Mit schiefem Gesang und "positiver Energie" wurde DSDS-Kandidat Daniel Küblböck 2003 zum Star. Zwischen Fan-Verehrung, Hass und seinem frühen Tod zeichnet eine Doku-Reihe sein Leben nach.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Felix Reek dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Eine Supermarktkasse. Wochen, bevor "Die Küblböck-Story - Eure Lana Kaiser" in der ARD (27. August, 23:50 Uhr, ab 26. August in der Mediathek) ausgestrahlt wird, zeigt ein Boulevardblatt den 2018 verstorbenen Sänger auf der Titelseite. Das Bild stammt noch aus der Zeit, als Küblböck mit "Deutschland sucht den Superstar" landesweit bekannt wurde: lange Haare, Brille, Make-up. Die Überschrift dazu: "Seine eigene Mutter wollte ihn erwürgen!"

Diese Schlagzeile findet sich in der dreiteiligen Produktion des Bayerischen Rundfunks und verdeutlicht eindringlich das Problem, das Daniel Küblböck zeit seines Lebens begleitete. Die Presse interessierte sich wenig für seine Kunst, aber sein Privatleben war immer eine Schlagzeile wert. Selbst wenn sie, wie in diesem Fall, aus der schon 2003 erschienenen Autobiografie "Ich liebe meine Töne" stammt, deren Hörbuch in "Die Küblböck-Story - Eure Lana Kaiser" immer wieder in Auszügen eingespielt wird.

Der Aufstieg: "Positive Energie" gegen Hass

Regisseur Tristan Ferland Milewskis Film versucht, sich behutsam dem Phänomen des Sängers zu nähern. Von klein auf träumte Küblböck davon zu singen, auf der Bühne zu stehen und berühmt zu werden das berichten sein Vater und seine Ausbilderin als Kindergärtner in der ersten Folge. Der Durchbruch gelingt Küblböck 2003 mit der ersten Staffel der RTL-Castingshow "Deutschland sucht den Superstar".

Die Rückblicke zeigen, was für ein enormer Hype damals um die Teilnehmer entstand: kreischende Fanscharen, aber auch eine unaufhörliche Welle des Hasses gegenüber dem "schrägen Vogel" Daniel Küblböck. Der vermeintliche Anti-Sänger, der so gar nicht zu dem leicht konsumierbaren Durchschnittsprodukt passen will, das Dieter Bohlen, RTL und die Plattenfirma verkaufen wollten.

Jede Woche bekommt Küblböck in der Sendung zu hören, dass er nicht singen kann und wird vom Publikum ausgebuht. Mit seiner "positiven Energie" hält er dagegen und hätte trotzdem fast gewonnen wobei die Filmemacher nahelegen, dass am Ende massiv gegen ihn Stimmung gemacht wurde, um den Sieg zu verhindern.

Misshandlung in der Kindheit

Parallel zu seinem öffentlichen Aufstieg beleuchtet die Doku-Serie schonungslos die Misshandlungen durch die Mutter und das Ignorieren durch den Vater, bei dem es oft so scheint, als habe er sich erst für den Sohn interessiert, nachdem der berühmt geworden ist. Küblböck passt nicht in die kleinbürgerliche bayerische Welt um ihn herum, in der er offen nach außen hin trägt, dass er sich nicht festlegen will: Mann, Frau, schwul oder bi für den Sänger sind das keine Grenzen, sondern fließende Übergänge.

Zu Beginn der Nullerjahre ist das eine Ausnahmeerscheinung. Die Darstellung von queeren Leben zeichnet sich damals nur durch das Reproduzieren von Klischees aus. Küblböck ist einer, der so für viele zum Vorbild wird. Er lebt vor, dass es okay ist, die Grenzen zu überwinden. Entsprechend kommen in der Serie auch viele Menschen zu Wort, für die nicht der Künstler entscheidend war, sondern der Mensch, der er nach außen war.

Was die neue Produktion von bisherigen Darstellungen unterscheidet: Milewski ist tief eingetaucht in die Geschichte Küblböcks, spricht mit Ex-Freunden, DSDS-Kandidatin Gracia Baur, Drag-Ikone Olivia Jones, allen, die dem Sänger irgendwie nah waren. Trotzdem gelingt es nicht wirklich, an Küblböck heranzukommen. Das mag daran liegen, dass es aus dieser Zeit zwar unendlich viele Auftritte in Fernsehshows gibt, doch der Sänger immer in seiner Rolle als Promi-Persönlichkeit bleibt. Als der große Hype vorbei ist, wird auch das Material dünner.

Der Wandel: Von Daniel zu Lana Kaiser

In den Jahren nach DSDS macht Küblböck eine Gesangs- und Schauspielausbildung. Er singt Swing, verändert sein Äußeres, will sich offenbar von dem "schrägen Daniel" abgrenzen. Der entscheidende Schritt folgt später: Als er sich entschließt, als Frau zu leben und eine Hormonbehandlung beginnt, scheint der Star ganz allein zu sein. Aus Daniel Küblböck wird Lana Kaiser, die viele Rätsel hinterlässt.

Der Vater, Olivia Jones, Ex-Freunde sie alle fragen sich bis heute, was in ihren letzten Minuten passiert ist. Auch eine Mitreisende auf dem Kreuzfahrtschiff, auf dem Lana Kaiser ihre letzte Reise antrat, kann nur spekulieren. Irgendwann sei die Durchsage gekommen, dass Lana Kaiser verschwunden sei. Zuvor hätten die Passagiere schon getuschelt, ob das Daniel Küblböck an Bord sei. Lana Kaiser hatte auf einem nicht verifizierten Instagram-Account Selfies von sich in Frauenkleidern auf der Fahrt von Hamburg nach New York veröffentlicht.

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Vermutlich ging Kaiser am 9. September 2018 vor der Küste Neufundlands über Bord. Für tot erklärt wurde sie erst zwei Jahre später. In Vergessenheit geraten wird Lana Kaiser wohl nicht. Wenn schon nicht als Sängerin, so doch als queeres Vorbild als ein Mensch, der schon vor zwei Jahrzehnten zeigte, dass Geschlechteridentität fließend sein kann und dass es Mut braucht, authentisch zu leben.