Erstmals seit 15 Jahren hat Österreich wieder nach Syrien abgeschoben. Innenminister Gerhard Karner begrüßt den Schritt und fordert eine konsequente Abschiebepolitik.

Die Innenminister aus Österreich, Deutschland, Dänemark, Frankreich, Tschechien und Polen drängen auf einen härteren Kurs in der Migrations- und Asylpolitik. Das geht aus einer gemeinsamen Erklärung hervor, auf die sie sich am Freitag bei einem Treffen auf der Zugspitze in Bayern geeinigt haben. Im Vordergrund stehen dabei Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan, ein besserer Schutz der EU-Außengrenzen und mehr Aufnahmen von abgelehnten Asylwerbern durch Nicht-EU-Staaten.

Auch EU-Innenkommissar Magnus Brunner nahm an den Beratungen teil. Die EU plant eine Verdreifachung der Mittel für die Bekämpfung der illegalen Migration. Brunner sagte: "Der neue EU-Haushalt setzt ein klares Signal: Mit der Verdreifachung unserer Mittel bringen wir unser Haus in Ordnung - mit effektivem Migrationsmanagement, besser geschützten EU-Außengrenzen und einer modernen Sicherheitsstrategie. Der Haushalt stärkt nicht nur unsere Kapazitäten, sondern macht die EU widerstandsfähiger und handlungsfähiger - nach innen wie nach außen."

Abschiebungen auch nach Syrien und Afghanistan möglich

"Wirksame Rückführungen sind eine unerlässliche Voraussetzung für das Vertrauen in eine ausgewogene europäische Migrationspolitik", heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Dazu gehörten auch Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan. Diese müssten "möglich sein", halten die Minister in ihrer Erklärung fest. Bisher ist die Ausreise von abgelehnten Asylbewerbern in diese beiden Länder mit hohen Hürden verbunden.

In der Früh startete erstmals seit knapp einem Jahr ein Abschiebeflug mit 81 afghanischen Straftätern aus Deutschland nach Afghanistan. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) begrüßte den Schritt. "Europa wird endlich härter und konsequenter. Wir müssen weiter Straftäter und Gefährder konsequent außer Landes bringen", forderte Karner in einem der APA übermittelten Statement. Es brauche "starke europäische Achsen, um illegale Migration zu verhindern und um Straftäter konsequent in ihre Herkunftsländer abzuschieben". Mit Dobrindt, Gastgeber des Treffens auf der Zugspitze, habe Österreich einen "starken Partner, um unsere harte, aber gerechte Asylpolitik auf europäischer Ebene weiter voranzutreiben".

Gemeinsame Initiative zu Abschiebungen angekündigt

Die zu der Konferenz eingeladenen Innenminister seien sich darin einig gewesen, für "mehr Tempo" zu sorgen und keine langwierigen Prüfverfahren mehr zuzulassen, sagte Dobrindt am Freitag nach der Besprechung auf der Zugspitze. Mit einem "Migrationssystem auf europäischer Ebene" sollen zudem Schleuser- und Schlepperbanden stärker bekämpft werden. "Die EU ist eine weltoffene Region und wir bleiben eine weltoffene Region", betonte Dobrindt. "Aber wir wollen nicht, dass kriminelle Schlepperbanden darüber entscheiden, wer in unsere Region kommt." Dieses Signal solle von der Zugspitze aus "weit über Deutschland hinaus" gesendet werden.

Ein Thema dürften auch die von Deutschland kürzlich noch einmal verschärften Kontrollen an den deutschen EU-Binnengrenzen sowie Zurückweisungen Asylsuchender dort sein. Österreich hatte den Schritt begrüßt, Polen hatte als Reaktion kürzlich seinerseits Kontrollen des Grenzverkehrs angeordnet, sich aber zugleich für einen gegenseitigen Verzicht auf solche Kontrollen ausgesprochen.

Auf den höchsten Berg Deutschlands werden neben Dobrindt, Karner und Brunner auch die Innenminister aus Frankreich (Bruno Retailleau), Polen (Tomasz Siemoniak), Tschechien (Vít Rakušan) sowie der dänische Migrationsminister und aktuelle EU-Ratsvorsitzende (Kaare Dybvad Bek) reisen.

Brunner spricht sich für härtere Gangart aus

Migrationskommissar Brunner begrüßt die härtere Gangart der deutschen Regierung. "Das finde ich durchaus positiv", sagte er und sprach von einer "Wende in der Migrationspolitik" auch in Europa. Die Vorschläge der EU-Kommission drehten sich um besseren Außengrenzschutz und darum, "wie man Rückführungen effizienter machen kann und auch wie man mit Drittstaaten zusammenarbeiten sollte", sagte er dem Bayerischen Rundfunk. Ziel sei es, mit den Staaten Rückführungsabkommen zu schließen. Europa habe viel anzubieten: "Handel, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Investitionen, aber auch die Visapolitik", sagte Brunner. Sollten diese Staaten nicht kooperieren wollen, könne die EU umgekehrt auch "etwas strenger" sein, drohte er und sprach von einer "Art Migrationsdiplomatie".

Auch Karner betonte im Vorfeld des Treffens die Wichtigkeit eines "robusten Schutzes der EU-Außengrenzen" sowie "konsequente Abschiebungen". Eine starke Achse für einen strengen Pakt sowie eine gemeinsame europäische Linie sei notwendig, um "illegale Migration gegen Null zu drängen". Österreich hat zuletzt nach rund 15 Jahren als erstes EU-Land offiziell wieder nach Syrien abgeschoben.

81 Afghanen aus Deutschland nach Afghanistan abgeschoben

In Deutschland startete Freitag früh indes der erste Abschiebeflug nach Afghanistan unter der neuen schwarz-roten Regierung. Es ist erst das zweite Mal seit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021, dass Berlin afghanische Staatsangehörige in ihr Herkunftsland rückführt. An Bord des Flugzeugs befanden sich laut dem deutschen Innenministerium 81 Menschen. Es handle sich dabei um vollziehbar ausreisepflichtige afghanische Männer, alle "schwere und schwerste Straftäter", sagte Dobrindt im ARD-"Morgenmagazin". Für solche Abschiebungen gebe es "ein ganz berechtigtes Interesse der Bürgerinnen und Bürger".

Seit dem letzten deutschen Abschiebeflug mit afghanischen Straftätern sind fast elf Monate vergangen. Nach Gewalttaten in Mannheim und Solingen hatte die Ampel-Regierung unter Kanzler Olaf Scholz im vergangenen Sommer angekündigt, Abschiebungen auch nach Afghanistan wieder möglich zu machen.

Doch die Durchführung gestaltet sich bis heute schwierig: Deutschland unterhält zu den islamistischen Taliban in Kabul keine diplomatischen Beziehungen. Sie sind insbesondere wegen ihrer Missachtung von Menschen- und vor allem Frauenrechten international isoliert. Mit direkten Verhandlungen auf diplomatischer Ebene würden die Machthaber in Kabul auf internationalem Parkett quasi legitimiert. Deshalb laufen Verhandlungen über die Rücknahme von hier straffällig gewordenen Afghanen über den Umweg Katar. Das Golfemirat vermittelt. Der aktuelle Abschiebeflug nach Kabul erfolgte mit einer Maschine von Qatar Airways.

UNHCR und NGOs äußern Kritik

Der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, kritisierte jegliche Abschiebungen von Afghanen in ihr Heimatland scharf. "Türk fordert einen sofortigen Stopp der gewaltsamen Rückführung aller afghanischen Flüchtlinge und Asylsuchenden, insbesondere derjenigen, denen bei ihrer Rückkehr Verfolgung, willkürliche Inhaftierung oder Folter drohen", teilte sein Büro in Genf mit.

Die Bedingungen vor Ort seien noch nicht für Rückführungen geeignet, sagte Arafat Jamal, der Vertreter des Flüchtlingshochkommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR). Die Sprecherin des UNO-Menschenrechtsbüros, Ravina Shamdasani, wies auf laufende Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan hin, wie etwa Hinrichtungen oder die Unterdrückung von Frauen.

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Kritik kam auch von Ärzte ohne Grenzen (MSF). Europa dürfe sich nicht "von den Prinzipien der Menschlichkeit entfernen und seine Verantwortung an Dritte auslagern". "Es scheint, als wollten die Teilnehmenden des Treffens einen weiteren Gipfel der Unmenschlichkeit erklimmen und Österreich beteiligt sich aktiv an der Seilschaft", so Marcus Bachmann, Humanitärer Berater von Ärzte ohne Grenzen Österreich. Er befürchtete "mehr Grausamkeit gegen Menschen" und kritisierte, dass zentrale Schutzstandards "systematisch untergraben" würden.

Die Flüchtlingsbeauftragte der deutschen Regierung, Natalie Pawlik (SPD), äußerte sich ebenso kritisch zur Migrationspolitik Dobrindts. "Wir wollen Steuerung, Ordnung, aber keinen Migrationsverhinderungsturbo", sagte Pawlik laut Nachrichtenagentur AFP. Wichtig sei vielmehr, die deutsche Migrationspolitik "zu modernisieren und Integration zu stärken". Eine restriktive Asylpolitik und Abschreckung bringe Europa nicht weiter. (APA/bearbeitet von amb)