• Es gibt erste Anhaltspunkte zu den Mechanismen, die Long Covid und die damit verbundene Erschöpfung auslösen.
  • Eine besondere Rolle als Biomarker für Long Covid scheint das Hormon Cortisol zu spielen.
  • Es wird intensiv an unterschiedlichsten Behandlungsmöglichkeiten geforscht. Bislang ist aber noch keine Methode verfügbar, die verlässlich gegen Long Covid wirkt. Dazu sind weitere Studien nötig.

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Zu Long Covid und Behandlungsmöglichkeiten wird intensiv geforscht. Aber noch immer warten Betroffene vergeblich auf ein Mittel, das die Erkrankung heilt. Long Covid ist nicht selten: Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass in Europa mindestens 17 Millionen Menschen von Long Covid betroffen sind. Das häufigste Symptom dabei ist eine starke Erschöpfung. Long Covid kann sich allerdings durch eine Vielzahl von Beschwerden äußern, die von Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Konzentrationsproblemen bis hin zu Lähmungserscheinungen reichen. Wie sieht eigentlich der aktuelle Stand der Forschung aus?

Auch nach anderen Viruserkrankungen kann es zu einer starken Erschöpfung (Fatigue) kommen. Sie tritt insbesondere beim chronischen Erschöpfungssyndrom (ME/CFS) auf. Gibt es eine Verbindung zwischen ME/CFS und Long Covid?

"Es sind tatsächlich verblüffende Ähnlichkeiten zwischen ME/CFS und Long Covid festgestellt worden", sagt Dr. Rob Swanda. Der amerikanische Biochemiker forscht an der Cornell University in New York und befasst sich intensiv mit der Corona-Pandemie und Long Covid. Auch beim chronischen Erschöpfungssyndrom warten Betroffene bislang noch vergebens auf eine wirksame Behandlung.

Was genau ist dazu bekannt?

Bekannt ist, dass es bei ME/CFS zu einer Beeinträchtigung der Mitochondrien kommt. Diese kann man vereinfacht als die Energiekraftwerke der Zellen bezeichnet und sie spielen eine wichtige Rolle im Energiestoffwechsel des Körpers. "Bei ME/CFS arbeiten die Mitochondrien in unseren Zellen nicht so effizient und produzieren weniger Energie", sagt der Experte. Forschende gehen davon aus, dass dies die chronische Müdigkeit erklärt. "Dieser Zusammenhang wird auch bei Long Covid untersucht." Bislang sind schon einige Studien dazu erschienen. "Aber es ist dringend noch mehr Forschung dazu notwendig."

Wird eigentlich überhaupt genug zu Long Covid geforscht?

Es liegen inzwischen etliche Studien zu Long Covid vor. Allerdings sind sie oft nicht repräsentativ, weil nur die Daten weniger Betroffener darin eingeflossen sind. Long Covid ist für die Forschung ein relativ neues Thema. "Wir müssen diese Krankheit unbedingt mit großen und repräsentativen Daten erforschen, um die Unbekannten zu enthüllen und Behandlungsmöglichkeiten für die Millionen von Betroffenen zu finden", sagt Dr. Rob Swanda. Um wirklich zu verstehen, was Long Covid im Körper anrichte, sei die Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen erforderlich. Außerdem müsse mehr Geld zur Verfügung gestellt werden, um intensivere Forschung zu ermöglichen, sagt Swanda. Das fordert übrigens auch die Weltgesundheitsorganisation.

Was ist über Biomarker bekannt, die bei Long Covid eine Rolle spielen?

Es gibt erste Anhaltspunkte zu wichtigen Biomarkern: "Wir wissen inzwischen, dass bei Long Covid der Cortisolspiegel erniedrigt ist", sagt Swanda. Der Körper schüttet dieses Hormon im Lauf des Tages in einem bestimmten Rhythmus aus. Früh am Morgen wird der höchste Cortisolspiegel erreicht. "Das Hormon ist eng mit Entzündungen und Immunreaktionen verbunden", sagt der Experte. "Wenn der Cortisolspiegel nicht im Gleichgewicht ist, sind auch die Entzündungs- und die Immunreaktionen nicht im Gleichgewicht."

Dazu wurde kürzlich auch eine Studie veröffentlicht. Bei allen untersuchten Personen mit Long Covid wurden dabei niedrige Cortisolspiegel gemessen. Darüber hinaus wurden bei einigen der untersuchten Patienten im Körper ruhende Viren aktiviert. Dabei handelte es sich um Varizella-Zoster-Viren und um Epstein-Barr-Viren, die Herpesinfektionen und Pfeiffersches Drüsenfieber auslösen können. Das kann Betroffene zusätzlich schwächen.

Welche Optionen gibt es aktuell für die Behandlung?

Aktuell gibt es keine Behandlung für Long Covid, deren Wirksamkeit offiziell geprüft und bestätigt worden ist. "Es wurden mehrere kleine Studien durchgeführt, um herauszufinden, was die Symptome lindern kann", sagt Swanda. Zum Einsatz kamen dabei etwa Steroide, gerinnungshemmende Mittel und Nahrungsergänzungsmittel. Der durchschlagende Erfolg blieb bislang allerdings aus. "Deshalb ist hier unbedingt weitere Forschung notwendig", sagt Swanda.

Das mit 1,15 Milliarden Dollar am stärksten geförderte Forschungsprojekt ist aktuell das US-Projekt Recover. Es kommt allerdings nur langsam voran. Bislang gibt es immerhin einige Anhaltspunkte, aber noch keine effektive Behandlung. Hinzu kommt, dass Long Covid neben der sehr starken Erschöpfung, unter der viele der Betroffenen leiden, eine Vielzahl an sehr unterschiedlichen Symptomen verursachen kann. Eine zusätzliche Herausforderung wird Swanda zufolge deshalb darin liegen, die jeweilige Behandlung möglichst genau auf die individuellen Symptome abzustimmen.

Was ist mit dem deutschen Hoffnungsträger BC 007?

In Deutschland war zuletzt viel vom Wirkstoff BC 007 die Rede. Er sollte eigentlich gegen Herzkrankheiten zum Einsatz kommen – aber es gibt Hinweise darauf, dass er auch die Symptome von Long Covid lindern kann. In der Augenklinik des Uniklinikums Erlangen wurde er einem Long-Covid-Patienten per Infusion verabreicht. Daraufhin verschwanden die Long-Covid-Symptome, unter denen er litt. Dabei handelte es sich unter anderem Müdigkeit, Geschmacksverlust und Konzentrationsschwäche. Um herauszufinden, ob das Mittel tatsächlich geeignet ist, um Long Covid zu behandeln, sind aber klinische Studien nötig. Bis dazu mehr bekannt ist, wird es also wohl noch etwas dauern.

Über den Experten: Dr. Rob Swanda ist Biochemiker an der Cornell University in New York. Er forscht intensiv zum Thema mRNA und dem Zellstoffwechsel. Auch mit mRNA-Impfstoffen gegen das Coronavirus, der Pandemie an sich und Long Covid hat er sich intensiv befasst. Dazu veröffentlicht er auch regelmäßig Tweeds auf seinem Twitter-Account.

Verwendete Quellen:

  • World Health Organization: At least 17 million people in the WHO European Region experienced long COVID in the first two years of the pandemic; millions may have to live with it for years to come
  • Jon Klein et. al.: Distinguishing features of Long COVID identified through immune profiling
  • Nature: Long-COVID treatments: why the world is still waiting
  • Uniklinik Erlangen: Große Resonanz auf ersten erfolgreichen Long-COVID-Heilversuch mit BC 007
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