Lange hatte sich der US-Präsident dagegen gewehrt, die Ukraine mit weiteren Waffenlieferungen zu unterstützen. Nun tut er es doch – wenn auch über den Umweg über Europa. Macht er diesmal wirklich Ernst? Was das für die Ukrainepolitik von Donald Trump bedeuten würde, erklärt der US-Experte Josef Braml im Interview.

Ein Interview

Lange hatte er sich geweigert, jetzt ist ein Kursschwenk zumindest erkennbar. US-Präsident Donald Trump will nun doch Waffen in die Ukraine liefern. Zunächst aber auf einem Umweg über Europa. Bereits seit April hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius dafür plädiert, Patriot-Luftabwehrraketen in die Ukraine liefern zu dürfen, die aus US-amerikanischer Produktion stammen. Nun wurde dem zugestimmt. Auch Norwegen darf eine Batterie von den US-Amerikanern abkaufen und in die Ukraine abgeben.

Ob das der lang ersehnte Kurswechsel von Donald Trump in Sachen Ukrainepolitik ist, erläutert der USA-Experten Josef Braml im Gespräch mit unserer Redaktion.

Strategiewechsel und Ultimatum

US-Präsident Donald Trump will der Ukraine Waffen liefern, wenn auch zunächst über den Umweg über Europa. Ist das ein Richtungswechsel von Donald Trumps Außenpolitik gegenüber der Ukraine und Russland?

Josef Braml: Das ist ein Strategiewechsel nach gescheiterten Annäherungen an Russland. Die Kosten tragen vor allem europäische NATO-Staaten. Außerdem setzt er Russland mit Sanktionen, Strafzöllen und einem Ultimatum unter Druck: Innerhalb von 50 Tagen soll Russland den Krieg in der Ukraine beenden, andernfalls drohen härtere Sanktionen, darunter 100-prozentige Zölle und Sekundär-Sanktionen gegen russische Verbündete wie China, die dank westlicher Sanktionen, russisches Öl und Gas zu günstigeren Preisen beziehen konnten.

Lesen Sie auch

Inwiefern war das erwartbar und hat sich abgezeichnet?

Russland ist wirtschaftlich zunehmend von China abhängig, insbesondere angesichts westlicher Sanktionen. Auch wegen der Aussicht auf einen möglicherweise weniger russlandfreundlichen Nachfolger Trumps im Weißen Haus hatte Putin kein wirkliches Interesse, seine enge Beziehung mit Chinas Xi Jinping preiszugeben, um auf Trumps Charme-Offensiven einzugehen. Mittlerweile hat der amerikanische Präsident Putins Hinhaltetaktik durchschaut: Donald Trump hat sich zuletzt ungewöhnlich scharf über Wladimir Putin geäußert – ein bemerkenswerter Bruch mit seiner bisherigen Rhetorik.

Trump erkannte, dass sein Russland-Plan gescheitert war, spätestens am Verhalten Chinas. Chinas Außenminister Wang Yi äußerte am 8. Juli, dass China kein Interesse an einem schnellen Ende des Krieges in der Ukraine habe, da ein geschwächtes Russland den USA erlauben würde, sich voll auf die Rivalität mit China zu konzentrieren. Diese Haltung markiert einen Bruch mit der bisherigen chinesischen Neutralitätsrhetorik und zeigt Pekings strategisches Interesse, Russland im Konflikt zu stärken, um Zeit für die Vorbereitung auf eine mögliche Auseinandersetzung mit den USA, insbesondere im Hinblick auf Taiwan, zu gewinnen.

Lässt sich hinter Trumps Maßnahmen hinsichtlich dessen ein Plan erkennen oder ist es gewohnt situativ?

US-Präsident Donald Trump verfolgte zunächst die Strategie, Russland aus dem sino-russischen Bündnis (chinesisch-russischen Bündnis, Anm. d. Red.) zu lösen, um China als größere Bedrohung besser begegnen zu können, ähnlich wie Nixon in den 1970er-Jahren die Beziehungen zu China nutzte, um die Sowjetunion zu bezwingen. Trotz Trumps Annäherungsversuchen blieb die Partnerschaft zwischen Russland und China aufgrund ihres gemeinsamen Misstrauens gegenüber dem Westen stark. Schließlich streben beide Länder zusammen eine multipolare Weltordnung an und wollen die westlich dominierten multilateralen Organisationen durch eigene Strukturen wie die BRICS oder alternative Finanzinstitutionen herausfordern.

Milliarden für Bildung blockiert: 24 Bundesstaaten verklagen Trump-Regierung

24 Bundesstaaten verklagen Trump-Regierung

Am Montag haben 24 US-Bundesstaaten Klage gegen die Regierung von Donald Trump eingereicht. Grund dafür sind die eingefrorenen Fördermittel für Bildungsprogramme wie die Nachmittagsbetreuung oder Sommerferiencamps. Die US-Regierung gab an, die geförderten Programme auf ihre Übereinstimmung mit den politischen Zielen Trumps überprüfen zu wollen. (Teaserbild: imago/SNA // KameraOne)

Europas Rolle in neuer Weltordnung

Bedeutet das nun, dass sich Donald Trump weiter von Putin abwendet und noch weitere Schritte in Richtung Unterstützung der Ukraine gehen wird?

Bleibt die Verbindung zwischen Russland und China bestehen, müssen die USA auch wieder stärker in Europa aktiv werden, um Russlands Rolle als Chinas Partner zu schwächen – so das Fazit amerikanischer Strategen, die ursprünglich den Fokus auf Asien und China legen wollten. Der Preis für die USA ist ohnehin nicht hoch. Die Vereinigten Staaten haben keine eigenen Soldaten im Einsatz und es entstehen keine direkten Kosten für die Staatskasse. Zudem profitiert die US-Rüstungsindustrie durch Aufträge, die von europäischen Staaten finanziert werden.

Das heißt, Europa kann nun auch hoffen, dass Donald Trump kooperativer in Sachen Nato und transatlantische Beziehung wird?

Die Nato betonte auf dem Gipfel 2025 die Unterstützung der Ukraine, jedoch ohne klaren Beitrittspfad, wobei Militärhilfe für die Ukraine künftig offiziell zum Ausgabenziel gehört und Russland als Bedrohung gilt. Trotz des US-Kurswechsels bleiben transatlantische Beziehungen fragil, weshalb Europa verstärkt eigene Sicherheits- und Ordnungspolitik verfolgen soll.

Was könnte die Konsequenz davon sein?

Empfehlungen der Redaktion

Seit Washingtons Hinwendung nach Asien, um dem Wiederaufstieg China zu begegnen, können Deutschland und Europa sich nicht mehr auf den Schutz und den Beistand der USA verlassen und sollten selbst für Sicherheit und Ordnung in Europa sorgen. Deutschland und Europa brauchen sowohl eigene diplomatische Anstrengungen als auch eine glaubwürdige militärische Abschreckung gegenüber Russland, um den alten Kontinent zu einer Regional- und Weltmacht zu entwickeln. Denn in der neuen Weltordnung gilt nicht mehr die Herrschaft des Rechts, die Rule of Law, sondern das Recht des Stärkeren, in dem die Starken tun, was sie können, und die Schwachen leiden, was sie müssen.

Über den Gesprächspartner

  • Dr. Josef Braml ist Politikwissenschaftler, USA-Experte und European Director der Trilateral Commission – einer einflussreichen globalen Plattform für den Dialog eines exklusiven Kreises politischer und wirtschaftlicher Entscheider/innen Amerikas, Europas und Asiens. Zuletzt sind beim Verlag C.H.Beck sein mit Mathew Burrows verfasstes Buch "Die Traumwandler. Wie China und die USA in einen neuen Weltkrieg schlittern" und sein weiterhin aktueller Bestseller "Die transatlantische Illusion. Die neue Weltordnung und wie wir uns darin behaupten können" erschienen. In ihrem neuen Buch "World to Come – The Return of Trump and the End of the Old Order" beschreiben Braml und Burrows die Gefahren und Chancen der neu entstehenden Weltordnung.