Schimmel als Chance: Eine idealistische Stuttgarter Bio-Baugemeinschaft muss Mörder in ihrer Mitte vermuten. Das stellt ihren Zusammenhalt und die Geduld der Kommissare auf eine harte Probe. Aber auch für Zuschauer ist "Das ist unser Haus" schwer zu ertragen.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Iris Alanyali dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Was ist das für ein unerträglicher "Tatort"? Simpel gestrickt, angestrengt gespielt, lächerlich erzählt.

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Das lässt sich natürlich differenzierter begründen – aber die Aussage passt in ihrer Schlichtheit ganz gut zu "Das ist unser Haus". Noch angemessener wäre es, wenn das Urteil im schwäbischen Dialekt daherkäme. Aber hier soll nicht geschwäbelt werden, wenn man kein Schwäbisch kann.

Versuchen wir es stattdessen mit "gewaltfreier Kommunikation". Die sieht laut der Kerstin so aus: "Ich-Botschaften, keine Beleidigungen, keine Vorwürfe, keine Forderungen." Die Kerstin ist Mitglied der "Baugemeinschaft Oase Ostfildern" im Süden Stuttgarts und Expertin für positive Energie, weshalb sie Räucher-Salbei im Hausflur schwingt und fragt, ob feuchte Wände nicht auch Vorteile haben können. Schimmel als Chance sozusagen.

"Das ist unser Haus": Stuttgat-"Tatort" mit fundamentalen Problemen

Die Baugemeinschaft wollte nämlich eigentlich Richtfest feiern, im Gemeinschaftsraum des neuen Hauses, schön mit Prosecco und Tee und lecker Gemüsebratlingen, weil ihr Eigenheim nach fünf Jahren endlich fast fertig ist. Nur wurde leider im Fundament gerade Wasser festgestellt und die Bauarbeiter haben dabei eine Frauenleiche freigelegt.

Jetzt geht es natürlich darum, dass die Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) den oder die Mörder*in finden müssen. Vor allem aber geht es in "Das ist unser Haus" darum, was dieser Fund im Fundament mit dem Fundament der Hausgemeinschaft macht.

Und das ist nichts Gutes. Muss sogar die Kerstin zugeben. Entsprechend Kerstins Bitte möchte ich zugeben: Ich persönlich hatte unheimliche Schwierigkeiten, die 90 Minuten "Tatort" mit den gefühlt 90 Gruppensitzungen durchzustehen, die hier die gewöhnlichen Verhöre ersetzen.

Und nach einer spontanen Selbsterkundungsmeditation glaube ich ehrlich hinzufügen zu können, dass ich mich von "Das ist unser Haus" nicht deshalb persönlich angegriffen fühle, weil ich auch aus Schwaben stamme. Sondern weil ich, wenn ich mich schon vor den Fernseher setze, anstelle Dinkelbrot zu backen oder im Mondkalender zu blättern, einigermaßen talentierten Darstellern dabei zusehen möchte, wie sie als einigermaßen vielschichtige Menschen möglichst interessante Gespräche führen.

Und das ist dem Dietrich, finde ich, eher nicht so gut gelungen. Dietrich Brüggemann hat Regie geführt und zusammen mit Daniel Bickermann das Drehbuch geschrieben. In dieser Doppelfunktion haben sie 2017 den Stuttgarter "Tatort: Stau" geliefert, der ziemlich gut ankam. Aber was hier fabriziert wurde, finde ich energetisch suboptimal.

"Unser Haus" ist ein Plattitüden-Feuerwerk ohne Tiefgang

Sich über den schwäbischen Dialekt lustig zu machen, ist ungefähr so originell, wie Pantomimen peinlich zu finden. Oder über Veganer zu witzeln. Oder eben über politisch, ernährungsbiologisch und bauökologisch hyperkorrekte Wohngemeinschaften zu lästern. Wer Plattitüden-Spott betreibt, will mit einfachsten Mitteln ein Gemeinschaftsgefühl mit Gleichgesinnten heraufbeschwören. Das passiert meistens auf Comedy-Bühnen. Oder aber es wird mit den Klischees gespielt, um zwar ihren Spaß damit zu haben, sie letztendlich aber zu entlarven. Um zu erreichen, dass die Spötter sich ihrer Vorurteile bewusst werden. Um überraschend ein differenziertes Bild hinter den Stereotypen zu enthüllen.

Das versucht "Unser Haus". Aber mit den falschen Mitteln. Schon, weil hier viel zu dick aufgetragen wird. Die Öko-Truppe wirkt, als hätten sich die Macher an einer VHS-Kassette aus den Achtzigern orientiert, die sie im Keller eines ehemaligen Dritte-Welt-Ladens in einer schwäbischen Kleinstadt gefunden haben und auf der die Gründungssitzung des Ortsverbandes der Grünen festgehalten wurde. Die Dialoge sind ungefähr so hölzern wie Bioladen-Regale von damals, und zeitgenössische Strickpullis waren offenbar auch eine große Inspirationsquelle für den Krimi.

"Tatort": Laien durchsetzte Ensemble

Noch schmerzhafter ist das fehlende Timing dieser Veggie-Würschdle. Comedy, zu der man "Das ist unser Haus" ja auch erklären könnte, braucht Könner. Der "Tatort" versucht stattdessen, mit seinem mit Laien durchsetzten Ensemble eine charmante Authentizität zu versprühen. Das spiegelt zwar den eifrigen Enthusiasmus der Hobby-Bauherren und -damen, senkt aber auch das Niveau dieses Ausflugs auf die kabarettistische Kleinkunstbühne.

Apropos: Zwei professionelle Mitglieder des Stuttgarter Comedy-Trios "Eure Mütter" dürfen in Gastauftritten als Architekten mit den Namen "Herr Häberle" und "Herr Pfleiderer" an die beiden legendären Stuttgarter Nachkriegskabarettisten erinnern. Ohne zu schwäbeln. Heilig's Blechle.

Die Darsteller sind der einzige Lichtblick - trotz schiefer Töne

Zum Krimiplot selbst sage ich im Sinne gewaltfreier Kommunikation mal lieber gar nichts. Aber nicht alles ist zum Spätzleschmeißen. Heinz Rudolf Kunze, der eine kleine Rolle als ehemaliger WG-Kandidat hat, sollte zwar lieber beim Singen bleiben, stört aber weniger als die alberne Aufregung, die er im Plot auslösen muss. Eine Hauptrolle spielt Oliver Gehrs, obwohl er eigentlich Journalist ist. Seine Leistung als politisch überengagierter, alleinerziehender und allgemein überforderter Vater Udo gibt einem den Glauben an Experimente mit Laiendarstellern wieder zurück.

Auch Kilian Jürgens als sein Sohn Finn ist eine Bereicherung – was sich über Kinderrollen ja nicht immer sagen lässt. Als pubertierender, Augen rollender Teenager kann er die dankbare Rolle einer Identifikationsfigur für das skeptische Publikum übernehmen. Und Nadine Dubois schafft es tatsächlich, dass man die hochsensible Kerstin gar nicht so unerträglich findet, wie man das als durchschnittlich zynische Zuschauerin eigentlich müsste.

Richy Müller scheint beschlossen zu haben, mit der Haltung "Augen zu und durch" durch den Film zu schlafwandeln – sein Kommissar Lannert ermittelt noch stoischer als sonst, so neutral könnte sich noch nicht einmal die Schweiz in diesem Fall verhalten. Schauspielkollege Felix Klare hat es da leichter, der schaltet einfach Sebastian Bootzens Flirtautomatismus ein: Der Kommissar mag die Kerstin und manövriert sich so mit glaubwürdiger Anteilnahme, unterbrochen nur von noch glaubwürdigeren Ausbrüchen ("Himmel Arsch und Zwirn!", "Ich kann langsam nicht mehr"), durch dieses Haus. Aber noi, mein Haus isch' des leider nedd.

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