Juli wurden im Nürnberger Zoo zwölf Paviane erschossen, weil sie "zu viele" waren. Nicht krank. Nicht aggressiv. Nur: zu viele. Ihr Fleisch wurde, teilweise vor den Augen der Zoobesucher, an die Löwen verfüttert. Vielleicht ist das die ehrlichste Botschaft, die Zoos je gesendet haben: Hier drin hat alles einen Preis. Und wenn du ihn nicht mehr wert bist, wirst du Teil der Show.