Eine monatliche Zahlung des Staates sichert die Lebensqualität – und das völlig ohne Bedingungen und Auflagen: Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens bewegt viele Ökonomen und Unternehmer. Einige davon kommen in Christian Tods neuer Kino-Doku "Free Lunch Society" zu Wort – und sie alle betonen, dass die Idee keinesfalls nur utopisch ist.

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In der Folge "Die neutrale Zone" der Fernsehserie "Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert" trifft die Mannschaft von Captain Picard auf Menschen aus unserer Zeit, die aus dem Tiefschlaf geholt werden. Sie sind überrascht, als sie erfahren, dass es im 24. Jahrhundert kein Geld und keine materiellen Nöte mehr gibt: Gearbeitet wird nur, was man will.

"Was hat man da noch für ein Ziel?", wird Picard gefragt. "Sie können sich weiterentwickeln, Ihr Wissen vergrößern", antwortet der. "Genießen Sie es."

Wie diese "Star Trek"-Utopie aus dem Jahr 1988 mutet die derzeit immer wieder aufblühende Idee des bedingungslosen Grundeinkommens an: Jeder Mensch würde vom Staat einen monatlichen Betrag erhalten, völlig unabhängig von Leistung, Arbeit, Verwendung des Geldes oder sonstigen Variablen. "Bedingungslos" lautet das Schlüsselwort. Was man darüber hinaus macht oder verdient, bleibt einem selbst überlassen.

"Wieso leisten wir uns Armut?"

Der Linzer Regisseur und Ökonom Christian Tod untersucht in seinem aktuellen Dokumentarfilm "Free Lunch Society", eingeleitet von oben zitierter "Enterprise"-Szene, die Idee dieses bedingungslosen Grundeinkommens. Der Titel bezieht sich auf einen Spruch des ehemaligen US-Präsidenten Ronald Reagan, der einmal sagte, so etwas wie ein Gratis-Mittagessen gebe es nicht. Sprich: Alles hat einen Preis, alles hat einen Haken.

DM-Gründer Götz Werner, einer der eindringlichsten Protagonisten von Tods Film, ist ein starker Verfechter der Idee, dass eben jenes sprichwörtliche Mittagessen doch umsonst sein könnte. "Arbeit ist unbezahlbar", erklärt er bei einem Vortrag: Wie kann man Tätigkeiten einen Preis geben?

"Mit Geld können Sie eine Gesellschaft nicht versorgen", führt Werner aus: Stattdessen sind es Güter, die notwendig sind – und die gibt es mehr als genug. "Wieso leisten wir uns Armut, wenn wir einen Überschuss an Gütern haben?", fragt er.

Dass sich viele gegen die Idee eines Grundeinkommens stellen, läge am Machtverlust, erklärt Werner: "Sie können den Menschen nicht mehr mit seinem Arbeitsplatz und Verlust dessen bedrohen". Er zitiert den Philosophen Rousseau: "Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern, dass er nicht tun muss, was er nicht will."

Argumente gegen das Grundeinkommen

Es gibt zwei Hauptargumente gegen das bedingungslose Grundeinkommen, die hier beide angesprochen und entkräftet werden. Eine davon ist, dass ein solches System finanziell nicht tragbar wäre. Dem widerspricht beispielsweise der Schweizer Unternehmer Daniel Häni ganz vehement: "Natürlich kann man das finanzieren. Das Geld ist ja da."

Die noch lautere Gegenstimme meint, dass ohne den Zwang überhaupt niemand mehr arbeiten würde: Wir würden zu einer Gesellschaft aus Faulpelzen verkommen. Die im Film gezeigten Studien widersprechen auch dem: Tatsächlich wollen die meisten Menschen eine Arbeit, die sie erfüllt. Die Ökonomin Evelyn Forget stürzt sich auf eine Statistik, nach der eine hohe Anzahl Menschen ihre Arbeit einfach niederlegen würden. Viele dieser Personen, erklärt sie, sind Schüler, die sich ohne Arbeitszwang lieber auf den Schulabschluss konzentrieren würden.

Tods Film zeigt eine Reihe von vorangegangenen Experimenten mit bedingungslosem Einkommen, die heute eher vergessen sind. 1967 richtete US-Präsident Lyndon B. Johnson eine Kommission zu einem garantierten Mindesteinkommen ein, der Ökonom Milton Friedman entwickelte den Ansatz der negativen Einkommenssteuer. Martin Luther King sprach vom garantierten Mindesteinkommen.

In New Jersey, Seattle und Denver wurden entsprechende Experimente durchgeführt – und es stellte sich heraus, dass der Impuls, sich Arbeit zu suchen, kaum abnahm. In den Achtzigern wurden derartige Programme aber unter Reagans "Trickle-down"-Wirtschaft gestoppt und begraben.

Utopie und Gegenwart

In Alaska gibt es aber tatsächlich seit 1976 einen staatlich verwalteten Fonds, aus dem jährlich eine Summe an die Einwohner ausgeschüttet wird. Der Alaska Permanent Fund (APF) wurde eingerichtet, um die Gewinne aus der Ölförderung zu verwalten –weil das Land sozusagen allen Bürgern gehört, haben die auch Anrecht auf das Geld. Bei Summen zwischen $845 (2005) und $2072 (2015) kann man schwerlich von Grundeinkommen sprechen – aber das Modell zeigt, dass eine solche Ausschüttung finanzierbar wäre.

"Free Lunch Society" zeigt auch eine aktuelle Initiative in Namibia und verfolgt die Bestrebungen in der Schweiz. Nebenher thematisiert Tod, wie die zunehmende Automatisierung durch Roboter auch sicherstellt, dass jeder versorgt wird.

Dabei wird schnell klar, dass der Film eigentlich keine Dokumentation ist: Er ist ein glühender Appell, die von den Experten skizzierte gesellschaftliche Revolution umzusetzen. Das ist ein legitimer Ansatz – aber eine Betrachtung der Idee von unterschiedlichen, auch kritischen Seiten her würde die Argumentationskraft vielleicht letztlich sogar steigern.

Als dringlicher Überzeugungsruf funktioniert "Free Lunch Society" jedenfalls tadellos. Immerhin kann die Utopie ja die Mutter von konkreten Verbesserungen sein.

"Free Lunch Society" startet am 5. Mai 2017 in den österreichischen Kinos.


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