Das erste Jahr ihrer zweiten Amtszeit war kein leichtes für sie. In der jährlichen Rede zur Lage der EU hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch darauf zurück und auch nach vorn geblickt. Die wichtigsten Aussagen in der Ticker-Nachlese.

Das Fazit:

Welcher Eindruck bleibt? Ursula von der Leyen hat drastische Worte für die Weltlage gefunden, die den immensen Herausforderungen, vor denen Europa steht, gerecht werden. Jetzt muss sie den Worten Taten folgen lassen.

Dass die Kommission bezüglich Israel einen Alleingang wagt und alle direkten Zahlungen stoppt, ist ein Anfang. Doch für ein geeintes Vorgehen, wie es sich von der Leyen von Europa wünscht, muss sie bei den Mitgliedsstaaten noch viel werben.

Europas Verteidigungsfähigkeit spielte in von der Leyens Rede überraschenderweise kaum eine Rolle. Auch zum - aus Sicht vieler Bürgerinnen und Bürger wichtigen - Thema Asyl hatte von der Leyen nicht viel zu sagen. Akzente setzte sie, indem sie die Bedeutung des Klimaschutzes betonte, Maßnahmen gegen die Wohnungskrise ankündigte und eine Altersgrenze für soziale Medien ins Spiel brachte.

10:38 Uhr: Jetzt haben die Vorsitzenden der Fraktionen im EU-Parlament nacheinander das Wort. Die Rede der Kommissionspräsidentin zur Lage der Europäischen Union ist beendet und wir schließen unseren Liveticker.

10:29 Uhr: Von der Leyen kommt zum Schluss: "Vor 80 Jahren war unser Kontinent die Hölle auf Erden. Vor 40 Jahren war er noch durch eine Mauer geteilt." Sie kämpfe jeden Tag dafür, dass die Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte nicht zurückgedreht werden, sondern Europa eins und stark bleibt.

10:25 Uhr: Bilder von brennenden Wäldern flimmern über den Bildschirm hinter von der Leyen. Sie kündigt ein neues europäisches Zentrum für Brandbekämpfung in Zypern an. Von der Leyen berichtet von 20 griechischen Feuerwehrleuten, die im Sommer beim Brand im spanischen Asturien gemeinsam mit spanischen Kollegen ein Dorf vor dem Ausbrennen gerettet haben. Einer der Griechen ist zu Gast im Parlament – viel Applaus. "Das ist das Europa, das gemeinsam handelt. Das ist das Europa, das wir lieben."

10:22 Uhr: Wenig Neues beim Thema Migration: Der EU-Migrationspakt, den von der Leyen "streng, aber fair" nennt, müsse jetzt umgesetzt werden. Schleusern und Menschenhändlern will sie das Handwerk legen.

Vorbild Australien: Von der Leyen plant Altersgrenze für soziale Medien

10:18 Uhr: Von der Leyen spricht davon, Jugendliche besser vor sozialen Medien schützen zu wollen. "Zu meiner Zeit haben wir als Gesellschaft unseren Kindern beigebracht, dass sie bis zu einem bestimmten Alter nicht rauchen und trinken dürfen. Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir das Gleiche für die sozialen Medien tun", betonte sie. Sie schaue dabei vor allem nach Australien, wo Soziale Medien erst ab 16 Jahren erlaubt sind. Eine Kommission soll konkrete Vorschläge für Europa erarbeiten.

10:12 Uhr: Von der Leyen verbittet sich Zwischenrufe von Rechtsaußen. Gerade jetzt sollten die Parlamentarier der dort sitzenden Parteien gut zuhören, sagt sie, denn es geht um die Achtung der Rechtsstaatlichkeit. EU-Mittel müssten noch enger daran geknüpft werden. Mehr Mittel sollen in die Aufklärung von Desinformation fließen, ein neues Zentrum zu diesem Zweck soll entstehen. Wieder Zwischenrufe von Rechts. Parlamentspräsidentin Metsola greift ein, bittet um Ruhe. Die Mittel für freie und lokale Medien sollen aufgestockt werden, so von der Leyen "auch wenn Sie hier dazwischen schreien." Metsola droht einigen Abgeordneten mit Rauswurf, sollten sie nicht leise sein.

10:05 Uhr: Erwartungsgemäß verteidigt von der Leyen den von vielen Seiten kritisierten Zolldeal mit den USA: "Unsere Handelsbeziehungen zu den USA sind unsere wichtigsten. Millionen Arbeitsplätze hängen davon ab. Damit werde ich nie leichtfertig spielen." Sie ist überzeugt: "Wir haben das bestmögliche für Europa herausgeholt." Ein Handelskrieg mit den USA ist aus ihrer Sicht keine Option. Gleichzeitig müsse Europa seinen Handel mit anderen Ländern der freien Welt intensivieren – bestes Beispiel: das Merkur-Abkommen.

Kommissionspräsidentin sieht in Wohnungskrise "eine soziale Krise"

10:01 Uhr: Über die vielerorts immer weiter steigenden Mieten und Kaufpreise für Immobilien sagt die Kommissionspräsidentin: "Das ist mehr als eine Wohnungskrise. Das ist eine soziale Krise." Sie kündigt einen "ersten europäischen Plan für erschwingliches Wohnen" und einen "Wohnraumgipfel" an. Als Maßnahmen zählt sie auf: mehr staatliche Beihilfen für sozialen Wohnungsbau, weniger Vorschriften, Kurzzeitvermietung begrenzen.

09:57 Uhr: "Millionen Menschen in Europa machen sich immer noch Sorgen wegen der Rechnungen für Energie", sagt von der Leyen. Günstiger werde es nur mit sauberer Energie aus heimischen Quellen, nicht mit russischem Öl und Gas. Deshalb gelte es, in die Energieinfrastruktur und den Ausbau der erneuerbaren Energien zu investieren.

09:54 Uhr: Jetzt wirbt von der Leyen für den Green Deal, eines der zentralen Projekte aus der ersten Amtszeit. Sie zählt Erfolge auf: "Über 70 Prozent unseres Stroms kommt aus energiearmen Energiequellen; Bei Risikokapital für saubere Energien schließen wir zu den USA auf." Auf diesem Weg müsse Europa weitergehen. Auch die Länder Afrikas und Asiens seien auf der Suche nach sauberen Lösungen, das berge großes Potenzial für Europas Wirtschaft.

Von der Leyen will Druck auf Israel und Russland erhöhen

09:46 Uhr: Jetzt ein harter inhaltlicher Bruch, wie von der Leyen selbst zugibt. Neues Thema: Wettbewerbsfähigkeit. "Um Arbeitsplätze zu erhalten, müssen wir das Wirtschaften in Europa leichter machen." Maßnahmen könnten etwa ein digitaler Euro, Entbürokratisierung und ein mehrere Milliarden schwerer Fond zur Förderung von Start-ups in Zukunftsbranchen sein. In den Bereichen Finanzen, Energie und Telekommunikation müsse der Binnenmarkt weiter harmonisiert werden.

09:37 Uhr: Von der Leyen kommt auf Israels Krieg in Gaza zu sprechen. Hunger dürfe nicht als Waffe eingesetzt werden, betont sie. Viele Handlungen Israels hätten zuletzt darauf gezielt, eine Zwei-Staaten-Lösung unmöglich zu machen. Das dürfe Europa nicht zulassen und andere Staaten dazu drängen, ihren Einsatz ebenfalls zu stärken. Sie kündigt ein Maßnahmen-Paket an:

  • Die Kommission werde alle Zahlungen an Israel stoppen. Lediglich die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und das Engagement für die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem blieben unberührt
  • Dem Parlament will von der Leyen Sanktionen gegen extremistische Minister und gewalttätige Siedler vorschlagen
  • außerdem die teilweise Aussetzung des Assoziierungsabkommens im Bereich des Handels

09:34 Uhr: Die Kommissionspräsidentin wirbt für eine Erweiterung der EU. "Für die Ukraine, für Moldau, für den Westbalkan, liegt die Zukunft in der EU."

09:26 Uhr: Von der Leyen verspricht mehr Druck auf Russland, man arbeite am 19. Sanktionspaket. Gleichzeitig brauche die Ukraine mehr Unterstützung – wobei für all die Kosten nicht nur die europäischen Steuerzahler aufkommen sollen, so von der Leyen. Stattdessen will sie mit eingefrorenen russischen Vermögen arbeiten, der Ukraine ein Darlehen zur Verfügung stellen und eine Drohnen-Allianz mit der Ukraine eingehen.

09:23 Uhr: Mit Blick auf die Ereignisse von heute Nacht in Polen sagt sie: "Wir haben eine rücksichtslose und beispiellose Verletzung des polnischen und europäischen Luftraums durch mehr als zehn russische Shahid-Drohnen erlebt." Europa werde Polen in voller Solidarität beistehen.

Von der Leyen fordert "europäische Unabhängigkeit" in "neuer Weltordnung"

09:20 Uhr: Von der Leyen erzählt die Geschichte des Ukrainers Sasha, der heute mit seiner Großmutter im Parlament zu Gast ist: Sasha war elf, als sein Wohnhaus in Mariupol von Russland angegriffen wurde. Sasha sei danach von Russland ins besetzte Donezk entführt worden, er solle in Russland eine russische Mutter bekommen, habe man ihm gesagt. Doch dem Jungen gelang es, seine Großmutter anzurufen, die mit Unterstützung in die besetzen Gebiete reiste und ihn zurückholte. Wo Sashas Mutter ist, wissen die beiden laut von der Leyen nicht. Applaus und Standing Ovations aus dem Publikum. Von der Leyen kündigt einen Gipfel an, mit dem Ziel, alle von Russland verschleppten ukrainischen Kinder zurückzuholen.

09:16 Uhr: Von der Leyen sagt, sie habe überlegt, ob sie mit so drastischen Worten starten solle, aber, sie tut es: "Die Frontlinien für eine neue, auf Macht basierende Weltordnung, werden jetzt gezogen. Europa muss kämpfen." Europa brauche in dieser neuen Weltordnung jetzt mehr denn je die Freiheit und die Stärke, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, unabhängig zu agieren. Die entscheidenden Fragen aus ihrer Sicht jetzt: Hat Europa den Mut, zu kämpfen? Und kann es die nötige Geschlossenheit zeigen?

09:13 Uhr: Parlamentspräsidentin Roberta Metsola begrüßt Ursula von der Leyen und gibt ihr das Wort.

09:10 Uhr: Ursula von der Leyen betritt den Plenarsaal. Sie trägt Olivgrün – während auffallend viele Parlamentarier in Rot gekommen sind, offenbar eine Protestaktion gegen Israels Krieg im Gazastreifen.

09:00 Uhr: "State of the European Union" wird auf die Außenwand des Plenarsaals in Straßburg gebeamt. Innen füllt es sich langsam, doch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist noch nicht zu sehen. Sie wird wohl mit etwas Verzögerung starten.

Die Ausgangslage:

In ihrer ersten Amtszeit (2019-2024) hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein zentrales Projekt, das auch jenseits ihres konservativen Lagers viele Unterstützer fand: den Green Deal, der Europa bis 2050 klimaneutral machen soll. Nach der Europawahl 2024 wurde von der Leyen zwar als Kommissionspräsidentin bestätigt, getragen von Konservativen, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen. Doch die Fronten sind härter geworden, von der Leyen steht von innen und außen unter Druck:

Ihr eigenes politisches Lager versucht, den Green Deal abzuschwächen, will etwa das Verbrenner-Aus kippen. US-Präsident Donald Trump gibt nichts auf die transatlantische Freundschaft, zeigt sich mit Blick auf den Krieg in der Ukraine unberechenbar und hat die EU in einen Zolldeal gezwungen, für den von der Leyen heftige Kritik einstecken musste. Im Juli musste sie sich außerdem einem Misstrauensvotum stellen, das zwar scheiterte, sie aber dennoch belastete. In vielen Mitgliedsstaaten sind inzwischen Europafeinde an der Regierung beteiligt.

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Von der Leyen war also schon mal in einer stärkeren Position. Gelingt es ihr am Mittwoch dennoch, eine überzeugende Vision für die kommenden Monate, noch besser für den Rest ihrer Amtszeit zu formulieren? Wird sie Projekte und Initiativen ankündigen?

Die Parteien im Europaparlament etwa wünschen sich mehr Engagement zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft sowie im Kampf gegen unerwünschte Migration. Auch die Themen Ukraine-Krieg, Nahost-Konflikt, Handel und Klimaschutz dürften zur Sprache kommen. An die Rede von der Leyens schließt sich eine Plenardebatte an. Ab circa 10 Uhr sprechen die Vorsitzenden der Fraktionen im Europaparlament.