Nicht mehr so hektisch, immer noch intensiv: "The Bear" lässt seine Figuren endlich atmen – und bringt große Veränderungen.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Felix Reek dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Oft war "The Bear" einfach zu viel: zu laut, zu hektisch, das ständige Schreien, Streiten und Brüllen, "Chef" hier, "Chef" da. Die in Deutschland auf Disney+ (ab 26. Juni) ausgestrahlte Serie stresste – nichts für einen ruhigen Abend zu Hause auf der Couch, an dem man einfach herunterkommen will.

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Sie zeigte eine dysfunktionale Gruppe aus Familie und Freunden, die sich bei jeder Gelegenheit an die Gurgel gingen und doch nicht voneinander lassen konnten. Gerade das enthielt so viel echtes Leben, dass sich "The Bear" zu einem riesigen Erfolg entwickelte, bei Zuschauern und Kritikern.

Im Verlauf der ersten drei Staffeln mauserte sich die Imbissbude "The Original Beef of Chicagoland" zum Spitzenrestaurant "The Bear", doch Geld fiel dabei nicht ab. Küchenchef Carmy (Jeremy Allen White) versuchte, sich mit täglich neuen Menüs selbst zu übertreffen und trieb seine Belegschaft in den Wahnsinn. Er verschreckte seine Freundin Claire (Molly Gordon), lag mit „Cousin“ Richie (Ebon Moss-Bachrach) im Dauerstreit, und seine rechte Hand Sydney (Ayo Edebiri) erhielt ein Angebot von einem anderen Restaurant.

In der letzten Folge der dritten Staffel erlitt sie während einer Party in ihrer Wohnung eine Panikattacke. Gleichzeitig erschien die lang erwartete Restaurantkritik im "Chicago Tribune".

"The Bear": Es geht um Familie

Die erste Folge der neuen Season von "The Bear" startet ganz ruhig. Carmy und sein Bruder Mikey (Jon Bernthal) stehen in der Küche. Sie reden, es geht darum, dass "zu viel Knoblauch drin" ist oder "die Tomatensoße ansetzt", das kann man hören. Aber eigentlich sprechen sie über das, was wirklich etwas bedeutet: Familie, Erinnerungen und wie all diese Dinge im Restaurant zusammenkommen. Am Ende beschließt Carmy, solch einen Ort zu eröffnen, der genauso heißen soll wie sein Bruder: "Mikey's". Die Zuschauer von "The Bear" wissen, dass es dazu nicht mehr kommen wird. Mikey begeht Selbstmord.

So schwermütig dieser Einstieg in die neue Staffel sein mag, kehrt trotzdem Ruhe in diese häufig so stressige Serie ein. Zeitdruck ist zwar noch immer da, symbolisiert durch eine große Digitaluhr in der Küche des Restaurants ein Countdown; ist sie abgelaufen, ist "The Bear" pleite.

Die Lösung: Das Restaurant braucht einen Michelin-Stern. Die Fokussierung auf die detailreiche Darstellung des Betriebs in einer Spitzenküche rückt in der vierten Staffel aber in den Hintergrund.

Es gibt ein wiederkehrendes Motiv, das die Unzulänglichkeit aller Beteiligten, miteinander zu kommunizieren, symbolisiert. "Geht's dir gut?", fragt einer den anderen und bekommt zur Antwort: "Ja, klar, gut." Und allen Beteiligten ist anzumerken, dass sie genau wissen, dass es nicht so ist. Nur diese Schwelle zu überschreiten, sich zu öffnen, schafft keiner.

In der neuen Staffel der Serie gelingt das ganz behutsam. Handlungsstränge, die lange liegen blieben, wie etwa die Trennung von Carmy und Claire, nehmen wieder Fahrt auf. Bekannte Gesichter kehren zurück, die allgemeine Schwere ist leichter erträglich, es gibt so etwas wie Hoffnung.

Staffel 4: Showdown auf der Hochzeit

Das alles ist natürlich äußerst fragil. Sind die meisten der zehn neuen Folgen nur etwas länger als 30 Minuten, überschreitet die siebte Episode deutlich die Marke von einer Stunde. Sie spielt auf einem Familienfest, wo alle Akteure zusammentreffen. In Staffel zwei führte das zu einer denkwürdigen Auseinandersetzung, bei der Mikey mit Gabeln warf und seine Mutter Donna (Jamie Lee Curtis) ihr Auto ins Haus fuhr. Diese angespannte Stimmung schwebt auch hier in der Luft, endet aber anders als erwartet.

Mit der vierten Staffel von "The Bear" ist Christopher Storer, der für Idee, Regie und Drehbuch verantwortlich ist, noch einmal ein ganz großer Wurf gelungen. Die durchdachte Kameraführung und Montage, die exzellente Musikauswahl, die brillanten Schauspieler, die Tiefe, der Schmerz und all die Emotionen, der ständige Wechsel zwischen Wahnsinn und ganz ruhigen Momenten, in denen die Worte fehlen – all das schafft derzeit keine andere Serie so gut wie "The Bear".

Ob es eine fünfte Staffel geben wird, ist bisher unklar, auch weil Hauptdarsteller Jeremy Allen White nach seiner Darstellung von Carmy so gefragt ist. Er spielt demnächst im Kino "den Boss" Bruce Springsteen. Entscheidend für eine Fortsetzung sei, ob Christopher Storer noch etwas zu erzählen habe, erklärte FX-Senderchef John Landgraf. Alles andere wäre ein echter Verlust.