Erst kürzlich führten die Oscars verpflichtend ein, dass stimmberechtigte Mitglieder der Academy die Filme, über die sie entscheiden, auch gesehen haben. Doch so wirklich lässt sich das nicht kontrollieren – und wo es Schlupflöcher gibt, werden die auch genutzt.
Diese Nachricht verwunderte vor wenigen Tagen wohl nicht nur Kino-Fans: "Die Academy-Mitglieder müssen sich nun alle in jeder Kategorie nominierten Filme ansehen, um in der Endrunde der Oscars abstimmen zu können", hatte die Oscar-Academy am vergangenen Montag erklärt. Sollte das heißen, dass die Mitglieder der Academy bisher über die Vergabe des prestigeträchtigsten Preises der Branche entschieden, ohne die entsprechenden Filme überhaupt gesehen zu haben?
Genau das heißt es. Das Anschauen der Nominierten war bisher tatsächlich nicht verpflichtend. Und so bekamen nicht selten Filme eine Stimme, deren Studios über viel Geld für aufwändige Marketingkampagnen verfügen und viel Aufmerksamkeit generierten.
Teilweise ließen Insidern zufolge Academy-Mitglieder auch einfach Mitarbeiter, erwachsene Kinder oder Freunde die Stimmzettel ausfüllen. So zitiert etwa Variety eine nicht genannte Führungskraft, die über das Abstimmverhalten eines Studio-Bosses berichtet: "Er hatte von der Hälfte der Filme noch nie gehört, aber er hat trotzdem gewählt."
Nicht alle Schlupflöcher können gestopft werden
Mit dem Ende der analogen Ära, als Filme nicht mehr auf DVD versandt wurden, gab es mit der Einführung des Academy Screening Rooms 2020 schon eine große Verbesserung. Eine Zwei-Faktor-Authentifizierung gewährleistet, dass etwa Passwörter nicht einfach weitergegeben werden können.
Doch natürlich können so nicht alle Schlupflöcher gestopft werden. Eine Sicherheit darüber, dass die Filme wirklich geschaut werden, gibt es nicht. Zwar wird registriert, dass der Film gestartet wird, doch ob man wirklich davorsitzt oder zum Sport geht kann niemand sagen.
Auch wenn laut Variety Quellen aus dem Umfeld der Academy berichten, dass die Mitglieder überwiegend positiv auf die Neuerungen reagieren und Änderungen seit Jahren gefordert hätten, soll es Mitglieder geben, die freimütig zugeben, das System zu umgehen. Doch dem Blatt zufolge sei es nur eine winzige Minderheit, die sich noch immer durchschlenzen wolle.
Oscars wollen ihr Gesicht nicht verlieren
Das Blatt zitiert etwa Scott Shooman, Leiter der AMC Networks Film Group: "Ich bin nicht zynisch genug, um zu denken, dass die Leute nicht schauen. Ich gehe nach Cannes, Telluride, Toronto und Sundance. Dann leuchtet die Academy-App auf, und ich weiß, was ich sehen muss. […] es liegt in unserer Verantwortung, und die Tatsache, dass es erst deutlich gesagt werden musste, ist aufschlussreich."
Vor der 98. Oscarverleihung, die am 15. März 2026 stattfinden wird, gibt es aber noch weitere Neuerungen. So werden ab 2028 – endlich – Stunts ausgezeichnet und auch in der Kategorie Casting wird ein Oscar vergeben. Alles zusammen Maßnahmen, um den zuletzt schwindenden Zuschauerzahlen entgegenzuwirken und zu gewährleisten, dass die Oscars ihr Ansehen wahren und das Versprechen einhalten, unabhängig die besten der Branche auszuzeichnen. (dh)