Im vergangenen Jahr wurde bei Eric Stehfest paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Die Episoden dieser Erkrankung beschreibt der Schauspieler als "Zusammenbruch der Realität", in der drei verschiedene Erics in seinem Kopf leben. Mit uns hat er über diese drei Persönlichkeiten und sein Leben mit der Erkrankung gesprochen.

Ein Interview

Mit den Worten "Das Schreiben hat mir mein Leben gerettet" blickt Eric Stehfest auf die Entstehung seines Buches "9 Jahre Wahn" (ab 8. Oktober erhältlich). Im Interview spricht der 36-Jährige über seine Therapie und ordnet ein, welche Rolle die Trennung von seiner Frau Edith im Rahmen seines Heilungsprozesses spielt.

Herr Stehfest, vor etwa einem Jahr haben Sie die Diagnose paranoide Schizophrenie erhalten. Wie erleben Sie die Episoden dieser Erkrankung?

Eric Stehfest: In diesen Episoden habe ich das Gefühl, in Gefahr zu sein, verfolgt und beobachtet zu werden. Ich befürchte in diesen Momenten, dass mir die Menschen in meiner Umgebung Schlechtes wollen. Somit lässt sich das Ganze gewissermaßen als Zusammenbruch der Realität beschreiben. Meine Beziehungen und soziale Kontakte werden in diesen Episoden infrage gestellt und das wahre Gesicht der Menschen, die mit mir sind, verzerrt sich. Ich kann sie also nicht so wahrnehmen, wie sie eigentlich sind.

In Ihrem Buch "9 Jahre Wahn" beschreiben Sie in einer romanhaften Art Ihr Leben mit der Erkrankung und den Weg zur Diagnose. Es geht außerdem um drei Erics, die in Ihrem Kopf leben. Wer sind diese drei Persönlichkeiten?

Es ist nicht so, dass die drei Erics voneinander abgespalten sind und ich keine Kontrolle über sie habe. Ich betrachte die Persönlichkeiten eher als Art Diskussionskreis, in dem sich drei Menschen gegenübersitzen und darüber sprechen, was sie von gewissen Situationen halten sollen.

Dabei gibt es einen sehr impulsiven und provokanten Eric, der in gewissen Situationen anders reagiert als der Eric, der eher sensibel und verhalten ist. Dann gibt es noch den dritten Eric, der still ist und von all dem nichts wissen möchte. Diese verschiedenen Umgangsweisen mit Menschen und Situationen clashen aufeinander, führen einen inneren Kampf rund um die Frage, was ich glauben darf und was der Wahrheit entspricht. Das ist der permanente Druck, der auf mir lastet.

"Wenn ich mit meinen Kindern zusammen bin oder Musik mache, verschwindet die Krankheit."

Haben die verschiedenen Erics auch eine Auswirkung auf Ihre Rolle als Vater?

Meine Rolle als Vater ist davon nicht berührt, was mich zunächst gewundert hat. Im Umgang mit meinen Kindern gibt es demnach keine Ängste und Unsicherheiten. Meiner Meinung nach hängt es damit zusammen, dass meine Kinder mich bedingungslos lieben und ich sie. Es gibt keine äußeren Reize, die zu Unsicherheiten führen – vielmehr sind die Kinder immer pur, ehrlich und offen zu mir und ich zu ihnen.

Beim Papasein fühle ich mich ähnlich wie in meiner Arbeit als DJ. Wenn ich mit meinen Kindern zusammen bin oder Musik mache, verschwindet die Krankheit. In diesen Momenten darf ich mich gesund fühlen und habe sie in den vergangenen Jahren als großen Anker empfunden, der mir Hoffnung gegeben hat. Da ich viel Zeit mit meinen Kindern verbringe, hatte ich demnach immer wieder längere klare Phasen, in denen ich einfach Eric sein konnte.

Wie blicken Sie auf den Schreibprozess des Buches zurück?

Das Schreiben hat mir mein Leben gerettet. Ehe ich mit dem Buch begonnen habe, gab es mitunter sehr düstere Phasen, in denen ich auch darüber nachgedacht habe, mir das Leben zu nehmen. Diese Gedanken waren für mich sehr erschreckend, da ich ein sehr lebensfroher Mensch bin, der sehr viel vom Leben hält und erfahren möchte. Das Schöne am Schreiben ist, dass es die Chance ermöglicht, sich selbst ein Happy End zu schreiben. Genau das war mein Beweggrund, mit der Arbeit an dem Buch zu beginnen, weil ich den Eric, den ich darin beschreibe, aus der Dunkelheit befreien wollte.

Insofern war das Schreiben an sich phasenweise sehr schwer, weil ich jeden Tag aufs Neue dafür kämpfen musste, weiterzumachen. Auf der anderen Seite habe ich mich oft in einem so intensiven Schreibprozess befunden, dass ich mitunter gar nicht mehr aufhören konnte.

Bei Stehfest liegt drogeninitiierte Psychose vor

Wie geht es Ihnen heute?

Nach der Reise in die Psychiatrie und dem stetigen Weiterkämpfen bin ich inzwischen mit Blick auf die Wahnvorstellungen stabil und hatte auch seit vielen Monaten keine mehr. Zudem merke ich, wie sich die Psychose abschwächt. Demnach gehe ich davon aus, nur eine schizophrene Phase erlebt zu haben.

Ich bin mit meiner Psychologin im Austausch und hoffe, die Medikamentendosis perspektivisch halbieren und langfristig ganz absetzen zu können. Ich bin also auf einem guten Weg, weil ich es geschafft habe, mir ein Umfeld aufzubauen, das mich heilen lässt und mir Frieden schenkt.

Ich habe wieder soziale Kontakte zugelassen und verbringe Zeit mit Menschen, die mir guttun. Das war kein einfacher Prozess, aber ein sehr wichtiger. Denn manchmal muss man Dinge und Menschen loslassen, die man sehr liebt, um heilen zu können.

Sie haben Ihre Diagnose öffentlich gemacht, um paranoide Schizophrenie zu enttabuisieren. Wo stehen wir Ihrer Meinung nach gesellschaftlich, wenn es um die Awareness rund um diese Erkrankung geht?

Ich glaube, dass der Großteil der Gesellschaft mit Blick auf paranoide Schizophrenie eine noch sehr verzerrte Wahrnehmung hat. Wir wurden vor allem von der Filmindustrie stark geprägt. Menschen mit dieser Diagnose werden in Filmen häufig als Psychopathen dargestellt.

Insofern glaube ich, dass viele Menschen bei dieser Diagnose davon ausgehen, dass die diagnostizierte Person wahrscheinlich gefährlich ist, weggesperrt gehört und ihrem Umfeld schadet. Umso mehr gilt es, den Menschen klarzumachen, dass Menschen mit paranoider Schizophrenie ganz normale Menschen sind, die ein Herz haben, geliebt werden wollen und ebenso alltägliche Dinge zu meistern haben.

Auch ich bin trotz meiner Diagnose ein liebenswerter Mensch, der sensibel und feinfühlig ist – jedoch habe ich durch viele äußere Umstände und Traumata, die mir zugefügt wurden, als Schutz eine Psychose entwickelt.

Auch meine langjährige Drogensucht spielt eine Rolle: Bei mir liegt eine drogeninitiierte Psychose vor. Das bedeutet, dass die Psychose durch die vielen Jahre Konsum entstanden ist. Deshalb ist die Krankheit auch sehr an meinen Konsum geknüpft, sodass ich alles daran setzen muss, abstinent zu leben. Gelingt mir das, gibt es entsprechend nahezu keine Symptome.

Auch diesbezüglich gilt es meiner Meinung nach, noch viel Präventionsarbeit zu leisten, weil die meisten Menschen Drogenkonsum unterschätzen. Es wird viel über den Rausch und den Entzug geredet, doch der Rattenschwanz ist häufig noch viel länger.

"Unter anderen Bedingungen wären wir das perfekte Paar wie aus einem Märchen."

Welche Rolle spielt Ihre Frau Edith in Ihrem Heilungsprozess?

Meine Frau und ich mussten in jungen Jahren schon sehr viel erleben. Durch all diese Traumata, die wir erlebt haben, haben wir uns gegenseitig getriggert. Unter anderen Bedingungen wären wir das perfekte Paar wie aus einem Märchen, aber manchmal zwingt uns das Leben nun einmal in die Knie und stattet uns mit einem Rucksack aus, der uns davon abhält, gemeinsam glücklich zu sein.

Genau das ist das große Drama, das Edith und ich erleben mussten, denn unsere psychischen Erkrankungen passen einfach nicht zusammen. In der Folge gelingt es uns nicht, uns gegenseitig zu stabilisieren. Vielmehr werden wir immer tiefer in den Kreislauf hineingezogen, uns ungesund zu fühlen.

Wie bereits erwähnt, muss man auf einem Heilungsprozess manchmal Dinge loslassen, die man sehr liebt. Deswegen mussten Edith und ich uns erst mal trennen, damit wir beide für uns wieder auf die Beine kommen können. Denn zusammen war genau das leider nicht möglich.

Im Frühjahr werden Sie und Ihre Frau zusammen in der neuen Staffel von "Promis unter Palmen" zu sehen sein. Welche Rolle spielt Ihre Erkrankung bei der Teilnahme an Reality-Formaten?

Gegen meine Symptome nehme ich Medikamente, sodass ich alle Entscheidungen rund um die Teilnahme sehr gut einordnen kann. Bei dieser Produktion war es mir möglich, ohne jegliche Wahnvorstellungen an dem Format teilzunehmen.

Ich habe aber auch sehr authentisch über meinen Status quo reden können und entsprechend weder etwas verschönert noch zurückgehalten. Indem ich explizit über meinen Zustand und auch meine Depression sprechen konnte, konnte ich mich im Verlauf der Dreharbeiten selbst überraschen und erkennen, was in mir steckt.

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Somit war "Promis unter Palmen" für mich sehr heilsam, weil ich erstmals im Reality-Bereich die Erfahrung machen konnte, selbstbewusster aus einem Format herauszugehen als ich hineingegangen bin. Dieses Gefühl möchte ich gerne festhalten und wieder mehr an mich selbst glauben.

Über den Gesprächspartner

  • Eric Stehfest ist ein deutscher Schauspieler und Autor, der von 2014 bis 2019 als Chris Lehmann in der RTL-Serie "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" einer breiten Masse bekannt wurde. 2017 veröffentlichte er mit "9 Tage wach" ein Buch, das sich mit seiner zehn Jahre andauernden Crystal-Meth-Sucht auseinandersetzt. 2020 wurde auf ProSieben die Verfilmung des Buches gezeigt, in der er von Jannik Schümann dargestellt wurde. 2022 nahm Stehfest an der 15. Staffel des RTL-Formats "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus" teil und belegte den zweiten Platz.