Im Interview mit unserer Redaktion spricht Pornoproduzentin Paulita Pappel über den Mehrwert der neuen ARD-Miniserie "Player of Ibiza" und erklärt, wie sie Pornografie aus der Tabuzone holen möchte.

Ein Interview

In der Mini-Serie "Player of Ibiza" (ab 10. Mai in der ARD-Mediathek) legen die Macher von "Die Discounter" nach und zeigen eine Comedy-Serie im Mockumentary-Style über Reality-TV, Sexismus und fragile männliche Egos. In dem Fünfteiler ist auch Pornoproduzentin Paulita Pappel zu sehen, die sich selbst spielt.

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Im Gespräch mit unserer Redaktion spricht Paulita Pappel über den Konflikt, der entsteht, wenn toxische Männlichkeit auf Feminismus trifft und erklärt, welche Fehlannahmen über die Pornoindustrie sie gerne aus dem Weg räumen würde. Zudem ordnet die 36-Jährige ein, warum sie Pornografie als Werkzeug der Emanzipation betitelt.

Frau Pappel, Sie sind in der fünfteiligen Mini-Serie "Player of Ibiza" zu sehen. Die ARD-Produktion erzählt von einer Reality-TV-Show, die zum Feminismus-Bootcamp umgestaltet werden soll. Was hat Sie an dem Projekt begeistert?

Paulita Pappel: Ich finde die Arbeit der "Kleinen Brüder" sehr spannend und mag den intelligenten Humor ihrer Produktionen. Trotzdem ist der Humor frei zugänglich, was für mich ein wichtiger Indikator ist. Vor allem mit Blick auf Social Media bin ich immer wieder erschrocken über die gesellschaftlichen Kämpfe, die auf den Plattformen ausgetragen werden. Umso mehr empfinde ich Humor als ein wichtiges Werkzeug, um komplexe Themen mit einer gewissen Leichtigkeit anzusprechen. Vor allem beim Thema Feminismus bedarf es dringend neue Ansätze – besonders von Männern. Genau dieses Mindset bringen die drei Produzenten der Show mit.

Die Serie zeichnet den größtmöglichen Konflikt, indem klassisch toxische Männer auf Feminismus prallen – befindet sich "Player of Ibiza" möglicherweise näher an der Realität, als uns lieb ist?

Auf jeden Fall. Ich glaube, man muss nur einmal durch einen beliebigen Feed bei X scrollen, um schnell ein Szenario zu erkennen, in dem etwa extrem toxische, konservative, sexistische Männlichkeiten auf neue Weltanschauungen treffen. Das halte ich für sehr gefährlich.

Die Fehlannahmen rund um die Pornobranche

Sie spielen in der Serie ja sich selbst, wie war es am Set?

Die Dreharbeiten waren unfassbar aufregend und haben tolle Möglichkeiten gegeben, sich selbst nicht ganz zu ernst zu nehmen. Ich habe versucht, mich etwas zugespitzter darzustellen, denn meine Rolle wurde im Skript viel zu sehr verschont (lacht). Als umso wichtiger empfinde ich es, über sich selbst zu lachen, um sich selbst auch immer wieder hinterfragen zu können. Genau dafür ist Humor das beste Werkzeug. Deswegen wollte ich eine übertriebene Darstellung meiner selbst abliefern – auch um die Klischees der Menschen aufzufangen.

Regisseur Bruno hatte einmal in einem Interview erzählt, dass er und die beiden Regisseure Emil und Oskar Sie im Vorfeld gefragt haben, was Ihrer Meinung nach in der Pornobranche vernachlässigt wird und was erzählt werden soll. Wie haben Sie ihnen geantwortet?

Mir ist es am wichtigsten, die Fehlannahmen der Gesellschaft gegenüber der Pornoindustrie aufzudecken. Natürlich ist die Pornoindustrie nicht perfekt, aber welche Industrie ist das schon?! Dennoch läuft es in der Pornobranche nicht schlimmer als etwa in Hollywood oder in der Musikbranche. Dementsprechend liegt der Fokus für mich nicht darauf, zu hinterfragen, was in der Pornobranche schlecht läuft – das weiß die Branche selbst und wir versuchen, entsprechend zu optimieren. Was uns genau daran aber hindert, ist das Stigma und die Diskriminierung gegenüber der Branche, die vom Staat und der Gesellschaft ausgeht. Umso wichtiger war es mir, bei "Player of Ibiza" gegen diese Marginalisierung ein Zeichen setzen zu können.

Wie wurde das bei den Dreharbeiten konkret umgesetzt?

Mir ging es beispielsweise darum, zu zeigen, wie ein Set bei einem Pornodreh aussieht. Allein diese echte Veranschaulichung kann schon mit vielen Fehlannahmen der Menschen aufräumen, weil häufig der Irrglaube besteht, in der Pornoindustrie seien ausschließlich alte Männer involviert, die Frauen zu Dingen zwingen, die sie nicht wollen. Hierbei handelt es sich jedoch um ein veraltetes und nicht mehr zeitgemäßes Bild. Die meisten Pornos, die heute produziert werden, werden selbstbestimmt von Frauen produziert. Häufig zeigen sie sich dabei selbst, meistens auch mit ihren Partnern. Insofern kann man eigentlich sagen, dass es kaum eine Industrie gibt, die sich so ethisch gestaltet, wie die Pornobranche.

Trotzdem halten sich die Fehlannahmen der Menschen mit Blick auf die Industrie …

Das ist richtig. Porno geht mit vielen Fehlannahmen einher, wie zum Beispiel, dem Bild, dass nur bestimmte Körper gezeigt werden. Dabei ist Porno viel vielfältiger als Hollywood. Dann gibt es noch das Bild, dass Frauen gezwungen werden, Pornos zu drehen. Auch das stimmt nicht. Frauen sind selbstbewusste und selbstbestimmte Menschen, die für sich selbst Entscheidungen treffen – ihnen das abzusprechen, ist sexistisch. Dass die Industrie einmal männerdominiert war, ist kein Geheimnis – das trifft aber ebenso auf jede andere Industrie zu. Indem wir inzwischen in einer Zeit leben, in der man mit dem Smartphone den besten Porno drehen kann, der sich zudem am besten verkauft, ist die Pornoindustrie in ihren Machtverhältnissen viel fairer geworden als etwa die Filmindustrie, in der noch immer die Produzenten an der Macht sind.

Sie selbst produzieren feministische Pornos, was hat es mit dieser Beschreibung auf sich?

Ich habe aufgehört, mich als Produzentin feministischer Pornos zu bezeichnen. Die Bewegung der feministischen Pornos begann in den 1980er-Jahren in den USA, was im historischen Kontext absolut sinnvoll war. Inzwischen sind aber 40 Jahre vergangen und ich bezweifle, dass es heute noch immer sinnvoll ist, über feministische Pornos zu sprechen – auch weil die Begrifflichkeit "feministischer Porno" heute nur noch ein Marketing-Werkzeug ist.

Paulita Pappel: "Ich mache Pornos, Punkt."

Mit dem vermutlich aber viele Pornos verkauft werden, wie ich vermute …

Ja, viele Firmen, die versuchen, sich aus der Schublade der vermeintlich schmuddeligen Pornobranche zu befreien, betiteln ihre Pornos als feministisch oder ethisch. Dabei geht es eigentlich nur darum, ein Produkt zu verkaufen. Denn dass die Darstellerinnen und Darsteller volljährig sind, auf Geschlechtskrankheiten getestet werden und alle Handlungen einvernehmlich sind, ist Standard in der Pornoindustrie – dafür bedarf es weder das Label "feministisch" noch "ethisch".

Pornografie als Werkzeug der Emanzipation

Sie betiteln sich selbst also als Pornoproduzentin?

Richtig. Ich bin Pornoproduzentin und könnte meinen Beruf nicht ausüben, wenn Männer meine Filme nicht kaufen würden. Mir ist bewusst, dass es aus marketingtechnischen Gründen besser wäre, mich als feministische Pornoproduzentin zu betiteln – aus politischer Sicht empfinde ich das aber als falsch. Ich mache Pornos, Punkt.

Um noch einmal zurück zu den typischen Klischees rund um Pornos zu kommen: Für viele Menschen gehen Pornos ausschließlich mit der Erniedrigung der Frau einher – Sie hingegen beschreiben Pornografie vielmehr als Werkzeug der Emanzipation.

Natürlich wird unsere Gesellschaft immer freier mit mehr Ressourcen und Rechten. Nichtsdestotrotz leben wir noch immer mit der Altlast einer Sexualmoral. Bis sexuelle Selbstbestimmung sowohl im juristischen als auch im praktischen Kontext verankert ist, haben wir noch einen langen Weg vor uns, weil Sexualität noch immer mit viel Scham und negativen Gefühlen einhergeht. Pornografie ist für mich in erster Linie ein Unterhaltungsprodukt, das Sexualität feiert. Eben dieses Zelebrieren von Sexualität und Lust ist befreiend in einer Gesellschaft, die uns lehrt, uns für unsere Sexualität und Körper zu schämen. Genau an diesem Punkt sehe ich das Potenzial von Pornografie, denn wir brauchen einen unbeschwerteren Umgang mit Sexualität.

Pornos – noch immer ein Tabu

Aus diesem Gedanken heraus ist im letzten Jahr Ihr Buch "Pornopositiv" entstanden. Welche Leserschaft wollen Sie mit dem Buch erreichen?

Im besten Fall erreiche ich mit dem Buch sowohl Menschen, die Pornos konsumieren, als auch solche, die diesbezüglich noch schambehaftet sind. Die Message des Buchs ist nicht, alle Menschen davon zu überzeugen, Pornos zu schauen. Vielmehr geht es mir darum, die Menschen davon zu überzeugen, keine Angst vor Pornos haben zu müssen. Vor allem Frauen neigen dazu, Pornos als eine Bedrohung zu empfinden. Dabei wird ihnen persönlich mit Pornos nicht Schlechtes angetan. Diese Angst hat damit zu tun, wie sie mit ihrem eigenen Körper und ihrer eigenen Sexualität umgehen – und genau diese Angst möchte ich den Menschen gerne nehmen.

Warum ist Pornografie ein solches Tabuthema?

Ich glaube, unsere tabuisierte Art und Weise, mit Pornografie umzugehen, ist noch sehr neu. Explizite Darstellungen von Sexualität und Nacktheit gab es schon immer, das zeigen uns beispielsweise Höhlenmalereien. Damals haben sich die Menschen dafür aber nicht geschämt. Dass wir Sexualität oder auch Pornografie im Heimlichen ausleben, ist hingegen eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Wenn wir uns dieser Tabuisierung bewusst werden, können wir verstehen, dass wir keine Angst haben müssen. Vielmehr sollten wir versuchen, die herrschende Sexualmoral zu überwinden.

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