Ex-EU-Militärchef Robert Brieger warnt vor einem langen Ukraine-Krieg und sieht schnelle Friedenslösungen als unrealistisch. Er fordert stärkere europäische Aufrüstung und eine offene Debatte über Österreichs Neutralität.

General Robert Brieger, bis Juni Vorsitzender des Militärausschusses der Europäischen Union, hat sich am Samstag im Ö1-"Journal zu Gast" skeptisch bezüglich eines baldigen Endes des Ukraine-Krieges gezeigt. Ein "rascher Durchbruch" bei Friedensverhandlungen sei wenig wahrscheinlich, sagte der Ex-Generalstabschef des Bundesheeres. Viele Fragezeichen seien offen. Er rechne daher damit, dass es Monate, wenn nicht sogar Jahre dauern werde, um zu einer Lösung zu kommen.

Zwar sei die Initiative von US-Präsident Donald Trump seit längerem der erste ernstzunehmende Versuch, den Krieg zu beenden, dennoch werde dadurch auch der russische Präsident Wladimir Putin aufgewertet. Die Frage der Sicherheitsgarantien für Kiew, etwaige Gebietsabtretungen sowie der künftige Status der Ukraine seien vollkommen offen.

Positiv sei aber, dass die Verkrampfung zwischen Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gelöst worden sei, erklärte Brieger. Zudem sei es gelungen, die Europäer in die Gespräche einzubinden, auch wenn Europa künftig einen stärkeren Beitrag leisten werde müssen.

Ohne Zustimmung Russlands wohl keine internationale Truppe

Sicherheitsgarantien würden im Wesentlichen bedeuten, die ukrainischen Streitkräfte zu stärken, betonte Brieger. Eine andere Möglichkeit wäre eine internationale Schutztruppe mit entsprechendem Mandat zu etablieren "als Rückversicherung im Falle eines erneuten russischen Angriffs". Hierfür wäre aber eine Verhandlungslösung nötig, da Moskau sicher keinem Waffenstillstand zustimme, der ausländische Truppen in der Ukraine ermöglichen würde.

"Vielleicht ist eine Truppe zum Wiederaufbau, zur Entminung für Russland eher akzeptabel", fragte sich Brieger. Gebietsabtretungen im Donbass würden für die Ukraine einen massiven geostrategischen und militärischen Verlust bedeuten, zeigte sich der Militär überzeugt. Auch sehe er nicht die Möglichkeit militärische Eroberungen der Russen rückgängig zu machen, da Russland einfach eine zahlenmäßige Überlegenheit habe.

Dennoch betonte Brieger, dass eine pauschale Erfüllung aller russischen Forderungen einer Kapitulation gleichkäme. Er glaube aber nicht, dass das im Sinne der USA und EU und schon gar nicht im Interesse Kiews wäre. Die ukrainische Gesellschaft habe sich für ein westliches Lebensmodell entschieden und sollte daher auch vom Westen unterstützt werden, so Brieger. Denn die Ukrainer sagten zu Recht, dass sie nicht nur ihr Land, sondern auch Europa verteidigen würden. Daher habe die militärische Nachrüstung Europas "oberste Priorität".

Brieger fordert Diskussion über Neutralität

Für Österreich selbst sehe er zwar keine unmittelbare konventionelle Bedrohung, doch sei die Bedrohung im hybriden Bereich extrem gestiegen. Militärische Neutralität setze jedenfalls "einen glaubhaften Schutz des eigenen Staatsgebiets, der eigenen Bevölkerung" voraus, so Brieger. Da in einem Bündnis Aufgaben, wie die Luftverteidigung gemeinsam geschultert werden können, könnte man so Kosten einsparen. Innerhalb der EU gebe es jedenfalls seit dem Vertrag von Lissabon ohnehin eine Beistandspflicht, die bei einem Angriff von außen auf einen EU-Staat auch den Beistand Österreichs erfordern würde.

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"Ich glaube, man sollte eine Diskussion über unseren völkerrechtlichen Status zulassen", fordert der General daher. Diese Diskussion müsse wertorientiert, aber nicht ideologisch geführt werden. Man müsse "einer breiten Bevölkerungsschicht klar machen, dass die Neutralität per se kein Schutz ist, dass sie selbst des militärischen Schutzes bedarf". Entsprechende Aufwendungen, wie in der Schweiz oder in Schweden vor dem NATO-Beitritt, seien daher notwendig, "um diesen Neutralitätsstatus glaubwürdig vertreten zu können". (APA/bearbeitet von nis)