Merz und Trump sind das erste Mal aufeinandergetroffen. Der Eklat wie bei anderen Staatsbesuchen blieb diesmal im Oval Office aus. Ein Punktsieg für Merz?

Ein Interview

Entspannter Start statt Eklat: Der erste Besuch von Bundeskanzler Friedrich Merz bei US-Präsident Donald Trump verlief ohne Zwischenfälle. Trump sparte nicht mit Lob für seinen Gast und Deutschland. Beim Thema Ukraine traten zwar Differenzen zutage, doch Merz zeigte sich dennoch "außerordentlich zufrieden" mit dem Treffen – dieser Sichtweise schließt sich Experte Martin Thunert im Gespräch mit unserer Redaktion an.

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Ein Interview darüber, weshalb Trump kein Interesse an einem Eklat hatte, was Thunert an Merz erkennbar beeindruckt und welche Botschaften die wichtigsten waren.

Friedrich Merz hat seinen Antrittsbesuch bei Trump absolviert. Einen Eklat gab es nicht. Ist das die wichtigste Botschaft des Besuchs?

Martin Thunert: Nein, denn es gab auch keinen Eklat bei den Antrittsbesuchen der Premiers aus Großbritannien und Kanada, auch nicht beim norwegischen Ministerpräsidenten. Eklats gab es nur zwei, bei dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj und beim südafrikanischen Präsidenten Ramaphosa.

Trump war erkennbar froh, es mit einem deutschen Kanzler zu tun zu haben, der nicht Angela Merkel hieß und kein Biden-Fan war wie Scholz. Deshalb hatte Trump kein Interesse an einem Eklat.

Anders gefragt: Ist Merz der Antrittsbesuch gelungen?

Ja, weil es Merz von der ersten Minute an gelang, einen Gesprächskanal auf freundlicher Basis zu Trump herzustellen, was Angela Merkel in vier Jahren nicht gelang.

Woran lang das?

Merz hat erkannt, dass diese Inszenierungen im Oval Office Teil einer Trump-Show sind und sich entsprechend zuhörend verhalten. Er dürfte trotz sehr kurzer Redezeit insbesondere durch sein sehr gutes Englisch einen Ansehensgewinn nicht nur in den USA, sondern auch bei anderen europäischen Regierungen erzielt haben.

Das ist eine sehr gute Ausgangslage für den deutschen Kanzler angesichts der noch in diesem Monat stattfindenden Gipfeltreffen der G7 in Kanada und der Nato in den Niederlanden.

"Merz hat dann offen zugegeben, dass der Nordstream-2-Bau falsch war"

Der Politikwissenschaftler über Merz Reaktion zu Trumps Kritik.

Trump hat Kritik an Nordstream 2 und der Migration in Deutschland geübt. Hat Merz darauf richtig reagiert?

Trump hat nicht Deutschland insgesamt kritisiert, sondern zwei Entscheidungen der Regierung Merkel-Steinmeier bezüglich der Öffnung der deutschen Grenzen für Flüchtende im Spätsommer 2015 und den Bau der Nordstream 2 Pipeline, die nach den ersten Aggressionen Russlands gegen die Ukraine 2014 getroffen wurde.

Merz hat dann offen zugegeben, dass der Nordstream-2-Bau falsch war und über die andere Entscheidung dürfte er heute ähnlich denken. Warum sollte er an dieser Stelle also widersprechen? Trump hat keine Entscheidung kritisiert, für die Merz verantwortlich war oder die er offen mitgetragen hat.

Merz war zuvor gewarnt worden, Trump nur Honig ums Maul zu schmieren – hätte er selbst auch Kritik an den USA üben müssen?

Es wäre für Friedrich Merz kniffliger geworden, wenn die anwesenden JD Vance oder Marco Rubio selbst noch einmal die Themen Meinungsfreiheit beziehungsweise AfD-Beobachtung durch den Verfassungsschutz angesprochen hätten, was sie aber nicht getan haben.

Merz wäre auch darauf vorbereitet gewesen, aber es war sicher klug, es nicht von sich aus in diesem Kontext anzusprechen, denn es ging bei diesem Antrittsbesuch nicht um die Klärung von einzelnen Sachfragen, sondern um die Herstellung eines direkten Gesprächskanals zwischen dem Bundeskanzleramt und dem Weißen Haus.

Als es um Handelsabkommen ging, sagte Trump über Merz: "Ich denke, er ist schwierig". Was meint er damit?

Über die Handelsfragen wurde offenbar während des nicht-öffentlichen Teils gesprochen. Handelsthemen sind in der EU vergemeinschaftet und Verhandlungen werden ausschließlich von Brüssel aus geführt. Hier musste Merz den Eindruck gegenüber anderen EU-Mitgliedsstaaten vermeiden, dass sich Deutschland auf bilaterale Deals mit den USA einlassen würde.

Zeugt so eine Aussage auch von Respekt von Trump vor Merz?

Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Trump Merz weniger ernst nimmt als die Regierungschefs anderer europäischer Staaten. Ich denke, dass es Trump erkennbar beeindruckt, dass Merz kein reiner Berufspolitiker ist, sondern eine längere Karriere in der Wirtschaft mit deutlichem US-Bezug hinter sich hat.

Unterstützung der Ukraine

Welche Erkenntnisse nehmen Sie in Bezug auf den Ukraine-Krieg mit?

Merz hat versucht, Trump an die heutige Verantwortung der USA zu erinnern: Die Ukraine weiterhin militärisch zu unterstützen, um eine bessere Ausgangslage des angegriffenen Landes bei Friedensverhandlungen zu erreichen. Er hat das durch ein Beispiel aus der Vergangenheit getan: Die amerikanische Entscheidung, am 6. Juni 1944 die Invasion des europäischen Kontinents durch die alliierten Truppen anzuführen.

Und kam das bei Trump an?

Ich habe nicht den Eindruck, dass er mit diesem Appell heute bei Trump voll durchgedrungen ist. Die Trump-Administration will den Krieg und das Töten zwar beenden, aber egal auf welche Weise. Sie würde zur Not wohl auch einen für die Ukraine nachteilig ausfallenden Waffenstillstand akzeptieren.

Daher setzte Merz nach dem Termin im Weißen Haus auch auf Gespräche mit US-Senatoren, da sich im US-Senat eine große parteiübergreifende Mehrheit für ein neues Sanktionspaket gegen Russland abzeichnet, die so groß sein könnte, dass sie ein mögliches Veto des Präsidenten überstimmen würde.

Also erstmal keine ermutigenden Botschaften für die Ukraine aus dem Weißen Haus?

Stand jetzt scheint es jedenfalls undenkbar, dass sich US-Truppen im Falle eines Waffenstillstands an der Sicherung des Waffenstillstands beteiligen würden, jedenfalls nicht, solange Donald Trump der Oberbefehlshaber ist.

Der Ukraine-Krieg ist Trump und größeren Teilen der US-Bevölkerung einfach nur lästig, sie wollen einfach, dass er aufhört, egal wie. Merz wird noch mehr dafür aufwenden müssen, um die Trump-Administration davon zu überzeugen, dass ein für die Ukraine akzeptabler Friede nur durch verantwortungsvolles Handeln der US-Regierung möglich sein wird.

Trauen Sie Merz das zu?

Als langjähriger Chef der Atlantik-Brücke weiß Merz zumindest, an welchen Stellen und Hebeln er dazu in den USA ansetzen muss und welche Narrative er bedienen muss. Allerdings beurteile ich die Chancen, dass Trump seine grundlegenden Auffassungen zu diesem Krieg wirklich ändern wird, um die Ukraine tatkräftig zu unterstützen, für eher gering.

Trump strebt nach eigenen Angaben eine "großartige Beziehung" zu Deutschland an. Zuletzt hieß es immer wieder, auf die USA sei kein Verlass mehr, wir müssten unabhängiger von den USA werden. Hat sich nach dem Besuch von Merz daran etwas geändert?

Wenn mit "Verlass" gemeint ist, dass die USA auch weiterhin bereit sind, bei von ihnen als europäische Kriege eingeschätzten Konflikten wie dem Ukraine-Krieg, die Kastanien aus dem Feuer zu holen und militärisch mehr aufzuwenden als europäische Staaten, dann ist die Verlässlichkeit weg.

Das heißt aber nicht, dass die Amerikaner unter Trump überhaupt nicht mehr bereit sein werden, in Europa an einer Politik der Abschreckung durch militärische Stärke teilzunehmen, wenn sie sehen, dass sich die Europäer selbst deutlich stärker engagieren und dass die Europäer anderseits auch die amerikanischen Prioritäten etwa im Indo-Pazifik respektieren.

Was heißt das auf Deutschland gemünzt?

Zum Beispiel, dass wir uns mittelfristig entscheiden müssen, wie wir uns wirtschaftlich und politisch gegenüber China positionieren. Aus US-Sicht ist der Ukraine-Krieg nicht die entscheidende geopolitische Frage der nächsten Jahrzehnte.

Auch Erwartungen, wonach die USA am Freihandel in der alten Form festhalten, dürften sich ebenfalls nicht erfüllen. Dies war auch schon unter Biden der Fall. Die Musik für die US-Amerikaner spielt schon jetzt deutlich mehr im Indo-Pazifik als in Europa.

Die Rolle Deutschlands

Werden Europa und Deutschland damit bedeutungslos?

Nein, Trump war gestern auch deshalb so gut gelaunt, weil er vor dem Treffen mit Friedrich Merz ein langes Telefonat mit dem chinesischen Präsidenten hatte, das nach Trumps Auffassung sehr gut lief. Im Oval Office nannte Trump dann Xi und Merz in einem Atemzug als "world leader".

Dies täte er nicht, wenn er Merz für einen Nebendarsteller und Deutschland für ein unwichtiges Land halten würde. Vielleicht sind die transatlantischen Beziehungen doch nicht so schlecht, wie sie manchmal scheinen.

Merz sagte im Nachgang: "Wir haben heute ein Fundament gelegt für sehr gute persönliche, aber auch politisch zielführende Gespräche." Worin müsste sich das in Zukunft zeigen?

Wir werden bei den anstehenden Gipfeltreffen sehen, ob sich ein gutes persönliches Verhältnis zwischen Trump und Merz, aber auch zwischen Trump und Mark Carney sowie mit Keir Starmer positiv auf den Verlauf und die Resultate der Gipfeltreffen auswirken.

Danach wird es darauf ankommen, ob sich aus dem guten Auftakt zwischen Trump und Merz auch Vorteile für die EU bei den Handelsgesprächen und Zollverhandlungen ergeben.

Nehmen Sie noch etwas mit vom Antrittsbesuch?

Merz wurde Zeitzeuge eines dort entstehenden und am Abend rasch eskalierenden Zwists des mächtigsten Mannes der Welt mit dem reichsten Mann der Welt. Dieser Zwist birgt für Trump enorme politische Risiken.

Warum?

Er braucht für die Verabschiedung des von Musk kritisierten Haushaltsgesetzes die Stimmen nahezu aller Senatoren und Abgeordneten der Republikanischen Partei. Außerdem droht Musk jetzt schon mit der Gründung einer neuen Partei, was das Trump-Lager spalten könnte.

Für Musk sind es in erster Linie finanzielle Risiken, da Trump seinen Firmen die extrem lukrativen Verträge mit der US-Regierung wieder entziehen könnte.

Über den Gesprächspartner:

  • Dr. Martin Thunert ist Politikwissenschaftler und Dozent am Heidelberg Center for American Studies (HCA) der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.