In ihrer neuen Doku-Reihe erklärt das ehemalige Spice Girl Victoria Beckham, warum sie vor Kameras immer so grimmig schaut. Und verzieht dann doch wieder keine Miene.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Felix Reek dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Der dramatische Höhepunkt dieser Selbstinszenierung in drei Akten findet sich ganz am Ende der Miniserie "Victoria Beckham" (Netflix, ab 9. Oktober). Das ehemalige Spice Girl sitzt ihrem Mann David auf dem gemeinsamen Landsitz gegenüber. Wenige Sekunden zuvor sind sie über die Wiesen geschlendert, haben Babyenten beobachtet, das von ihm selbst angelegte Gemüsebeet inspiziert.

Wie zufällig fliegt ein Ball über die Hecke, den der ehemalige Profifußballer gekonnt zurückdrischt. "Was hält dich zurück, einfach mal zu sagen: 'Ok, ich habe es geschafft?'", fragt David Beckham. "Wem willst du etwas beweisen?" "Dir", sagt Victoria Beckham und beginnt zu weinen. Allgemeine Ergriffenheit. David Beckham scherzt, die Situation entspannt sich, gemeinsam sinniert man darüber, was die Zukunft bringt. Klappe, fertig.

"Victoria Beckham" reiht sich damit nahtlos in die Welle von Pseudo-Dokumentationen von Prominenten ein, die diese selbst in Auftrag geben und letztlich nicht mehr sind als eine weitere Stufe der Selbstdarstellung. Hier geht es nicht um Authentizität oder private Einblicke, sondern darum, das über Jahre geschaffene Bild auszubauen. Beziehungsweise im Fall von Victoria Beckham so zu korrigieren, wie sie selbst gern gesehen werden möchte.

Vom Spice Girl zur meistfotografierten Frau der Welt

Zur Erinnerung: Die heute 51-jährige Britin startete in den 90er-Jahren als Popstar mit den Spice Girls. Ihre erste Single "Wannabe" erreicht in 35 Ländern Platz eins der Charts, innerhalb kürzester Zeit touren die fünf jungen Frauen weltweit, treffen Prince Charles. Bis heute sind sie einer der erfolgreichsten weiblichen Musikacts aller Zeiten. 1998 steigt Geri Halliwell aus, ab diesem Zeitpunkt zerfällt die Band langsam.

Victoria Beckham, damals noch Victoria Adams oder "Posh Spice", startet eine Solo-Karriere, doch die ist nur von kurzer Dauer. Schon während ihrer Zeit bei den Spice Girls gilt sie als die am wenigsten talentierte. Ihr Gesang ist meist im Hintergrund, die tänzerischen Fähigkeiten medioker. Sie sticht durch ihren Look hervor und ihre Beziehung mit dem englischen Fußballstar David Beckham, dessen Image sie formt und zu einem Weltstar macht. Eine Zeit lang ist sie eine der meist fotografierten Frauen der Welt.

Die Medienwelt ist zu dieser Zeit noch eine andere. Die Kritik an ihr ist hart. Victoria Beckham muss viel ertragen. Sprüche über ihr mangelndes Talent, über ihr Aussehen, ihre Beziehung. In einer Szene berichtet sie, dass sie im britischen Fernsehen gewogen wurde, kurz nach ihrer Schwangerschaft. Etwas, das immer wiederkehrt, ist ihre starre Mimik bei öffentlichen Auftritten. Die Miniserie greift das auf. In einer Szene brüllt ein Paparazzo: "Smile", also "Lächle". In einer anderen trägt sie ein T-Shirt, auf dem steht: "Fashion stole my smile", also "Mode hat mir mein Lächeln genommen".

Victoria Beckham erstarrt vor Kameras

Als Kind sei sie unbeliebt gewesen, wurde gemobbt, kämpfte mit einer Essstörung. Kameras mag sie eigentlich nicht. Wenn sie eine sieht, erstarrt sie sofort und wird zu einer "miesepetrigen Kuh", sie könne einfach nicht anders. Da stellt sich die Frage, warum sie ausgerechnet einen derart öffentlichen Beruf wählte. Doch das bleibt in der Netflix-Miniserie offen. Sie könne lächeln, versichert sie immer wieder. Viel zu sehen ist davon in "Victoria Beckham" nicht.

Vielmehr sind die drei Folgen vor allem ein Vehikel, um ihr Bild als Self-Made-Woman und Designerin zu formen. Das eigentliche Thema der Miniserie ist das Vorbereiten ihrer Kollektion und die Anerkennung in der Modewelt. Zur Bestätigung lässt sie seelenverwandte Minimalmimiker wie die ehemalige Vogue-Chefin Anna Wintour und Marc Jacobs immer wieder ihren Status bestätigen. Die spärlichen privaten Einblicke mit Ehemann und Kindern, mit Eltern und Vergangenheit dienen vor allem der Publicity, wissend, dass die exklusive Modewelt nur eine kleine Zielgruppe besitzt. Das Publikum für ihr Privatleben ist deutlich größer.

Wer große Erkenntnisse erwartet, wird enttäuscht

Wer bei Netflix also große Erkenntnisse über die Frau hinter der öffentlichen Person erwartet, wird enttäuscht. Alles in der Miniserie wirkt wohlbedacht, um nicht zu sagen gestellt. Prominente wissen heute ganz genau, was sie in dieser Art von Format teilen wollen und was sie damit bezwecken. "Victoria Beckham" ist keine wirkliche Dokumentation, sondern eher ein mehr als zweistündiger Instagram-Beitrag, ein streng kontrolliertes Bild ihrer selbst.

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Wenigstens die Belege dafür blitzen immer wieder hervor. Etwa, wenn Victoria Beckham sagt: "I haven't touched chocolate since the 90s", und man ihr das sofort abnimmt. Oder, wenn sie noch einmal auf die mürrische Mimik vor der Kamera zurückkommt. Das liege vor allem daran, dass David Beckham immer links neben ihr auf den roten Teppich gehe. Das sei genau die Seite ihres Mundes, mit der sie lächle. Auf der rechten Seite empfinde sie das Lächeln "innerlich", wie sie sagt.

Abgesehen von der Unverständlichkeit dieser Erklärung zeigt das, wie besessen Victoria Beckham von ihrem Image und dem Wirken in der Öffentlichkeit ist. Ging es bei der Miniserie um ihren Mann David Beckham vor allem darum, ihn als lustigen Kumpeltyp zu inszenieren, ist die Intention bei seiner Ehefrau nicht so klar. Nach zweieinhalb Stunden Laufzeit bleibt das unnahbare, mysteriöse Image, das sie selbst geschaffen hat. Vielleicht ist es ja genau das, was Victoria Beckham will.