• Neben den in Deutschland bereits erhältlichen Impfstoffen wird an weiteren Vakzinen geforscht, die auf klassische Weise wirken.
  • Der US-Pharmakonzern Novavax hat nun für seinen Corona-Impfstoff eine Marktzulassung in der Europäischen Union beantragt.
  • Wir erklären, wie diese klassischen Impfstoffe funktionieren und wo die Unterschiede zu mRNA- und Vektorimpfstoffen liegen.

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Wer sich in Deutschland gegen das Coronavirus impfen lassen möchte, hat aktuell die Wahl zwischen den mRNA-Impfstoffen von Biontech und Moderna und den Vektorimpfstoffen von Astrazeneca und Johnson & Johnson. Manche Menschen sind allerdings skeptisch, weil es sich dabei um eine neue Art von Impfstoffen handelt.

Auch wenn die Impfstoffe vor der Zulassung gründlich geprüft worden sind, fürchten sie zum Beispiel, wie der Fußballprofi Joshua Kimmich etwa, dass Langzeitwirkungen noch nicht ausreichend bekannt sein könnten.

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Geforscht wird parallel auch an COVID-Impfstoffen, die auf klassische Weise wirken, also ähnlich wie zum Beispiel der Tetanus-Impfstoff, der vor Wundstarrkrampf schützt. Der US-Pharmakonzern Novavax hat nun für seinen Corona-Impfstoff eine Marktzulassung in der Europäischen Union beantragt. Die in Amsterdam ansässige EU-Arzneimittelbehörde (EMA) teilte am Mittwoch (17. November) mit, sie habe bereits mit der Prüfung begonnen und werde aufgrund eines beschleunigten Verfahrens voraussichtlich schon in "einigen Wochen" eine Entscheidung bekanntgeben. Auch der französische Konzern Valneva forscht an einem Corona-Impfstoff.

Doch wie funktionieren diese "klassischen" Impfstoffe und wie unterscheiden sie sich von den mRNA- und Vektorimpfstoffen?

Wie funktionieren Impfstoffe eigentlich im Körper?

Wie genau ein Impfstoff im Körper wirkt, hängt davon ab, um welche Art von Impfstoff es sich handelt. "Das Ziel ist es immer, dem menschlichen Immunsystem die Möglichkeit zu geben, einen Krankheitserreger identifizieren und bekämpfen zu können", sagt Diplom-Biologe Sven Siebert, Autor des Buches "Warum Impfen Leben rettet – Alles, was wir jetzt wissen müssen".

"Im Prinzip passiert bei einer Impfung das Gleiche wie bei einer Infektion – mit dem enormen Vorteil, dass keine Krankheit ausgelöst wird", sagt der Experte. Wenn es später dann zu einem Kontakt mit dem echten Erreger kommt, stehen Antikörper und Zellen des Immunsystems schon bereit und die Krankheit bricht nicht aus oder hat einen weniger schweren Verlauf.

Wo liegt der Unterschied zwischen "klassischen" Impfstoffen und mRNA- und Vektorimpfstoffen?

Bei den Impfstoffen, an denen Valneva und Novavax forschen, handelt es sich um sogenannte Totimpfstoffe. Diese Impfstoffe enthalten abgeschwächte oder abgetötete Erreger oder Teile eines Erregers. "Solche Impfstoffe werden aus den Viren oder Bakterien gewonnen, die die Krankheit auslösen, die man verhindern will", sagt Siebert – bei den COVID-Impfstoffen von Valneva und Novavax also aus dem Coronavirus.

In mRNA- und auch in Vektorimpfstoffen wird dagegen nur Erbsubstanz der Erreger eingesetzt. "Sie bringt den Körper dazu, selbst Bestandteile der Viren zu produzieren, die das Immunsystem dann als fremd erkennt", sagt der Experte. Der Körper stellt bei diesen Impfstoffen also selbst das Protein her, gegen das sich die Immunabwehr dann richtet – bei Totimpfstoffen wird diese Phase übersprungen.

Wo liegen im Vergleich die Vor- und Nachteile?

Wie wirksam und verträglich ein Impfstoff ist, hängt weniger von seinem Typ, sondern vielmehr vom einzelnen Impfstoff ab. So gibt es zum Beispiel zwischen den mRNA-Impfstoffen große Unterschiede. "Beispielsweise ist der Impfstoff von Biontech deutlich wirksamer als der von Curevac", sagt Siebert.

Impfstoffe, die auf der mRNA-Technologie beruhen, haben einen großen Vorteil. "Sie lassen sich schnell und in großem Maßstab entwickeln und produzieren", sagt der Experte. Bei Bedarf lassen sie sich auch schnell an eventuelle Virus-Varianten anpassen. Sie sind aber auch anspruchsvoll in der Aufbewahrung. "Totimpfstoffe hingegen müssen meist nicht so stark gekühlt werden und sind insgesamt weniger empfindlich."

Mit den mRNA-Impfstoffen verbindet sich laut Siebert zudem auch die Hoffnung, Impfstoffe gegen die Erreger künftiger Pandemien entwickeln zu können. Zudem gibt es viele längst bekannte Krankheiten, unter denen weltweit Milliarden von Menschen leiden, gegen die aber bislang wirksame Impfstoffe fehlen. "Dabei geht es zum Beispiel um die sogenannten vernachlässigten Tropenkrankheiten", sagt Siebert. "Aber auch in der Krebstherapie könnten mRNA-Impfstoffe einen großen Fortschritt bringen."

Was ist jeweils über Nebenwirkungen bekannt und inwiefern unterscheiden sie sich je nach Art des Impfstoffs?

Das lässt sich laut Siebert nicht verallgemeinern. Wichtig ist der grundsätzliche Unterschied zwischen einer Impfreaktion und einer Impfkomplikation. "Eine mögliche Impfreaktion ist unangenehm, aber in aller Regel vorübergehend und harmlos", sagt der Experte. Sie entsteht, weil das Immunsystem auf die Impfung reagiert und entsprechende Abwehrstoffe produziert – was ja grundsätzlich auch Sinn der Impfung ist. Bei solchen Reaktionen kann es sich zum Beispiel um eine Rötung an der Einstichstelle oder um Fieber handeln.

"Ernste Impfkomplikationen wiederum können anhaltende Gesundheitsschäden zur Folge haben", sagt Siebert. Welche Impfreaktionen es gibt und ob möglicherweise ernste Impfkomplikationen auftreten können, wird bei der Zulassung eines jeden Impfstoffs genau untersucht, unabhängig vom Typ des Impfstoffs. "Und das wird auch nach einer Zulassung weiter unabhängig überwacht", sagt Siebert: "Entscheidend ist, dass der Nutzen einer Impfung das mögliche Risiko deutlich überwiegt. Bei allen bei uns zugelassenen und empfohlenen Impfstoffen ist das der Fall."

Bieten Totimpfstoffe eventuell eine Möglichkeit, um impfskeptische Menschen umzustimmen?

Aktuell gelten in Deutschland rund 67,6 Prozent der Menschen als geimpft (Stand: 17. November). Um das Coronavirus wirksam einzudämmen und auch die Menschen zu schützen, die sich nicht impfen lassen können, gilt eine Impfquote von 85 Prozent als notwendig. Impfstoffe, die auf klassischen Technologien beruhen, könnten den Vorteil bieten, Menschen zu einer Impfung zu bewegen, die gegenüber mRNA- und Vektorimpfstoffen skeptisch sind.

"Ich halte es allerdings für falsch, jetzt auf einen irgendwann zugelassenen Totimpfstoff zu warten und sich und das eigene Umfeld so lange dem Risiko einer COVID-Infektion auszusetzen", sagt Siebert. Er rät dazu, jetzt die vorhandenen und geprüften Impfstoffe zu nutzen.

Über den Experten: Sven Siebert ist Diplom-Biologe und gemeinsam mit Thomas Schmitz Autor des Buches "Warum Impfen Leben rettet - Alles, was wir jetzt wissen müssen" (HarperCollins).

Verwendete Quellen:

  • Pharmaceutical Technology: "Analysis: Q&A with Valneva: UK Government scales up COVID-19 manufacturing"
  • Pharmazeutische Zeitung: "Erster Ganzvirus-Impfstoff gegen COVID-19 wird geprüft"
  • EU-Kommission: "Corona-Virus: Kommission schließt Sondierungsgespräche mit Valneva zur Sicherung eines neuen potenziellen Impfstoffs ab"
  • U.S. National Library of Medicine: Study To Compare The Immunogenicity Against COVID-19, Of VLA2001 Vaccine To AZD1222 Vaccine (COV-COMPARE)
  • Novavax: Novavax Publishes Results of United Kingdom Phase 3 Clinical Trial in New England Journal of Medicine, Demonstrating High Levels of Efficacy of COVID-19 Vaccine
  • Our World in Data: Statistics and Research: Coronavirus (COVID-19) Vaccinations
  • Bundesministerium für Gesundheit: Zusammen für Corona
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