Zu Weihnachten präsentieren Das Erste und der ORF einen ambitionierten Krimi-Vierteiler mit Maximilian Brückner, Ursula Strauss und Robert Palfrader. Die komplex angelegte Geschichte eines schlimmen Fehlers, der sich zur großen Tragödie entwickelt, hebt sich wohltuend von der sonst oft so braven Fernsehkrimikost ab.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Genzel dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

"Wenn ich diesen einen Fehler nicht gemacht hätte", sagt Kommissar Hannes Bucher gleich zu Beginn als Erzähler, "dann wären ja niemals so viele Menschen gestorben ". Die Kamera fährt zurück und zeigt die zahlreichen Protagonisten der Geschichte, als anheimelndes Familienporträt gestaltet. Viel Auswahl für das angekündigte Ableben.

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Der Fehler ist leider ein schwerwiegender: Nach einem Familienfest im beschaulichen steirischen Dorf Pregau hält Bucher seine Nichte Rosa und ihren Freund Gregor auf der nächtlichen Landstraße an. Sie ist gefahren, obwohl sie als Minderjährige noch gar keinen Führerschein hat, und das obendrein betrunken. Um nicht bestraft zu werden, verführt sie ihren Onkel, der sich anfangs noch wehrt, aber dann nachgibt und sie anschließend weiterziehen lässt.

Am nächsten Tag erfährt Bucher, dass Rosa und Gregor mit dem Wagen in der Nacht verunglückt sind. Rosa ist tot, Gregor – der wütend Zeuge von Rosas sexuellen Gefälligkeiten wurde – liegt im Koma.

Ermittlungen zum Unfall beginnen, Bucher versucht seine Spuren zu verwischen. Hat der Ex-Sträfling Max Dirrmeyer auf seiner nächtlichen Fahrradtour etwas gesehen? Und wieso laden ganz unabhängig von den Geschehnissen zwei Männer heimlich eine Frauenleiche in der örtlichen Tierkörperverwertungsanstalt ab?

Ambitionierte Produktion

Der Vierteiler "Mörderisches Tal – Pregau" zeigt, wie weit sich die ARD-Produktionsfirma Degeto, die die Miniserie zusammen mit dem ORF für 6,3 Millionen Euro stemmte, mittlerweile von den einstigen Hansi-Hinterseer-Heimatfilmen und Christine-Neubauer-Schmonzetten der Vergangenheit entfernt hat. Die ambitionierte und komplexe Geschichte soll zeigen, dass unsere liebste Fernsehgattung, der Krimi, auf internationalem Niveau inszeniert werden kann.

Entsprechend namhaft fällt auch die Besetzung aus: Neben Maximilian Brückner, Ursula Strauss und Armin Rohde sind in Nebenrollen bekannte Gesichter wie Robert Palfrader, Wolfgang Böck, Karl Fischer, Patricia Aulitzky, Thomas Stipsits und Antoine Monot Jr. zu sehen. Die tödlich verunglückte Nichte Rosa wird von der österreichischen Song-Contest-Kandidatin Zoë Straub gespielt.

Die Produktion macht dabei genau das richtig, was bei "The Team" – dem letztjährigen Versuch, großes Fernsehen auf die Beine zu stellen – schiefging: Dort blieb trotz des immensen Aufwands die Geschichte eine seifenopernhafte Nullnummer, die bieder inszeniert wurde und in ihrem Europa-Ansatz keinerlei Inspiration fand. "Mörderisches Tal" dagegen findet das Besondere im vermeintlich Überschaubaren: Die Abgründe dieser österreichischen Provinz, die dank des fiktiven Ortes Pregau überall liegen könnte, liegen in all ihren Figuren.

Filmische Inszenierung

Schon die Inszenierung ist erfreulich filmisch geraten: Regisseur und Autor Nils Willbrandt, der sich schon mit den Krimis "Tod in den Bergen" und "Blutadler" empfahl, und sein Kameramann Peter Nix finden stimmungsvolle Bilder für ihre Kleinstadt-Saga, in der das Idyll immer weiter bröckelt.

Von den üblichen braven Fernseh-Bebilderungsstrategien – Schuss-Gegenschuss, Nahaufnahme emotionaler Gesichter, Schnitt auf wichtige Gegenstände, malerische Landschaften zwischendurch – ist hier keine Spur, stattdessen erkunden die beiden mit sicherem Gespür für den filmischen Raum ihre sich langsam entfaltende Geschichte.

Ganz fernsehuntypisch ist auch, wie das Skript den Nerv behält, Fragen zu den Figuren offenzuhalten und nicht jeden Part in seiner Bedeutung gleich auszubuchstabieren: Der Zusammenhang zwischen der entsorgten Frauenleiche und der Geschichte von Bucher bleibt in der ersten Folge noch völlig offen, auch die Hintergründe der Charaktere werden nur soweit angerissen, dass sie nicht plakativ werden.

Weil sich Buchers Fehler fast schicksalhaft immer enger zum intensiven Dorfdrama und einem tödlichen Familienkrieg verknotet, wird mit einer vielleicht hellseherisch begabten Tochter auch fast beiläufig ein dunkles Orakel in die Geschehnisse geworfen.

"Der Fehler", wie der erste Teil von "Mörderisches Tal – Pregau" heißt, ist ein spannender und gekonnt inszenierter Auftakt zu einer vielversprechenden Miniserie, die zeigt, dass Fernsehkrimis nicht immer aus der angestaubten Melange aus putzigem Kommissar und Abklappern aller Verdächtigen bestehen müssen. In welche Provinzabgründe die Reihe noch abtaucht, sehen wir an den folgenden drei Abenden – es dürfte sich lohnen.

Der erste Teil von "Mörderisches Tal – Pregau" läuft am 25. Dezember um 21:45 Uhr in der ARD. Die folgenden Teile laufen am 26., 27. und 28. Dezember, jeweils um 21:45 Uhr.

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