Für SPD-Veteran Franz Müntefering war Olaf Scholz als Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl 2025 nicht die beste Wahl, wie er bei Sandra Maischberger deutlich anklingen ließ. Auch zu CDU-Chef Friedrich Merz äußerte sich der 85-Jährige deutlich. Eine "Zeit"-Journalistin fand den möglichen nächsten Karriereschritt von SPD-Chefin Saskia Esken "irre".

Mehr Politik-News

Die Parteimitglieder der SPD haben den Koalitionsvertrag mit deutlicher Mehrheit abgesegnet, damit ist der Weg zur Wahl von CDU-Chef Friedrich Merz zum Bundeskanzler frei. Bei Sandra Maischberger diskutieren die Gäste nicht nur über Schwarz-Rot, sondern auch über die ersten 100 Tage von Donald Trump als US-Präsident, die "größten 100 ersten Tage in der Geschichte der USA", wie der 78-Jährige gewohnt bescheiden formulierte.

Die Gäste

  • Rüdiger von Fritsch: Der ehemalige deutsche Botschafter in Moskau nennt das Bild von Trump und dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Petersdom in Rom ikonografisch. Aber er sieht Selenskyjs Aussage, dass das Bild das Potenzial habe, historisch zu werden, skeptisch – aufgrund von Trumps Sprunghaftigkeit. "Wir wissen nicht, was dabei rauskommt."
  • Gudrun Engel: Die Leiterin des ARD-Studios in Washington denkt, dass Trump nach seinem gescheiterten, vollmundigen Versprechen, den Krieg nach 24 Stunden zu beenden, nun eine Exit-Strategie im Ukraine-Krieg sucht, um sein Gesicht zu wahren. Engel hält es für möglich, dass ein schneller Deal auf Kosten der Ukraine geht.
  • Denis Scheck: Der Literaturkritiker beobachtet bei der SPD einen "besonderen Taschenspielertrick", um "Goldmarie und Pechmarie auf diese Weise zu verteilen". Während die eine Co-Vorsitzende, Saskia Esken, als Pechmarie für das schlechte Wahlergebnis verantwortlich gemacht wird, macht der andere Co-Vorsitzende, Lars Klingbeil, als Vizekanzler Karriere. Auch zu Donald Trump hat Wortakrobat Scheck eine klare Meinung: "Wir haben jetzt einen Gauner, einen Schwindler im Weißen Haus, der mit einer kriminellen Energie, wie wir sie noch nie gesehen haben, versucht, dieses Land zu putschen. Das ist wirklich, wirklich besorgniserregend."
  • Susanne Gaschke: Die Autorin der "Neuen Zürcher Zeitung" findet es mit Blick auf die SPD-Chefin Saskia Esken "irre", dass ein eklatantes Versagen an der Parteispitze womöglich mit einem Ministerposten belohnt wird.
  • Yasmine M'Barek: Die Redakteurin von "Zeit Online" fragt sich mit Blick auf SPD-Chef Lars Klingbeil: "Warum ist ein Mann so selbstbewusst, sieht sich als Vizekanzler, der mit einer Partei nur 16 Prozent geholt hat?" Sie vermutet, dass Esken mit einem Ministerposten versorgt wird, damit es nicht so aussähe, als boxe die SPD eine Frau aus der ersten Reihe weg.

Der Special Guest

  • Franz Müntefering: Der frühere SPD-Chef Franz Müntefering (85), der passend zur schwarz-roten Koalition eine schwarz-rote Krawatte trug, springt Klingbeil zur Seite. Der Elder Statesman ist ihm dankbar, dass er nach der Bundestagswahl Verantwortung übernommen hat. Das sei von manchen "verhunzt und karikiert worden". Für Müntefering zu Unrecht: "Ich glaube, dass er das in der weiteren Zukunft gut machen kann."

Das Wortgefecht des Abends

Weniger anerkennend äußert sich Franz Müntefering zu Noch-Kanzler Olaf Scholz. Ob es ein Fehler gewesen sei, mit Scholz in die Wahl zu gehen, will Maischberger wissen. "Die Partei hat so entschieden", sagt Müntefering schmallippig. Maischberger ist mit der kurzen Aussage nicht zufrieden: "Tolle Antwort!" Daraufhin bricht Gelächter im Publikum aus, Müntefering schmunzelt. Ganz direkt kritisieren will er seinen Parteigenossen nicht, doch es wird deutlich, dass er Scholz für das historisch miese Wahlergebnis der SPD verantwortlich macht. Mit Verteidigungsminister Boris Pistorius – das spricht Müntefering aber nicht aus – hätten die Sozialdemokraten womöglich besser abgeschnitten.

Die Offenbarung des Abends

Müntefering war nie ein großer Fan von CDU-Chef Friedrich Merz. In einem Social-Media-Clip hat er unlängst noch darauf hingewiesen, dass weder Helmut Kohl noch Angela Merkel ihn in ihr Kabinett holen wollten. Merz habe Fehler gemacht, vor allem seiner eigenen Partei gegenüber. Inzwischen sieht er Merz etwas milder: "Er ist lernfähig." Merz sei zwar ein "Mensch, der leicht aus sich herausgeht, wo andere noch mal nachgedacht hätten", aber er habe auch kluge Leute um sich versammelt.

Lesen Sie auch:

Der Erkenntnisgewinn

Ein Talk-Abend ohne große Ausschläge auf der Emotionsebene, aber mit gewohnt ehrlich-knorrigen Wortbeiträgen von Ex-SPD-Chef Franz Müntefering. Diese reflektierte Ehrlichkeit wünscht man sich von mehr aktiven Politikern in Deutschland. Aber wahrscheinlich müssen sie das Geschäft und die Angst vor Wahlniederlagen erst hinter sich gelassen haben, um so offen zu sprechen wie Politik-Dino Müntefering.