Vier Tage Musik, Sonne und Euphorie - so präsentierte sich das Traumhänger Festival online. Doch viele Acts erlebten vor Ort das Gegenteil: organisatorisches Durcheinander, fragwürdige Abläufe und enttäuschte Erwartungen.
Auf Social Media sah es aus wie ein Sommermärchen: Vier Tage elektronische Musik, ein Line-up mit bekannten Namen, bunte Bühnen, glückliche Menschen. Doch wer beim Traumhänger Festival in München tatsächlich vor Ort war, erzählt oftmals eine andere Geschichte.
Es ist eine Geschichte von chaotischer Organisation, fragwürdigen Sicherheitsvorkehrungen und enttäuschten Künstlern. Und doch: Nicht alle Stimmen sind negativ. Einige berichten auch von gelungenen Momenten, trotz allem.
Das Festival, das über das Christi-Himmelfahrts-Wochenende stattgefunden hat, wurde als viertägiges Camping-Event angekündigt. Bei Instagram wurde im Vorfeld mit vielen Hochglanzaufnahmen geworben. Doch viele der gebuchten Acts kamen gar nicht erst, standen plötzlich auf einer anderen Bühne oder zu einer anderen Zeit im Timetable, eine vorherige Information habe es nicht gegeben. Die Kommunikation zwischen Veranstaltern und Künstlerinnen war, so berichten viele, bestenfalls lückenhaft, oft sei sie schlicht nicht vorhanden gewesen.
Kritische Stimmen zum Traumhänger Festival sind auf den Instagram-Beiträgen des Veranstalters inzwischen kaum noch zu finden. Mehrere Gäste und auch auftretende Künstler berichten, dass ihre Kommentare gelöscht worden seien. Als Reaktion darauf hat der Account "Rave Insider" einen Aufruf gestartet und Festivalbesucher um ihre Meinungen gebeten. Unter dem entsprechenden Beitrag häufen sich mittlerweile zahlreiche negative Rückmeldungen.
Um ein klareres Bild der Ereignisse zu bekommen, haben wir mit mehreren DJs gesprochen, die beim Traumhänger Festival gebucht waren. Ihre Schilderungen zeichnen ein Bild davon, was hinter den Kulissen passiert sein soll.
"Ich hätte da auch rein theoretisch ein Kilo Plastiksprengstoff drin haben können."

Ein besonders drastisches Beispiel schildert DJ Handbremse, der über einen Contest einen Slot auf dem Festival gewonnen hatte. Er berichtet, dass er mit seinem Rucksack voller Equipment einfach durchgewunken worden sei. Keine Ticketkontrolle, keine Taschenkontrolle. "Ich hätte da auch rein theoretisch ein Kilo Plastiksprengstoff drin haben können", sagt er. Auch auf dem Weg zur Bühne sei niemand gewesen, der ihn aufgehalten hätte.
Die Bühne selbst, ein notdürftig aufgebautes Konstrukt, das nach seinen Worten eher an einen Sonnenschirm mit DJ-Setup erinnerte als an eine professionelle Stage, habe er ohne Einweisung betreten. "Ich kann auch einen Sonnenschirm aufspannen oder so eine Markise, vier Player darunter stellen und das eine Bühne nennen. Das war wirklich frech." Verträge oder Fahrtkostenerstattung? Fehlanzeige.
Gage? Follower? Oder einfach Glück?
Auch Max Fly, der ursprünglich für das Festival gebucht war, berichtet von chaotischen Abläufen. Zunächst sei ihm eine Gage zugesichert worden, später habe man ihm mitgeteilt, dass es keine Bezahlung gebe und ihn schließlich aus dem Line-up gestrichen. Als er nachhakte, sei er von der Veranstalterin schroff abgewiesen worden.
Besonders kritisch sieht er den Umgang mit Newcomern: Wer einen DJ-Contest gewinne, solle eigentlich gefördert werden, stattdessen sei auf ihn und andere massiver Druck ausgeübt worden, Tickets zu verkaufen. "Das ist nicht der Sinn der Sache", sagt er. Auch die Kommunikation sei von Anfang an unprofessionell gewesen: Playtimes seien mehrfach geändert worden, ohne Rücksprache, Informationen seien widersprüchlich gewesen oder gar nicht erst gekommen.
Calbex spricht ebenfalls über eine Reihe von Unstimmigkeiten im Vorfeld des Festivals. Der Hardstyle-DJ wurde im März über Instagram kontaktiert. Es gehe um einen Auftritt im Rahmen des Traumhänger Festivals, sei in der Nachricht gestanden. Auf seine Nachfrage nach Slot, Tag, Uhrzeit und Gage habe er die Auskunft erhalten, dass er sich den Tag selbst aussuchen könne. Eine Bezahlung sei jedoch nicht möglich, da das Budget bereits aufgebraucht sei.
Die Botschaft: Es sei eine Ehre, überhaupt spielen zu dürfen. "Sorry, aber die Acts sind alle zu klein, wir brauchen Leute mit 5.000 Followern", habe man ihm geschrieben, nachdem er weitere Künstler vorgeschlagen hatte. Calbex konterte demnach: "Wenn du Reichweite willst, musst du sie auch bezahlen."
Auftritt plötzlich gestrichen worden
Calbex erzählt weiter, dass er ein vollständiges Set vorbereitet hat - rund fünf Stunden Arbeit für eine geplante 90-Minuten-Playtime. Doch wenige Tage vor dem Festival tauchte sein Name nicht im offiziellen Timetable auf. Auf Nachfrage habe es geheißen, einige Slots seien gestrichen worden. Eine direkte Kommunikation hat es laut seiner Aussage nicht gegeben.
Ein weiterer DJ, der anonym bleiben möchte, hatte ebenfalls einen Auftritt. Schon bei der Ankunft sei er mit dem Auto einfach durchgewunken worden. Später habe er selbst ein Tor geöffnet und sei direkt aufs Gelände gefahren, ohne Kontrolle. Auch er berichtet von fehlender Betreuung, fehlender Einweisung, fehlender Gage. Auf seine Nachfrage nach einer Rechnungsadresse habe er bis heute keine Antwort erhalten.
Besonders irritiert habe ihn, dass an den Bars offenbar automatisch zehn Prozent Trinkgeld auf alle Bestellungen aufgeschlagen worden sei, einen Hinweis habe es nicht gegeben. "Und selbst, als wir sie darauf hingewiesen haben, haben sie damit einfach weitergemacht", sagt er. Eine Freundin, selbst Juristin, habe das als klar rechtswidrig bezeichnet. Auf Nachfrage habe das Barpersonal lediglich erklärt, man habe die Anweisung vom Veranstalter erhalten.
Nicht alle fanden es schlimm
Doch nicht alle Stimmen sind negativ. Eine DJane, die ebenfalls anonym bleiben möchte, beschreibt ihre Erfahrung als insgesamt positiv. Sie sei freundlich behandelt worden, habe ihre Playtime behalten und sich gut betreut gefühlt. Zwar sei sie nicht bezahlt worden, habe das aber auch nicht erwartet. Für sie sei der Auftritt vor allem eine Erfahrung gewesen.
Gleichzeitig zeigt sie sich schockiert über die Berichte anderer: Wenn das alles wirklich so passiert sei, wie es in den Kommentaren und Artikeln geschildert werde, sei das natürlich nicht in Ordnung, sagt sie. Sie betont aber auch, dass viele Newcomer sich zu wenig absichern würden: Verträge, klare Absprachen, rechtliche Grundlagen fehlten oft. "Wenn du dich nicht absicherst, ist es am Ende auch dein Risiko", sagt sie.
Auch Jannik van der Vegt, der mit einem DJ-Partner auflegte, zieht ein gemischtes Fazit. Der Tag sei für ihn und seine Freundesgruppe insgesamt gelungen gewesen, auch wenn organisatorisch vieles im Argen gelegen sei. Schon beim Einlass sei man durch den Notausgang aufs Gelände gelangt, ohne Kontrolle. Die Getränkemarken, drei pro Person, seien bei 30 Grad in der Sonne schnell aufgebraucht gewesen.
"Wir hatten insgesamt einen coolen Tag und zusammen mit unseren Freunden Spaß auf dem Festival."
Als er darum gebeten habe, einen Kasten Wasser an die Bühne zu bringen, sei ihm das zunächst verweigert worden. Erst als ein Headliner aufgetreten sei, sei Wasser bereitgestellt worden. Auch das Stage-Management sei kaum präsent gewesen. Vieles habe man selbst organisieren müssen. Trotzdem sagt er: "Wir hatten insgesamt einen coolen Tag und zusammen mit unseren Freunden Spaß auf dem Festival."
Veranstalter schweigt – und plant nächste Events
Was viele dennoch besonders irritiert: Trotz der massiven Kritik plant der Veranstalter, laut Handelsregister die Firma "Harmony Event Life", bereits neue Events. Einige der befragten Künstler hoffen nun, dass sich das Erlebte nicht wiederholt. Andere zeigen sich ernüchtert. "Ich hoffe einfach, dass solche Leute, die nur mit Gewinnabsicht die Szene kaputt machen, es nicht lange schaffen, einen Fuß in die Tür zu setzen", sagt einer von ihnen. "So sollte das einfach nicht sein."
"Es ist wirklich nicht alles Gold, was glänzt."
Der Social-Media-Auftritt des Festivals, so professionell er auch wirkt, steht für viele sinnbildlich für das Missverhältnis zwischen Schein und Sein. DJ Handbremse bringt es auf den Punkt: "Es ist wirklich nicht alles Gold, was glänzt."
Eine schriftliche Anfrage an die Veranstalter mit der Bitte um Stellungnahme zu den geschilderten Vorwürfen blieb bis zum Erscheinen dieses Artikels unbeantwortet.
Verwendete Quellen
- Instagram.com: Profil von "Traumhänger Festival"
- Instagram.com: Beitrag von "Rave Insider"
- Gespräch mit DJ Handbremse
- Gespräch mit Max Fly
- Gespräch mit Jannik van der Vegt
- Gespräch mit Calbex
- Gespräche mit 2 weiteren DJs (anonymisiert)