Sie will nicht mehr. Sie kann nicht mehr. Sie hält das alles nicht mehr aus. Darum regt sich Anja Rützel in dieser Kolumne über all das auf, was gerade wieder schiefläuft in der Welt. Heute: Laura Müllers Slipschnüffel-Akademie.
Geld stinkt nicht? Das können ernsthaft nur Menschen behaupten, die so viel davon besitzen, dass ihre Riechschleimhaut schon großflächig verkrustet ist. Die Wahrheit ist: Kapitalismus müffelt.
Besonders intensiv möpselt beispielsweise die neue Geschäftsidee von
Businesskonzept aus der Wendler-Hölle
Der Hund als Zollbeamter der Intimsphäre und schwanzwedelnder Notar der Erotik-Ökonomie, das klingt wie ein Pitch von jemandem, der zu viel "Die Höhle der Luder" gesehen hat. Andererseits wirkt dieses neue Businesskonzept innerhalb der grotesken Wendler-Welt mit ihren grobschlächtig gedrechselten Verschwörungsfantasien wie das Brainstorming-Ergebnis eines ganz normalen Dienstags im Ballaballa-Büro.
Mich erzürnt die geplante Schnüffel-Akademie vor allem, wenn ich die Sachlage aus der Perspektive der Hunde betrachte. So ein Tier hat ja, wenn es sich grundsätzlich für die Berufstätigkeit entscheidet, vielleicht auch Träume. Will in einer Sprengstoffstaffel was bewegen, vermisste Omas im Wald finden, verschütteten Wintersportlern Eierlikör kredenzen.
Und dann findet sich der mit falschen Versprechungen angekoberte Junghund plötzlich im Höschendepot des Schmuddelbedarf-Großhandels wieder und muss an mit Kunstsekret getränkten Polyamid/Elasthan-Schlüppern schnuppern, um echte Dünste von nachgepanschten unterscheiden zu lernen. Diese Hunde kommen mit PTSD aus der Ausbildung im Unterwäsche-Inkubator: Posttraumatischer Slip-Demütigung.
Wo ist der Doodle von Cathy Hummels?
Abgesehen vom Tierschutz-Aspekt ist die Müllersche Schnüffel-Akademie natürlich eine perfekte Kommentarfußnote auf unsere Zeit, gesamtgesellschaftlich betrachtet. In einer Welt, in der so viel fake ist, können wir uns womöglich tatsächlich nur noch auf die unkorrumpierbaren Tiere verlassen, damit sie uns sagen, was echt ist und was nicht.
Die Authentizitätskrise hat sich eventuell tatsächlich schon so weit ausgebreitet, dass jetzt auch die letzte Bastion der Unverstelltheit, der unübertünchte Körpergeruch, beglaubigt werden muss. Weil alle Nähe, Sexyness und Echtheit, die einem Influencer und Influencerinnen andrehen wollen, doch nur simuliert, durchgefiltert und synthetisch fabriziert ist. Gäbe es die Müllerschen Slipspürhunde wirklich – und nicht nur, so darf man glücklicherweise vermuten, als PR-Witz –, wäre ihre Arbeit ein Beleg für das Bedürfnis nach Wahrhaftigkeit im digitalen Windkanal.
Empfehlungen der Redaktion
In meinem Hirn gärt übrigens seit Längerem schon eine ganz andere Idee, wozu ich eigens ausgebildete Schnüffelhunde gerne einsetzen würde. Ich würde mir gerne eine eigene Staffel ambitionierter Bloodhounds zusammenstellen, mit der ich mich dann auf die Suche nach all den Tieren mache, die diverse Instagram-Menschen mal als niedliche Klickmaschinen anschafften und dann still und leise wieder abschoben, meist "aufs Land", wie es gerne vage heißt.
Wo ist Dobby, der Hund von Anne Wünsche, wo Moon, der unter nebulösen Umständen entfernte Doodle von
Über die Autorin
- Anja Rützel ist Kolumnistin, Trash-TV-Orakel, Podcasterin, schrieb Bücher über Tiere und Take That – und Wut ist ihr Motor. Sie glaubt an den Erkenntnisgewinn des Grolls.
- In ihrer Kolumne "Rützel rantet" verarbeitet sie Alltagsabsurditäten, Kulturkatastrophen und gesellschaftliche Sollbruchstellen in therapeutische Tiraden. Denn manchmal hilft wirklich nur noch schreien – oder schreiben.