So manch ein gesuchter Krimineller hat bereits mit verschiedenen Mitteln versucht, einer Strafverfolgung zu entgehen. Manche tauchen in einem anderen Land unter, färben ihre Haare und meiden die Öffentlichkeit. Aber es gibt auch Menschen, die zu extremeren Maßnahmen greifen, um unerkannt zu bleiben.
Eine Klinik, in der Menschen ein neues Aussehen und eine neue Identität bekommen. Verbrecher, die unter neuem Namen und optisch völlig verändert die Geheimdienste an der Nase herumführen – bei James-Bond-Fans weckt das Erinnerungen. In dem 2002 erschienenen Film "Stirb an einem anderen Tag" jagt Geheimagent 007 einen Bösewicht, der mit einer neuen Identität weiter kriminelle Machenschaften ausheckt.
Doch so weit ist die überzeichnete Handlung aus dem James-Bond-Universum von der Realität gar nicht entfernt. Mit operativen Eingriffen wollten schon mehrfach Menschen ihre wahre Identität für immer geheim halten. Allerdings gelingt die Flucht vor der Justiz mit einem neuen Gesicht nicht automatisch, wie unsere Beispiele zeigen.
Der Buchhalter, der es nicht lassen konnte
Ein Südkoreaner hätte es im Jahr 2013 fast geschafft, mehrere Millionen Euro von seinem Arbeitgeber zu unterschlagen und unerkannt davonzukommen – doch dann wurde er zu leichtsinnig.
Nach Angaben der Polizei hatte der Mann seine leitende Funktion in einer Firma missbraucht, um an Geld zu kommen. Insgesamt überwies der Buchhalter umgerechnet 3,28 Millionen Euro auf geheime Konten.
Anfang Januar 2013 entschied sich der 33-Jährige dann, einen Notfall in der Familie vorzutäuschen, die Firma zu verlassen und einen großen Teil des Geldes abzuheben. Mit dem erschlichenen Vermögen vergnügte sich der Mann in sogenannten Hostessenbars und kaufte sich einen Mercedes. Um seinen Vergnügungstrip weiter auskosten zu können, ohne dabei entdeckt zu werden, unterzog sich der Mann gleich mehreren Gesichtsoperationen.
Doch statt sich mit dem restlichen Geld und einem neuen Gesicht aus dem Staub zu machen, zog es den Buchhalter in das wohlhabende Stadtviertel Gangnam in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Dort machte er sich erneut eine gute Zeit mit den unterschlagenen Millionen – bis zwei seiner Komplizen ihn bei der Polizei verpfiffen.
Der Buchhalter sei ein "völlig anderer Mensch" gewesen, bestätigte eine Polizeisprecherin nach der Festnahme. Durch Eingriffe an Nase und Augen habe sich sein Gesicht "dramatisch verändert".
Der Drogenboss, der sein Leben für Anonymität riskierte
Um den mexikanischen Drogenboss Amado Carrillo Fuentes ranken sich seit seinem Tod im Jahr 1997 Verschwörungstheorien.
Nahe der texanischen Grenze soll Fuentes in den 90er-Jahren als Chef des Juárez-Kartells große Mengen Kokain in die USA geschmuggelt haben. Er galt als einer der meistgesuchten Kriminellen Mexikos.
Auch in der bekannten Netflix-Serie "Narcos" taucht der Mann mit dem Spitznamen "Herr der Lüfte" auf, der mit generalüberholten Boeing 727 Kokain aus Kolumbien nach Mexiko eingeflogen haben soll.
Der "Guardian" zeichnet 1997 in einem Porträt des Drogenbosses einen Mann, der mit allen Mitteln versuchte, nicht von der Polizei entdeckt zu werden. Millionen Dollar soll er demnach jährlich an Bestechungsgeldern ausgegeben haben. Fuentes habe sich selten fotografieren oder filmen lassen – und hatte sich schließlich dazu entschlossen, sich in das Santa-Monica-Krankenhaus in Mexiko City einweisen zu lassen, um endgültig unerkannt bleiben zu können.
Dort führten drei Chirurgen eine mehr als achtstündige Operation an dem damals 41-Jährigen durch. Neben einer Fettabsaugung des Brustkorbs veränderten sie laut Bericht die Form der Nase, seiner Augen und seines Unterkiefers. Doch statt in neuer Gestalt untertauchen zu können, wurde Fuentes nach der Operation tot aufgefunden.
Spekulationen dazu gab es viele: Starb Fuentes aus Fahrlässigkeit oder war sein Körper den schweren operativen Eingriffen nicht gewachsen? War es doch Mord? Oder hat der Drogenboss seinen Tod nur vorgetäuscht, um dann für immer zu verschwinden?
Ein DNA-Beweis der Polizei bestätigte, dass es sich bei dem Toten auf dem OP-Tisch um Fuentes handelte. Verschwörungstheorien halten sich dennoch hartnäckig.
Zwei an der Operation beteiligte Ärzte wurden allerdings in den folgenden Monaten nach dem Tod von Fuentes ermordet aufgefunden: in Ölfässern voller Zement. Spuren an den Opfern zeugten von Folter. Mariano Herran Salvatti, der damalige Direktor der mexikanischen Drogenfahndungsbehörde, äußerte laut "New York Times" die Vermutung, dass die beiden Ärzte den Drogenboss absichtlich getötet haben könnten. Seine Annahme konnte er jedoch nie beweisen.
Der Mörder, der quer durch Japan floh
Im März 2007 traf Lindsay Ann Hawker den Japaner Tatsuya Ichihashi für eine private Englischstunde. Dort vergewaltigte und erwürgte der als Stalker bereits polizeibekannte Mann die 22-jährige Britin und versteckte sie in einer Badewanne voll Sand auf seinem Balkon. Die Polizei kam dem Täter nach der Tat zwar schnell auf die Spur. Ichihashi schaffte es aber, den Ermittlern über seinen Balkon zu entkommen.
Damit begannen zweieinhalb Jahre Flucht, die Ichihashi zum meistgesuchten Mörder Japans machten. Anfangs tarnte sich der Mann mit einer Atemmaske und Mütze, doch das reichte nicht aus. Er veränderte laut "Welt" sein Gesicht zunächst selbst und schnitt sich Muttermale heraus und ein Stück der Unterlippe ab.
100.000 britische Pfund waren auf nützliche Hinweise zum Aufenthaltsort von Ichihashi ausgesetzt. Die Eltern der getöteten Frau äußerten immer wieder ihren Frust über die erfolglose Fahndung der Polizei.
Der Mörder von Hawker schaffte es, quer durch Japan zu reisen. Mit diversen Gelegenheitsjobs verdiente er genug Geld, um eine OP zu finanzieren: Er wollte sein Gesicht so verändern lassen, dass er der Polizei für immer entgehen könnte. Doch die Ermittler kamen seinem Plan auf die Spur – und veröffentlichten ein Fahndungsfoto mit seinem neuen Gesicht.

Ein Zeugenhinweis führte die Polizei schließlich nach Osaka, wo sie den damals 30-Jährigen festnehmen konnte. Mit Fingerabdrücken bestätigten Ermittler seine Identität. Im Jahr 2011 wurde Ichihashi zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilt. Nach seiner Festnahme schrieb der Japaner ein Buch über seine Flucht quer durch das Land, das später auch verfilmt wurde. Die Tötung der jungen Frau gestand er zwar, beharrte aber darauf, dass es sich um ein "Versehen" gehandelt habe. Sein Antrag auf Berufung wurde abgelehnt.
Verschwörungstheorien rund um verschwundene Kriminelle
Wir sehen also, es gab schon einige Versuche, sich durch eine Operation den Behörden zu entziehen. Zu zahlreichen anderen untergetauchten Kriminellen kursieren Spekulationen, echte Beweise fehlen aber meist.
So verschwand etwa die "Kryptoqueen" Ruja Ignatova 2017 nach einem milliardenschweren Betrug – spurlos. Sie steht heute auf der FBI-Liste der meistgesuchten Personen der Welt.
In einer WDR-Dokumentation von 2022 vertritt der Journalist Martin Himmelheber die Theorie, dass Ignatova sich optisch stark verändert habe, um dann unterzutauchen. Schönheitsoperationen habe Ignatova schließlich bereits vor ihrem Verschwinden durchführen lassen. Was tatsächlich mit ihr passiert ist und ob sie noch am Leben ist, bleibt ungewiss.
Auch der von der Polizei als "Verwandlungskünstler" bezeichnete Vladimir Svintkovski wird bereits seit 1999 wegen Mordes gesucht. Er könnte nach Einschätzung der Polizei mittlerweile nicht mehr wiederzuerkennen sein.
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"Er ist ein Verwandlungskünstler, trägt regelmäßig verschiedene Perücken und verändert sein Barthaar", erklärte Polizeisprecher Martin Halweg laut "Berliner Zeitung", als 2019 eine öffentliche Fahndung nach Svintkovski herausgegeben wurde. Es sei möglich, dass er sein Gesicht inzwischen mit Operationen verändert habe und deutlich jünger aussehe, als man annehmen könnte. Gefunden wurde er bis heute nicht.
Verwendete Quellen
- AFP
- theguardian.newspapers.com: End of the Line
- nytimes.com: Drug Barons and Plastic Surgeons: Who's Dead, Who's Hiding?
- welt.de: Der Mörder mit den zwei Gesichtern
- WDR-Dokumentation: Die Kryptoqueen
- berliner-zeitung.de: Mörder gesucht: Fahndung nach Vladimir S.