Mit der dritten Staffel findet die einstige Netflix-Sensation "Squid Game" ihren Abschluss – doch die Ernüchterung ist groß, der Hype längst vorbei.
Der Erwartungsdruck könnte nicht viel größer sein. "Squid Game" ist die erfolgreichste Netflix-Serie aller Zeiten, die erste Staffel wurde innerhalb der ersten vier Wochen nach Erscheinen 2021 von 142 Millionen Konten abgerufen, sie erhielt zahlreiche Preise und viel Kritikerlob. Jetzt also das große Finale - doch kann das die überhöhten Erwartungen erfüllen? Eigentlich ist das kaum möglich.
"Squid Game” begann als Projekt eines Außenseiters. Jahrelang hatte Regisseur Hwang Dong-hyuk an seinem Drehbuch über Todesspiele zwischen sozial Gescheiterten auf einer Insel gearbeitet, doch niemand wollte seine düstere Kapitalismuskritik produzieren. Erst 2019 gab Netflix eine Serie in Auftrag und Dong-hyuk begann mit der Umsetzung seines Stoffes.
Bis ins kleinste Detail plante das Team das Projekt durch. Die Teilnehmer sollten so "normal" wie möglich wirken, sodass sich jeder mit ihnen identifizieren kann. Die Herausforderungen erinnerten an bekannte koreanische Kinderspiele, nur übermenschlich groß, genauso, wie viele Dinge in diesem Alter wirken.
Klärt "Squid Game” endlich die großen Fragen?
Mit der ersten Staffel war "Squid Game" abgeschlossen, aber wie das so ist, wenn etwas sehr erfolgreich ist und damit viel Geld verdient wird, folgt bald die Ankündigung, dass es eine Fortsetzung geben wird. Netflix gab zwei weitere Staffeln in Auftrag, wobei es sich eigentlich um eine Season handelt, die noch einmal unterteilt wurde, um das Maximum aus der Erfolgsserie herauszuholen.
In ihnen kehrt Seong Gi-hun (Lee Jung-jae) auf die Insel zurück, um das Morden zu beenden. Das geht natürlich schief und Spieler 486 muss erneut teilnehmen. Staffel zwei endete mit der blutigen Niederschlagung seines Aufstandes, bei der einer seiner Freunde starb.
Die Fortsetzung der Erfolgsserie war zwar nicht mehr so zwingend wie der erste Teil, besaß aber immer noch den düsteren Ton und die Faszination des Originals. In den abschließenden sechs Folgen erwarten Fans jetzt, dass Serienschöpfer Hwang Dong-hyuk einige der grundsätzlichen Fragen von "Squid Game" beantwortet: Woher kommen die Killerspiele? Wer ist der Spielleiter? Wer die Prominenten, für die sie veranstaltet werden? Und gibt es noch in anderen Ländern vergleichbare Kämpfe verzweifelter Menschen?
Überflüssige Handlungsstränge, keine Antworten
Die ernüchternde Erkenntnis: Viele dieser Fragen bleiben auch in der abschließenden Staffel unbeantwortet. Fünf der sechs Folgen konnten Journalisten vorab sehen, inklusive einer DIN-A4-Seite langen Liste von Spoilern zu jeder Episode, die nicht verraten werden dürfen. Hinterlegt in weißer Schrift auf weißem Hintergrund – wohl eine Anspielung auf bei Kindern beliebte unsichtbare Briefe. Klar ist nach Ansicht dieser fünf Folgen, dass aus dem Hype "Squid Game" die Luft raus ist.
Die reichen Sponsoren der Todesspiele entpuppen sich als eindimensionale Karikaturen gelangweilter Milliardäre. Die beiden Nebenhandlungsstränge, in denen ein Außenteam versucht, die Insel zu finden, und eine Wächterin versucht, einen Teilnehmer zu retten, sind weiterhin konstruiert und passen nicht ins Gesamtbild der Serie.
Am meisten leidet die finale Staffel von "Squid Game" darunter, dass Regisseur Hwang Dong-hyuk sich dazu entschieden hat, seinen Hauptdarsteller die komplette Staffel als gebrochenen Mann zu porträtieren. Die meiste Zeit sitzt er in einer Ecke und starrt vor sich hin. Das raubt der finalen Staffel ihren emotionalen Kern und macht es schwer, mit ihm mitzufühlen, während sich die Spieler aus Gier gegenseitig dezimieren.
Ein US-Remake soll folgen
Die Frage, die sich Hwang Dong-hyuk für das Finale aufhebt, ist, ob Gi-hun noch einmal für Menschlichkeit eintritt und die Zuschauer zumindest mit einem kleinen Fünkchen Hoffnung entlässt. Oder ob "Squid Game" sich ähnlich dystopische Serien wie "Black Mirror" zum Vorbild nimmt, um mit einem Schock abzuschließen.
Irgendwie ist das aber auch egal. Der einstige Hype hat "Squid Game" nicht nur eingeholt, sondern längst überrollt. Die Serie selbst ist ein Produkt ebendieses Systems, das sie einst kritisierte: ein lukratives Franchise, das um des Profits willen bis zum Letzten ausgeschlachtet wird.
Das Ende der Hauptserie ist dabei nur der Anfang: Ein US-Remake ist bereits in Planung. Und Gerüchte über weitere Spin-offs, die das "Squid Game"-Universum aus der Perspektive des Spielleiters beleuchten sollen, kursieren bereits. Ein bezeichnendes Schicksal für eine Serie, die einst eine so beißende Kapitalismuskritik war.