Sechs Jahre lang war sie Teil des Nachrichtenformats "NewsWG", inzwischen ist die Journalistin Helene Reiner Host des "heute journal"-Podcasts. Inwiefern sich der Podcast von dem TV-Format "heute journal" unterscheidet und welche Rolle ein transparenter Blick in den Redaktionsalltag spielt, erzählt sie im Interview.

Ein Interview

Jeden Donnerstag spricht Helene Reiner mit einer Moderatorin oder einem Moderator des "heute journals" im gleichnamigen Video- und Audio-Podcast über aktuelle Themen. Im Gespräch mit unserer Redaktion ordnet sie die Kernzielgruppe sowie den Anspruch des Formats ein.

Zudem blickt sie auf Shitstorms, wie ihn beispielsweise kürzlich ihre Kollegin Dunja Hayali erfahren hat – und weist auf den Unterschied hin zwischen einem "konstruktiven Austausch" und Ausführungen, die "strafrechtlich relevant" sein können.

Frau Reiner, normalerweise lässt sich ein Podcast gut vorproduzieren. Gilt das auch für Ihren "heute journal"-Podcast? Und welche Rolle spielen Breaking News? Zuletzt wurde eine geplante Folge zum Epstein-Fall kurzfristig aufgrund des Attentats auf Charlie Kirk auf Eis gelegt.

Helene Reiner: Das stimmt. Am Tag nach der Ermordung von Charlie Kirk wollten wir eigentlich die Epstein-Folge umsetzen. Dunya Hayali schickte uns noch in der Nacht vor der Aufzeichnung eine Nachricht: "Leute, seid ihr sicher, dass wir morgen noch das richtige Thema haben?" In der Redaktionskonferenz am Morgen haben wir dann gemeinsam entschieden, unseren ursprünglichen Plan zu verwerfen. Natürlich ist man mit der Marke "heute journal" ein aktuelles Medium. Von Ereignissen wie diesen kann man sich nicht loslösen – obwohl sich unsere Ausspielwege von den linearen im Fernsehen unterscheiden.

Inwiefern unterscheiden die sich?

Wir können schon anders vorgehen, haben mehr Freiheiten – zum Beispiel was Längen betrifft. Wenn man einen Podcast macht, muss einem auch bewusst sein, dass die Leute – anders als die "heute journal"-Zuschauer – nicht um Punkt 21.45 Uhr einschalten beziehungsweise in unserem Fall die neuen Folgen hören. Wir sehen an den Zahlen, dass viele Folgen sogar Wochen später noch angehört werden. Dass Themen, die ich persönlich als etwas überholt einordnen würde, offenbar einen "Longtail" haben, überrascht mich immer wieder.

"Nicht so, dass wir die Aufnahme starten und einfach anfangen zu reden"

Welche weiteren Erfahrungswerte konnten Sie seit dem Podcast-Start im Februar sammeln?

Gerade mit Blick darauf, dass es den Podcast noch nicht so lange gibt, wollen wir möglichst flexibel sein. Wir hören immer auf das Feedback der Community. Wenn man unsere ersten Folgen mit den aktuelleren vergleicht, wird man feststellen, dass sich schon einiges getan hat. Mir gefällt es, in einem so experimentierfreudigen Umfeld zu arbeiten. Vor wenigen Wochen haben wir außerhalb unseres Sendeplans [der Podcast erscheint regulär jeden Donnerstag; Anm. d. Red.] eine Folge aufgezeichnet, die sich nur mit einer Breaking News auseinandergesetzt hat – nämlich mit den über Polen abgeschossenen russischen Drohnen.

Wie arbeitsintensiv ist die Auseinandersetzung mit komplexen Themen wie diesen?

Wissend, dass es Menschen gibt, die sich eine Folge erst Tage oder Wochen später anhören, müssen wir die entsprechenden Hintergründe liefern. Das ist die Arbeit, die am meisten Zeit kostet und viel Recherche erfordert. Es ist eben nicht so, dass wir die Aufnahme starten und einfach anfangen zu reden.

"Altersmäßig sind die Millennials unsere Kernzielgruppe."

Welchen Mehrwert bietet dieser Podcast den Zuschauerinnen und Zuschauern des "heute journals"?

Wir richten uns nicht nur an das regelmäßige "heute journal"-Publikum. Sondern eher an die Menschen, die zwar Nachrichten-affin und politisch interessiert sind, aber nicht jeden Abend den Fernseher einschalten und "heute journal" schauen. Altersmäßig sind die Millennials unsere Kernzielgruppe. Es ist aber für alle Altersgruppen etwas dabei. Und wir merken, dass viele Hörerinnen und Hörer, die sich eine Folge angehört haben, auch wiederkommen.

Ein großer Unterschied zur Fernsehsendung ist, dass man die Moderatorinnen und Moderatoren bei uns mal in einem ganz anderen Setting erleben kann. Außerdem haben wir die Freiheit, bei einem Thema noch mehr in die Tiefe gehen zu können als zum Beispiel in einem TV-Beitrag oder in einer TV-Anmoderation.

Der Podcast wirbt mit dem Slogan "Die News, Dein Durchblick". Es geht auch darum, wie Schlagzeilen entstehen. Wollen Sie mit Ihrem Podcast den allgemeinen Lügenpresse-Vorwürfen den Wind aus den Segeln nehmen?

Natürlich lassen uns diese ständigen Vorwürfe nicht kalt. Aber auch ganz grundsätzlich finde ich es wichtig, transparent zu sein und zu erklären, wie man in einer Redaktion eines öffentlich-rechtlichen Senders eigentlich arbeitet. Wie der journalistische Alltag aussieht, wie das Handwerk funktioniert. Ich glaube, dass sich längst nicht alle etwas darunter vorstellen können. Genau deshalb gibt es im Podcast auch den "Blick hinter die Schlagzeilen", quasi ein "behind the scenes" unseres Redaktionsalltags.

Diesen Anspruch hat Helene Reiner an den Podcast

Wie schmal ist der Grat, einerseits Themen im "heute journal"-Sprech seriös aufzuarbeiten und andererseits unterhaltsam sein zu wollen?

Ich versuche gar nicht, mich im "heute journal"-Sprech zu artikulieren. Das würde ja bedeuten, dass ich mir eine Rolle zurechtgelegt habe. Ich rede so, wie ich rede. In allererster Linie muss das, was ich sage, verständlich sein. Podcast-Hörer sind es gewohnt, dass sich Menschen ganz normal unterhalten. Der Anspruch ist, ein natürliches Gespräch zu führen. Dass man sich dabei über ernste Themen austauscht, ist kein Widerspruch.

In der erwähnten Kirk-Folge wurde sowohl die Ermordung des US-amerikanischen Aktivisten als auch die Aftershowparty des Deutschen Fernsehpreises besprochen …

Richtig, wobei wir uns dahingehend gar nicht so sehr vom "heute journal" im Fernsehen unterscheiden. Auch da wird am Ende einer jeden Sendung ein Beitrag gezeigt, der dazu beitragen soll, dass die Leute nicht mit zu schlechten Gedanken ins Bett gehen müssen. Früher hat man dazu "Rausschmeißer" gesagt – ein Begriff, den ich persönlich nicht so gut finde. Wenn wir eine halbe Stunde über ein Attentat gesprochen haben, dann verspüren auch wir Moderatorinnen und Moderatoren den Drang, einen Moment lang durchzuschnaufen. Auch das gehört zur Transparenz.

Im Übrigen ist es nicht so, dass auf dieser Welt nur schlechte Dinge passieren. Es gibt auch schöne Ereignisse und Geschichten, die in der schnellen und strengen Aufmerksamkeitsökonomie schon mal untergehen können.

Wie gehen Sie mit Social-Media-Kritik um? Ihre Kollegin Dunja Hayali hatte nach ihrer Kirk-Anmoderation im "heute-journal" wiederholt Hassnachrichten erhalten und daraufhin eine Online-Pause eingelegt …

Empfehlungen der Redaktion

Grundsätzlich finde ich es gut, dass es durch Social Media diese Verbindung zwischen dem Publikum und den Journalistinnen beziehungsweise Moderatorinnen gibt. Und natürlich müssen wir uns auch intensiv mit Kritik auseinandersetzen. Aber man muss, finde ich, schon unterscheiden: Ist jemand wirklich an einem offenen, konstruktiven Austausch interessiert? Oder gehen die Ausführungen unter die Gürtellinie? Oder sind sie – wie im Fall meiner Kollegin – sogar strafrechtlich relevant? Für Letzteres gibt es keine Entschuldigung, und das hat dann auch nichts mehr mit freier Meinungsäußerung zu tun. Ersteres nehmen wir aber sehr gerne an und greifen es auf – auch in unserem Podcast.

Über die Gesprächspartnerin

  • Helene Reiner ist eine deutsche Journalistin, Hochschul-Dozentin und DJ. Während ihrer Zeit als Programmvolontärin beim Bayerischen Rundfunk von 2016 bis 2018 entwickelte sie das digitale Nachrichtenformat "News-WG", für das sie sechs Jahre lang als Moderatorin, Autorin und "kreativer Kopf" tätig war. Seit Februar ist sie Host beim ZDF-"heute journal"-Podcast. Reiner lebt in München.