Von Jason Statham und Adrien Brody bis hin zu Kristen Stewart und Natalie Portman: Der deutsche Schauspieler Michael Epp dreht regelmäßig mit Hollywood-Stars. Sich selbst bezeichnet er aber als einen "Erwachsenen, der noch im Sandkasten spielen und eine schöne Burg bauen darf". Wir haben uns mit ihm über Star-Ruhm und seine abwechslungsreichen Rollen unterhalten.

Ein Interview

Als Kristen Stewart dieser Tage in Cannes ihren Film "The Chronology of Water" vorstellte, war Michael Epp an ihrer Seite. Die US-Amerikanerin hat dem 41-Jährigen bei ihrem Regie-Debüt eine Hauptrolle anvertraut. Als Darsteller wandelt Epp zwischen internationalen Blockbustern und nationalen TV-Produktionen. Am Donnerstag spielt er im Galicien-Krimi "Die Tote vom Jakobsweg" (20.15 Uhr im Ersten) einen Hauptkommissar, ab Freitag kann man ihn in einem Guy-Ritchie-Film sehen.

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Im Interview mit unserer Redaktion spricht Michael Epp über den "Zirkus" beim Cannes-Festival, entspannte Hollywood-Stars und die Magie des Jakobswegs.

Herr Epp, Sie durften kürzlich bei den Filmfestspielen in Cannes über den roten Teppich gehen. Wie oft standen Sie mit Blick auf den ganzen Trubel kurz davor zu sagen: "Ich bin dann mal weg"?

Michael Epp: So sehr ich den Trubel in Cannes und den gemeinsamen Gang über den roten Teppich mit Kristen Stewart genossen habe: Es war schon ein großer Zirkus. Als dann auch noch "Beautiful Day" von U2 ertönte, weil Bono direkt hinter uns ging, wurde es komplett surreal. (lacht) Insgesamt sollte ich vier Tage in Cannes bleiben. Tatsächlich habe ich den Flug aus einem "Ich bin dann mal weg"-Gefühl umgebucht und bin am frühen Morgen statt – wie ursprünglich geplant – am Abend zurückgereist. Ich hatte, ehrlich gesagt, genug von dem ganzen Trubel und wollte nur noch nach Hause zu meiner Familie.

Waren Sie auch von dem harten Durchgreifen der Securitys betroffen? Einige Promis und Filmschaffende wurden auf dem Teppich einfach weitergeschoben – Stehenbleiben war quasi verboten.

Zumindest musste alles sehr schnell gehen. Man wurde im Auto vorgefahren, stieg aus, und alle schrien die Namen der Leute. Ich war übrigens erstaunt, dass auch einige nach mir riefen. Jedenfalls lief man dann sofort auf den roten Teppich zu – links und rechts davon standen hunderte von Fotografen. Irgendwann war ich in der Mitte dieses Teppichs angekommen und merkte, wie so langsam das Adrenalin in mir hochstieg. Gleichzeitig sagte mir der kleine Teufel auf der Schulter in Form meines Egos, dass ich ein richtig cooler Typ sei.

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Das klingt so, als hätte der Adrenalinschub nicht allzu lange angehalten.

Richtig. Kurz nach mir betrat nämlich Kristen den Teppich. In diesem Moment zielten alle Fotografen ruckartig nach links – und ich stand plötzlich ganz alleine da. Schneller als gedacht, war ich wieder auf dem Boden der Tatsachen angekommen. (lacht) Für mich war das aber völlig in Ordnung. Man darf diesem Zirkus nicht zu viel Glauben schenken.

Für "Die Tote vom Jakobsweg" haben Sie in Santiago de Compostela gedreht. Haben Sie die Gelegenheit gleich genutzt und sind den Weg in Hape Kerkelings "Ich bin dann mal weg"-Manier gepilgert?

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Frauenleiche an der Atlantikküste: Mercédes Navarro (Mercedes Müller, li.), David Acosta (Michael Epp) und Adrían Martinéz (Dirk Borchardt, re.) schauen sich die tote Sofía Serrano (Sylvana Seddig, unten) genauer an. © ARD Degeto Film/La Diapo Fotografía

Schon lange vor diesem Projekt hatte ich geplant, den Jakobsweg zu laufen. Nun ist im Zuge der Dreharbeiten zu diesem Film aber etwas Ungewöhnliches passiert: Normalerweise ebbt der Kontakt zu den Kollegen und Kolleginnen nach Drehende recht schnell wieder ab, weil neue Projekte anstehen. In diesem Fall war das anders. Wir haben uns so gut verstanden, dass wir uns in regelmäßigen Abständen immer mal wieder getroffen haben. Dabei haben wir etwas vereinbart: Sollte es mit "Die Tote vom Jakobsweg" weitergehen, wollen wir vor oder nach den Dreharbeiten gemeinsam den Jakobsweg laufen.

In dem TV-Film spielen Sie einen nach Galicien versetzten Hauptkommissar. Ist dieser David Acosta genauso rau wie die Gegend um die Steilküste am Atlantik herum?

Das ist eine schöne Beschreibung. Und so habe ich die Figur auch angelegt. In meinen Augen ist dieser Kommissar ein rauer und zugleich suchender Mensch. Einerseits hat er den Tunnelblick für seinen Beruf, andererseits hat er den Spürsinn für das wirklich Wichtige im Leben verloren: nämlich für seine Familie. Die Handlung beginnt damit, dass er sich in das eher ruhige Santiago versetzen lässt, um dort die Beziehung zu seiner Familie zu reparieren. Doch ausgerechnet an seinem ersten Arbeitstag in Galicien wird er mit einem Mordfall an einer Mitarbeiterin des Pilgerbüros konfrontiert.

Welchen Einfluss hatte die besondere Atmosphäre, die in diesem Wallfahrtsort herrscht, auf die Dreharbeiten?

Das habe ich ein bisschen unterschätzt. Diese Magie und Energie des Jakobswegs ist viel größer, als ich zuvor angenommen hatte. In den malerischen Gassen von Santiago wird man tagtäglich mit unzähligen Pilgern und Pilgerinnen konfrontiert. Man kommt auch schnell mit diesen Menschen ins Gespräch. Viele haben uns ihre hochemotionalen Gründe geschildert, wegen derer sie diese Reise angetreten sind. Man wird unweigerlich ein kleiner Teil ihrer Reise. Das ist in unsere Arbeit übergegangen.

Michael Epp über Star-Ruhm: "Leiden auf sehr hohem Niveau"

Sie galten bisher als "Deutschlands heimlicher Hollywood-Star". Ist der Punkt erreicht, an dem wir das "heimlich" streichen können?

Ob "heimlich" oder nicht: Ich bin grundsätzlich froh, wenn ich diesem "Star-Sein" entkommen kann. Zumal ich bei sehr viel bekannteren Kollegen und Kolleginnen, mit denen ich zusammenarbeiten durfte, gesehen habe, welchen Preis man dafür zahlen muss. Mir ist aber bewusst, dass es Leiden auf sehr hohem Niveau ist. Erfolg in diesem Beruf ist unweigerlich mit einem Bekanntheitsgrad verbunden.

Der Bekanntheitsgrad steigt weiter, wenn man regelmäßig an der Seite von Weltstars wie Jason Statham, Adrien Brody oder Guy Pearce spielt …

Das stimmt, und dennoch sehe ich mich noch nicht als Star. Am Tag nach dem Galicien-Krimi kommt übrigens der Guy-Ritchie-Film "Fountain of Youth" [im Stream bei Apple TV; Anm. d. Red.], in dem ich mitspielen durfte – mit Natalie Portman und John Krasinski. Mir geht es in erster Linie darum, eine gute, ehrliche Arbeit vor der Kamera abzuliefern und dabei mit tollen Menschen zusammenzuarbeiten. Ich sehe mich als einen Erwachsenen, der noch im Sandkasten spielen darf. Und im Sandkasten sind keine Stars, sondern nur Leute, die Spaß haben und eine schöne Burg bauen wollen.

Sind die großen Hollywood-Stars wie Samuel L. Jackson und Co. cooler und entspannter als unbekanntere Schauspieler und Schauspielerinnen, die noch nach Aufmerksamkeit suchen?

Dazu habe ich mir auch schon häufig Gedanken gemacht. Wenn jemand mehr als 20 Jahre lang auf einem Top-Level arbeitet und diesen Bekanntheitsgrad hält, dann ist die Wahrscheinlichkeit extrem hoch, dass diese Person einfach auch ein guter Mensch ist. Wäre dem nicht so, würde nämlich niemand mehr mit diesem Schauspieler oder dieser Schauspielerin arbeiten wollen. Es spricht sich alles herum – sowohl beim Publikum als auch bei den Leuten hinter der Kamera.

Ich habe aber auch durchaus Verständnis für diejenigen, die nach Aufmerksamkeit suchen. Oft sind das Leute, die wegen nur eines Films von 0 auf 100 aufs Podest gehievt worden sind. Ich finde, man sollte diesen Menschen ein bisschen Zeit geben, sich zu justieren und den Erfolg richtig einzuordnen.

Nervt es Sie eigentlich, wenn in Interviews versucht wird, Ihnen Informationen zu den besagten Weltstars zu entlocken?

Nein. Ich kann das schon verstehen. Es ist Teil des Geschäfts. Mit den Namen der Menschen, die über einen langen Zeitraum erfolgreich arbeiten, werden letztlich Filme finanziert. Und auch für mich persönlich ist es ein tolles Erlebnis, zum Beispiel George Clooney zu treffen oder mit Kristen Stewart zu drehen. Es hat sich einfach mit der Zeit normalisiert, weil ich mit diesen Leuten zusammenarbeite. Wenn man gemeinsam an einem Projekt arbeitet, werden die Masken abgenommen, die man manchmal für die Öffentlichkeit anzieht. So entstehen mitunter wunderschöne zwischenmenschliche Momente.

Schmeckt der Wein besser, wenn man ihn mit George Clooney trinkt?

Tatsächlich schmeckt der Wein genau gleich. Die Weine, die man mit engen Freunden oder Familienangehörigen zu sich nimmt, schmecken vielleicht sogar noch ein bisschen besser als mit George Clooney an meiner Seite. Obwohl ich zugeben muss, dass es schon sehr schön ist, mit ihm ein Glas Wein zu trinken.

"Auch als Regisseurin bietet Kristen dem Ganzen die Stirn. Sie ist wirklich sehr detailgetreu und hat diese endlose Leidenschaft für ihre Sache."

Kristen Stewart kennt man als Schauspielerin. Wie ist sie als Regisseurin?

Wir wissen alle, wie großartig sie als Schauspielerin und welch tolle Künstlerin sie im Allgemeinen ist. Auch als Regisseurin bietet Kristen dem Ganzen die Stirn. Sie ist wirklich sehr detailgetreu und hat diese endlose Leidenschaft für ihre Sache.

In "The Chronology of Water" geht es um eine toxische Vater-Tochter-Beziehung. Bei so einem schwierigen, intensiven Thema kann es einem Schauspieler schon mal passieren, dass er sich selber in eine Ecke hineinmanövriert, aus der er alleine nicht mehr herausfindet. Es ist ein gängiges Problem, dass man sich zu sehr an das Drehbuch klammert und die Gefühle nicht mehr zulässt. Dadurch, dass Kristen selbst Schauspielerin ist, kann sie das verstehen. Sie hatte die richtigen Werkzeuge dabei, um uns – und speziell mich – sozusagen aus dem Kopf rauszuholen.

Sie verkörpern den gewalttätigen Vater der langjährigen Schwimmerin und späteren Schriftstellerin Lidia Yuknavitch, gespielt von Imogen Poots. Was hat Kristen Stewart in Ihnen gesehen?

In erster Linie musste ich, wie jeder andere auch, ein Casting absolvieren. Vielleicht hat Kristen in meiner Interpretation der Rolle erkannt und für richtig befunden, dass ich diesen toxischen Menschen als jemanden angelegt habe, dessen Antrieb immer die Liebe zur eigenen Tochter war. Er wollte sie nicht verlieren und wusste sich nicht anders auszudrücken. Das ist natürlich keine Rechtfertigung dafür, dass er das falsche Werkzeug des Gewaltsamen anwendete. Mir hat diese Sichtweise aber geholfen, um auch die Verletzbarkeit dieses Mannes herauszukehren. Darüber habe ich viel mit Kristen gesprochen. Wir lagen da auf einer Wellenlänge.

Würden Sie gerne mal in einem Wes-Anderson-Film mitspielen? Er stellt am Donnerstag in Berlin seinen neuen Film "Der phönizische Meisterstreich" vor.

Auf jeden Fall. Seine Filme sind unglaublich unterhaltsam und intelligent geschrieben. Es gibt derzeit kaum einen Filmemacher, der eine so eindeutige Bildsprache nutzt wie Wes Anderson. Für mich persönlich wäre es interessant herauszufinden, wie man diese Rollen spielen würde, die so groß und trotzdem so persönlich sind. Es wäre ein spannender Spagat. Ich würde ein Angebot also nicht ablehnen, wenngleich wir uns hier im Bereich des Wunschdenkens bewegen.

Über den Gesprächspartner

  • Michael Epp ist ein deutsch-britischer Schauspieler. Nach dem Abschluss seiner Ausbildung am "HB Studio of Acting" in New York arbeitete er in der US-Metropole zunächst als Theaterdarsteller. Mittlerweile steht der in Konstanz geborene und in Berlin lebende Epp regelmäßig für deutschsprachige und internationale Produktionen vor der Kamera – 2024 unter anderem in "The Beekeeper" mit Jason Statham und in dem oscarprämierten Film "Der Brutalist" mit Adrien Brody.