Trump und Putin haben miteinander telefoniert, um über einen Frieden in der Ukraine zu sprechen. Handfeste Verhandlungserfolge gibt es nicht, aus Europa und der Ukraine gab es deshalb enttäuschte Reaktionen. Der Vorwurf an Trump: Er hat sich von Putin um den Finger wickeln lassen und nicht genug Druck ausgeübt. Ist dem so? Im Interview ordnet Experte Lucian Bumeder die Situation ein und sagt an einer Stelle: "Das wäre ein strategischer Erfolg für die USA."

Ein Interview

US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin haben miteinander telefoniert. Greifbare Verhandlungserfolge gibt es nicht, Europa und die Ukraine reagierten mit Enttäuschung auf das Telefonat. Zu Recht?

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Lucian Bumeder: Ein Waffenstillstand oder gar ein Ende des Krieges waren leider nicht zu erwarten. Die ganze letzte Verhandlungsrunde war ein Theater von allen Seiten, um Trump zu zeigen, dass man selbst für ein Ende des Krieges ist. Natürlich ist es für Europa frustrierend, dass sich die USA öffentlich nicht mehr als reiner Verbündeter, sondern als Vermittler positionieren.

Waren die jüngsten Bemühungen von Trump, Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine zu initiieren, ernsthaftes diplomatisches Engagement?

Ich denke schon, dass es aus Trumps Sicht ernsthaft war. Das Ganze ist ja auch in seinem typischen Stil abgelaufen. Er hat versucht, über die persönliche Ebene einen Durchbruch zu erzielen und rhetorisch Druck aufzubauen, insbesondere auf die Ukraine. Und er hat Tabus gebrochen, die den Verhandlungsprozess zuvor aus seiner Sicht blockiert haben. Das war etwa die Idee, beispielsweise de jure die Annektion der Krim anzuerkennen.

Warum konnte Trump Russland nicht wenigstens zu einer weiteren Waffenruhe bewegen?

Russland sieht sich militärisch aktuell im Vorteil und macht Fortschritte, wenn auch sehr langsam. Inzwischen wird ein Großteil der Opfer an der Front durch Drohnen verursacht und die sind im Sommer tendenziell weniger effektiv. Russland rekrutiert auch weiterhin sehr erfolgreich dank hoher Anwerbe-Boni. Die nächsten Monate sind daher tendenziell besser für russische Angriffe geeignet und die Ukraine kämpft weiterhin mit Problemen in der Rekrutierung und Ausbildung. Hier will Russland militärisch Druck aufrechterhalten.

Putin konnte laut Aussage von Trump zu Gesprächen im Vatikan bewegt werden. Ist das nur Symbolpolitik oder wirklich ein Erfolg?

Es handelt sich grundsätzlich um einen sehr schwierigen Verhandlungsprozess, denn die Positionen von Russland und der Ukraine schließen sich nach wie vor aus. Gleichzeitig hegen beide Seiten immer wieder die Hoffnung, dass die nächste anstehende militärische Offensive sie in eine bessere Verhandlungsposition bringt. Dass es jetzt noch zu keinem Durchbruch gekommen ist, bedeutet aber nicht zwangsläufig ein Ende des Verhandlungsprozesses. Dieser wird parallel zum Krieg weiterlaufen.

Was könnten Verhandlungen im Vatikan bewirken?

Gold und Prunk, eine große Bühne – das dürfte vor allem Trump gefallen. Verhandlungen im Vatikan bieten theoretisch eine Chance: Sie würden einen Kontrast zu den ersten Istanbul-Verhandlungen zu Beginn des Krieges herstellen, diese waren sehr stark von einem Diktatfrieden geprägt – und Russland hat durch die Besetzung seiner Delegation gezielt die Kontinuität mit Istanbul betont. In Rom hat man ein neues Setting, einen neuen Frame. Durch einen stärkeren Zugang auf die orthodoxe Kirche in den letzten Jahren könnte so ein religiöses Setting auch für etwas mehr Zurückhaltung auf russischer Seite sorgen.

Fährt Putin eine Verzögerungstaktik? Er scheint "gesprächsbereit", macht aber keine Zugeständnisse ...

Ja, irgendwo steckt das jetzt dahinter. Es gibt große Hoffnungen, dass die anstehende Sommeroffensive zu einem besseren Status für Russland führen wird. Ob dem wirklich so ist, ist sehr unklar. Bisher haben eigentlich alle Offensiven von beiden Seiten am Ende die Erwartungen, die an sie gestellt wurden, enttäuscht. Allerdings: Die Anzeichen mehren sich, dass die russische Wirtschaft langsam in Schwierigkeiten gerät und das vermutlich auch ab nächstem Jahr noch mal stärker der Fall sein wird. Und europäische Rüstung schreitet voran. In dieser Hinsicht ist die Verzögerung negativ für Russland.

Steckt auch der Wunsch dahinter, dass der Westen weiter gespalten wird?

Grundsätzlich hat der Kreml eher eine militärische Hoffnung. Die politische Hoffnung, den Westen zu spalten, hat sich bisher nicht bewahrheitet. Wir sehen massiv höhere Verteidigungsausgaben in Europa und eine sehr viel bessere Abstimmung von europäischen Staaten untereinander. Das sind milliardenschwere Folgen, und das überwiegt auch deutlich einige freundliche Telefonate zwischen Trump und Putins vage Hoffnung auf eine ökonomische Zusammenarbeit zwischen Russland und den USA.

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Seit Wochen hatte sich Trump ohnehin schon frustriert gezeigt, dass Russland keine Zugeständnisse macht. Hat Putin Trump um den Finger gewickelt?

Nein, ich halte das Bild für überzeichnet. Trumps Aussagen sind immer etwas inkohärent und widersprüchlich. Da kann man sich immer einzelne Ausschnitte raussuchen. Man muss jetzt erstmal warten, ob es zu tatsächlichen Änderungen in der amerikanischen Unterstützung kommt.

Was wäre denn notwendig, damit man Verhandlungen – im Vatikan oder anderswo – mit Substanz führt?

Die Ukraine hat ihre Position schon deutlich bewegt und überarbeitet, auf starken Druck von Trump. Wir sehen unter anderem die Bereitschaft, wieder direkte Gespräche zu führen und sich auf einen Waffenstillstand einzulassen. Das war erst eine große Sorge, aber ist inzwischen eine zentrale Forderung. Damit geht implizit die Anerkennung der aktuellen Konfliktlinie einher. Was sich wirklich ändern müsste, wäre, dass Russland sich von seinen Maximalforderungen verabschiedet und die Drohungen sowie bewussten Erniedrigungen in der Rhetorik zurückfährt.

Sind davon schon Ansätze zu sehen?

Ganz vorsichtig, indem Russland die Forderung nach einer Begrenzung des ukrainischen Militärs etwas fallen gelassen hat. Das versteckt sich jetzt hinter der Formulierung, dass die grundlegenden Bedingungen für die Krise beseitigt werden müssen. Aber die Forderung ist nicht mehr so prominent, wie sie es 2022 war.

Trump hat mehrmals geäußert, die US-Friedensbemühungen einzustellen, wenn es keine Erfolge gibt. Halten Sie es für realistisch, dass sich die USA tatsächlich ganz aus dem Friedensprozess zurückziehen?

Ja, das ist realistisch. Trump ist unberechenbar. Aber es hängt alles an der Frage, was "einstellen" wirklich bedeutet. Ist es ein aktives Vorgehen gegen die Ukraine, indem alle bereits laufenden Lieferungen und Unterstützungsprozesse blockiert werden oder bedeutet das einfach ein Ende der diplomatischen Angebote an Russland?

Rechnen Sie mit einem Stopp der militärischen Hilfe?

Nein, ich denke nicht, dass es zu einem kompletten Stopp der Unterstützung kommt. Viele Aspekte wie Ausbildung, Wartung, Weitergabe von Informationen sind für die USA nicht mit großen Kosten verbunden, aber gleichzeitig fließt ein großer Teil der Unterstützung in die US-Militärproduktion, wird also in den USA selber ausgegeben wird. Wenn Trump das Interesse verliert, dürfte der Einfluss von Ukraine-Unterstützern etwa im Senat wieder steigen. Es ist zu erwarten, dass ein größerer Teil der Hilfe von Europa in den USA bezahlt wird. Damit ist zum Beispiel die Weitergabe von in den USA erworbenen Militärgütern an die Ukraine gemeint oder die Bezahlung für Ausbildungsmissionen.

Wenn er die Friedensbemühungen einstellt, ist das dann ein Zeichen echter Resignation – hat sich Trump die Zähne dann ausgebissen?

Wenn er die diplomatischen Bemühungen einstellt, zeigt das sicherlich eine Grenze von Trumps persönlicher Macht oder auch der Macht eines US-Präsidenten generell. Aber das war das Resultat der meisten Verhandlungen aus Trumps erster Präsidentschaft. Wenn Europa allerdings dadurch sicherheitspolitisch stärker in der Lage ist, Russland allein gegenüberzutreten, dann wäre das auch ein strategischer Erfolg für die USA. Denn sie wollen sich langfristig auf China konzentrieren.

Wir sehen also einen strategischen Rückzug der USA?

Ob Trump wirklich eine Strategie hat, ist unklar. Geordnet ist es auf jeden Fall nicht. Und es ist auch fraglich, ob sich ein solcher Rückzug nicht sehr negativ auf den amerikanischen Einfluss in Europa auswirkt – und damit auch zu einer Schwächung der amerikanischen Rüstungsindustrie und industriellen Basis führt, wenn Europa unabhängiger von den USA wird.

Was würde ein solcher Rückzug für die Ukraine und die anderen Vermittlerstaaten bedeuten?

Schwierig zu sagen – das hängt am Ende von den konkreten Entscheidungen ab und den Auswirkungen auf die konventionelle Präsenz der USA in Europa, also der Stationierung von Soldaten. Das kurzfristige Risiko für einen direkten Konflikt zwischen Europa und Russland steigt an, wenn die USA sich wirklich stark aus Europa zurückziehen. Aber mittelfristig muss das nicht nur schlecht sein.

Wieso?

Europäische Staaten könnten dadurch dazu gezwungen sein, selbst Strukturen zu entwickeln – sowohl in der Abstimmung untereinander als auch in der Rüstungsindustrie. Das kann eine Grundlage sein, dass der breitere Konflikt zwischen Russland und Europa besser stabilisiert werden kann als in der stets instabilen Dreierkonstellation USA-Europa-Russland.

Warum trägt Trump die Sanktionen der Europäer nicht mit?

Die einfachen Sanktionen sind nach drei Jahren alle aufgebraucht. Der direkte Handel mit den USA ist enorm gering. Was jetzt noch bleibt sind vor allem Sanktionen gegen Russlands verbleibende Öl- und LNG-Exporte. Das hat ernste Kosten für die USA, etwa durch höhere Energiepreise für seine Wähler oder Konflikte mit Verbündeten wie Indien. Die Drohung mit Sanktionen hat heute viel weniger Gewicht als kurz vor Beginn des Krieges.

Über den Gesprächspartner

  • Lucian Bumeder arbeitet am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Er hat Politikwissenschaften und Internationale Beziehungen studiert und forscht zu konventioneller und nuklearer Rüstungskontrolle in Europa sowie zu russischer Außen- und Sicherheitspolitik.