Letztes Jahr sorgte auf dem Münchner Oktoberfest ein Heiratsantrag zweier Touristen aus Israel für Aufsehen. Ein von Wiesn-Besuchern veröffentlichtes Video des Antrags ging viral. Ein Jahr später haben wir bei dem Paar nachgefragt, wie es diesen besonderen Moment erlebt hat. Doch während des Videocalls ertönt plötzlich eine Alarmsirene in Jerusalem.
Ein ganz besonderer Moment der Beziehung von Systemadministrator Noam (30) und Architektin Moran (31) erhielt 2024 viel Aufmerksamkeit: Ein Video ihrer Verlobung inmitten eines Bierzelts auf dem Münchner Oktoberfest wurde auf zahlreichen Social-Media-Kanälen verbreitet und tausende Male angeklickt.
Die beiden wohnen in Jerusalem und kennen sich, seit sie Teenager sind. Sie waren jahrelang Freunde, auch wenn es für Noam Liebe auf den ersten Blick war, wie er heute sagt. Zum ersten Date kam es aber erst rund fünfzehn Jahre später. Seitdem sind Noam und Moran ein Paar und seit ziemlich genau einem Jahr verlobt.
Ohne die beiden zu kennen, war unsere Autorin letztes Jahr plötzlich in Noams und Morans Verlobung auf dem Oktoberfest involviert. Nun hat sie mit dem Paar bei einem Videocall erneut gesprochen.
Viraler Heiratsantrag auf dem Oktoberfest: Eine spontane Idee
Moran und Noam, wo erreiche ich euch gerade?
Noam: Wir sind zu Hause in Jerusalem.
Was hat euch letztes Jahr nach München geführt?
Moran: Deutschland und ich - das ist eine Liebesgeschichte. Ich war sechs Jahre lang Austauschstudentin in Berlin, wo ich angefangen habe, Deutsch zu lernen. Wir lieben Bier und Party und lernen gerne neue Leute kennen. Deshalb wollten wir unbedingt aufs Oktoberfest.
Dort haben wir uns unter besonderen Bedingungen im Hacker-Festzelt kennengelernt. Erinnert ihr euch?
Noam: Ja, in Israel ist es nicht üblich, dass man sein Frühstück mit zweieinhalb Maß Bier beginnt (lacht). Beim Oktoberfest ist man nie nüchtern, man ist immer leicht angetrunken. Bevor wir zum Oktoberfest gefahren sind, haben wir schon darüber gesprochen, dass wir heiraten wollen, aber noch nicht konkret. Ich habe aber Moran bereits gesagt, dass ich keinen Ring mitgenommen habe und sie keinen Antrag erwarten soll, damit sie nicht enttäuscht wird.

Eines Tages sind wir dann ins Hacker-Festzelt gegangen und haben uns zu euch (Anm. d. Red.: unserer Autorin und ihren Freunden) an den Tisch gesetzt und viel getrunken. Moran musste auf die Toilette und dann habt ihr mich gefragt, wo meine Frau ist. Ich habe gesagt, dass wir nicht verheiratet sind, aber dass ich gerne um ihre Hand anhalten würde, aber keinen Ring dabeihabe. Dann habt ihr mir vorgeschlagen, ein Lebkuchenherz mit der Aufschrift "Willst du mich heiraten?" beschriften zu lassen. Ich bin dann zum nächsten Lebkuchenstand gegangen und dort gab es sogar ein riesiges Herz mit der Aufschrift "Heirate mich!" zu kaufen. Ich kam zurück zum Tisch, ging auf die Knie und von da ging eine verrückte Party los. Circa 5.000 Menschen im Hacker-Festzelt sind ausgeflippt, alle haben applaudiert.
Moran: Ich habe das Lebkuchenherz - den größten Keks, den ich je gesehen habe - genommen und bin auf den Tisch gestiegen und habe nur "Ja!" geschrien. Am nächsten Morgen habe ich ihn gefragt, ob er sich erinnert, dass er mir einen Antrag gemacht hat.
Noam: Sie fragte mich, ob ich sie immer noch heiraten möchte und ich habe gesagt: "Wenn du willst, lass uns heiraten!"
Aber der Heiratsantrag war komplett spontan, du hattest ihn nicht vorher geplant?
Noam: Ja, er war spontan. Ich wollte sie heiraten, aber ich hatte keinen Ring. Wir haben diesen Moment ein bisschen dir und deinen Freunden zu verdanken. Also danke!
Moran: Keine Sorge, inzwischen habe ich einen Ring, er hat mir noch einen Antrag gemacht. Wir waren in einem Weingut und er hat mich mit all unseren engen Freunden überrascht. Nächsten Monat werden wir heiraten und sind schon sehr aufgeregt.
Moran, was hast du dir gedacht, als Noam inmitten des Bierzelts auf die Knie gegangen ist?
Moran: Ich habe absolut nicht damit gerechnet. Ich habe ihm geglaubt, als er gesagt hat, dass auf unserem München-Trip kein Antrag kommen wird. Alle um uns herum haben sich so gefreut.
Jemand hat den Antrag gefilmt.
Moran: Ja, jemand hat ein Video davon gepostet, es ist sogar im Fernsehen bei München TV gelaufen. Es war verrückt.
Verschiedene Leute aus der ganzen Welt haben uns das Video geschickt. Es war ein bisschen peinlich, aber auch aufregend und besonders.
Wie war das für euch, dass euer Antrag plötzlich viral gegangen ist?
Noam: Am nächsten Morgen, als wir es gesehen haben, waren wir sehr überrascht. Wir dachten nicht, dass es eine Schlagzeile wert ist. Es wurde zur Sensation. Hunderttausende Menschen sahen es und haben darüber gesprochen. Verschiedene Leute aus der ganzen Welt haben uns das Video geschickt. Es war ein bisschen peinlich, aber auch aufregend und besonders. Am nächsten Tag sind wir in den Englischen Garten gegangen und immer, wenn uns jemand angesehen hat, haben wir uns zugeflüstert: "Glaubst du, sie erkennen uns?" (lacht).

Wollt ihr bayerische Elemente in eure Hochzeit einbauen?
Noam: Wir haben das Lebkuchenherz aufgehoben, aber vor einem Monat wurde es leider von Ameisen zerfressen. Aber unsere Einladungskarten waren mit Bier, Brezn und sogar echtem Hopfen verziert. Wir werden auch weiß-blaue Tischdecken haben. Am liebsten würden wir ein Lebkuchenherz statt einer Torte anschneiden. (lacht) Es gibt eine traditionelle Trauung und der Party-Teil steht unter dem Oktoberfest-Motto.
Während unseres Gesprächs ertönt plötzlich eine Alarmsirene im Hintergrund.
Moran: Hier ist ein Alarm, wir müssen eine Pause machen. Es gibt Raketenanschläge, wir müssen in einen Luftschutzkeller.
Nach circa zehn Minuten können wir das Interview fortführen.
Wie oft passiert es, dass ihr einen Alarm hört?
Noam: Manchmal mehrmals am Tag, manchmal mehrere Wochen gar nicht. Aber es ist bereits ein Teil unseres Alltags geworden. Ich weiß nicht, ob du es bemerkt hast, aber als wir gesagt haben, dass wir in einen Luftschutzkeller gehen müssen, war es, als würden wir dir sagen: "Jemand ist an der Tür". Es passiert so regelmäßig, es ist anstrengend. Es ist natürlich auch angsteinflößend.
Wie ist das Leben für euch aktuell in Israel? Wie beeinflusst der Krieg euren Alltag?
Noam: Es ist ein bisschen wie während der Corona-Pandemie. Die Welt geht unter, aber man muss trotzdem arbeiten und Steuern zahlen und man spricht mit seinen Freunden. Alles um uns herum zerfällt: Die korrupte Regierung, es gibt den Krieg und es sind immer noch Geiseln gefangen. Niemand will diesen schrecklichen Krieg. Er kostet Menschenleben auf beiden Seiten. Menschen erleben Dinge, die sie niemals erleben sollten. Etwas Schreckliches passiert um uns herum, aber wir versuchen eine Art Routine aufrechtzuerhalten. Wir können unseren Alltag nicht stoppen, auch wenn es sich manchmal so anfühlt, als sollten wir es. Es herrscht Krieg da draußen, wir können nicht einfach so glücklich sein oder Spaß haben.
Dieses Gefühl von Gemeinschaft, wenn man jemand Fremdes vom klebrigen Boden eines biergetränkten Zelts hochzieht und man umarmt sich und wünscht sich gegenseitig ein großartiges Leben und eine tolle Wiesn.
Was ist euer Wunsch für die Zukunft?
Noam: Unser Wunsch für die Zukunft ist inspiriert von dem Abend auf dem Oktoberfest. Nachdem ich den Antrag gemacht habe, sind Leute aus verschiedenen Ländern, die wir nicht kannten, von allen Seiten zu uns gekommen und haben sich so für uns gefreut. Es war wie eine Bruderschaft, wir waren alle zusammen und haben gefeiert. Wir alle wollen ein tolles Leben führen und glücklich sein. Wir alle wollen einen Ort, an dem wir uns sicher und akzeptiert fühlen. Dieses Gefühl von Gemeinschaft, wenn man jemand Fremdes vom klebrigen Boden eines biergetränkten Zelts hochzieht und man umarmt sich und wünscht sich gegenseitig ein großartiges Leben und eine tolle Wiesn. Und man trinkt gemeinsam ein Bier. Wir sind alle gleich, im Hacker-Festzelt und auf der Welt und wir sind hier auf der Welt, um ein schönes Leben zu haben. Das wünschen wir uns und das wünschen wir allen. Habt ein fröhliches Oktoberfest!
Über die Gesprächspartner
- Noam und Moran arbeiten als Systemadministrator und Architektin in Jerusalem. Unsere Autorin lernte die beiden 2024 auf dem Oktoberfest kennen und war plötzlich in ihren Heiratsantrag involviert.