Annalena Baerbock tritt heute ihr Amt als Präsidentin der UN-Generalversammlung an. Auf Instagram zelebriert die frühere deutsche Außenministerin ihren neuen Posten. Doch auf sie kommen schwierige Wochen zu.

Annalena Baerbock kauft einen Bagel, fährt im gelben Taxi durch New York und steigt mit Absatzschuhen aus dem Wagen: Mit Gute-Laune-Videos und Anspielungen auf die Kultserie "Sex and the City" wirbt die Grünen-Politikerin auf Instagram um Aufmerksamkeit für die 80. UN-Generalversammlung, die am Dienstag beginnt und die Baerbock als neue Präsidentin leitet.

Baerbocks bunte Bilderwelt steht im Kontrast zur weit verbreiteten Krisenstimmung. Die geplante Anerkennung eines Palästinenserstaats durch Frankreich und andere Länder sorgt für Streit unter einigen der 193 UN-Mitgliedstaaten. Außerdem stellt US-Präsident Donald Trump die internationale Zusammenarbeit auf beispiellose Art in Frage. Staaten wie die USA, Russland und China sorgen dafür, dass die Herrschaft des internationalen Rechts immer mehr der Herrschaft des Stärkeren weicht.

"Internationale Kooperation und Diplomatie wird mehr denn je gebraucht", stellt Baerbock in ihrem Bagel-Video auf Englisch fest - natürlich selbstironisch mit deutschem Akzent, denn das seien die Online-Nutzer aus ihrer Zeit als Außenministerin so gewohnt, sagt sie.

Der neue deutsche UN-Botschafter Ricklef Beutin formuliert es in einem eigenen Video so: "Wir brauchen Zusammenarbeit statt Spaltung", sagt Beutin, der eigentlich "Ständiger Vertreter Deutschlands" heißt. "Deutschland möchte dazu beitragen, die Vereinten Nationen wendiger, effektiver und fitter zu machen."

Die Präsidentschaft der UN-Generalversammlung ist ein Posten ohne viel Macht. Trotzdem hatte Baerbocks Griff danach im vergangenen Frühjahr Kontroversen ausgelöst. Denn eigentlich war das Amt schon der deutschen Karrierediplomatin Helga Schmid versprochen gewesen. Doch nachdem Baerbock ihren Posten als Bundesaußenministerin los war, griff sie selbst danach.

Kommt bald die erste UN-Generalsekretärin?

Den bisher rein protokollarischen Präsidenten-Posten will Baerbock nutzen, um die Reform der Vereinten Nationen voranzutreiben und bei der Suche nach der womöglich ersten Frau zu helfen, die in der 80-jährigen Geschichte der Institution den wirklich wichtigen Posten übernehmen könnte: den der UN-Generalsekretärin.

Die Frage, ob sie sich selbst als Nachfolgerin des scheidenden Generalsekretärs António Guterres sieht, ließ Baerbock bei ihrer Wahl im Juni unbeantwortet. Die 44-Jährige würde damit gleich mehrfach Geschichte schreiben: Sie wäre nicht nur die erste Frau als UN-Generalsekretärin, sondern auch die erste Deutsche. Vermutlich wäre sie auch die jüngste bei Amtsantritt.

Allerdings ist mehr als unwahrscheinlich, dass Baerbock dieser Karriereschritt auch noch gelingen würde. Denn erstens rotiert das Amt zwischen den Kontinenten, und schon der scheidende Generalsekretär Guterres ist Europäer. Zweitens dürfte Russland Widerstand ankündigen. Das Land hatte bereits versucht, Baerbock den weniger mächtigen Posten an der Spitze der Generalversammlung zu verwehren. Wenn auch ohne Erfolg.

Mehr Aufschluss dürfte die Rede liefern, die Baerbock am späten Dienstagabend deutscher Zeit zur Eröffnung der 80. Generalversammlung hält. In den kommenden zwei Wochen schließen sich Beratungen auf Botschafter- und Ministerebene an.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Kontroverse Themen auf der Agenda der Generalversammlung

Ein erster Höhepunkt wird am 22. September erwartet: Dann wollen Frankreich und womöglich weitere Länder wie Großbritannien, Kanada und Belgien einen Palästinenser-Staat anerkennen. Macron begründet seinen Vorstoß offiziell mit dem Engagement "für einen gerechten und dauerhaften Frieden im Nahen Osten".

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu wirft ihm hingegen eine "Belohnung für Terror" der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen vor, er ließ Macron kurz vor der UN-Tagung zur unerwünschten Person in Israel erklären. Diese Vorwürfe dürfte Netanjahu bei seinem New Yorker Auftritt wiederholen. Er ist im Rahmen der sogenannten "hochrangigen Debatte" der Staats- und Regierungschefs in der Woche ab dem 23. September geplant.

Deutschland ist durch den Konflikt in eine Zwickmühle geraten. Der offizielle Wortlaut der Bundesregierung lautet deshalb, "kurzfristig" plane sie keine Anerkennung eines palästinensischen Staats. Ob Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) diese Haltung persönlich bei der UNO verteidigt, ist offen. Wegen der Haushaltswoche im Bundestag Ende September gilt es als wahrscheinlich, dass Merz sich durch Außenminister Johann Wadephul (CDU) vertreten lässt.

Macron weiß eine komfortable Mehrheit bei den Vereinten Nationen hinter sich. Mehr als 140 Staaten weltweit haben einen Palästinenserstaat bereits anerkannt oder planen dies. Trump hat die französische Initiative dennoch als "unbedeutend" abgetan.

Empfehlungen der Redaktion

Der US-Präsident dürfte den Vereinten Nationen in seiner für den 23. September geplanten Rede die Leviten lesen. Trump hält nichts vom Multilateralismus, wie seine "Amerika-zuerst"-Politik zeigt. Trump hat den Kurs der UNO wiederholt kritisiert und Finanzmittel in bedeutendem Umfang gekürzt. Seine Regierung hat zudem Sanktionen gegen hochrangige UN-Vertreter verhängt, denen er eine feindselige Haltung gegenüber den USA und Israel vorwirft. (afp/bearbeitet von fab)  © AFP

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