Bundeskanzler Friedrich Merz trifft am Donnerstag im Weißen Haus zum ersten Mal persönlich auf US-Präsident Donald Trump. Was ist vom Antrittsbesuch in Washington zu erwarten? Und welche Gefahren birgt er? Wir haben bei Außenpolitikern in Berlin nachgefragt.
Auch für Politiker, die schon alles gesehen haben, ist ein Besuch im Weißen Haus eine besondere Erfahrung. Jahrzehntelang versprach der Empfang in Washington harmonische Bilder aus dem legendären Oval Office. Der Gast konnte hoffen, etwas abzubekommen vom Glanz des mächtigsten Menschen der Welt.
Doch dann kam der 28. Februar 2025.
An diesem Tag war der ukrainische
Der Empfang im Weißen Haus droht seitdem zu einer heiklen Prüfung zu werden. Am heutigen Donnerstag muss
Regierungssprecher: Merz schaut mit Gelassenheit auf das Treffen
Der deutsche Bundeskanzler Merz und US-Präsident Trump kennen sich bisher nur aus Telefonaten und SMS-Kontakten. Jetzt treffen sie sich in Washington erstmals persönlich. Regierungssprecher Stefan Kornelius sah am Montag keinen Grund zu vorgezogener Panik – zumindest zeigte er sie nicht öffentlich. "Der Kanzler schaut mir großer Gelassenheit und auch Freude auf diese Begegnung."
Nach Aussage von Kornelius werden Merz und Trump am Donnerstag zunächst gemeinsam Mittag essen, dann unter vier Augen sprechen und danach gebe es eine "Pressebegegnung" im Oval Office. Eine Konstellation wie beim Selenskyj-Besuch also. "Wenn man ein bisschen Vernunft walten lässt, lässt sich da eine angenehme Atmosphäre und ein gutes Treffen zustande bringen", sagte Kornelius.
Politiker erwarten einen selbstbewussten Kanzler
Aus Sicht des CDU-Außenpolitikers Roderich Kiesewetter ist es ein "außergewöhnlich wichtiger" Antrittsbesuch. "Entscheidend wird sein, dass Friedrich Merz einen persönlichen Draht zu Donald Trump aufbaut", sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Merz wird im Gästehaus des Präsidenten übernachten. Das sieht Kiesewetter als gutes Zeichen. "Vielleicht kann er mit Trump zusammen Golf spielen oder findet etwas Ähnliches, das er mit Trump teilt."
Natürlich wird es in Washington aber in erster Linie um die große Weltpolitik und die angespannten transatlantischen Beziehungen gehen. "Bislang hält Trump wenig von Europa, sieht die EU als Fremdkörper und viele Staaten als Kostgänger. Dafür hat Merz die passenden Daten und Fakten auf Lager", sagt Kieswetter. Er könne auf die gestiegenen Investitionen in die Verteidigung verweisen – und auf das Ziel, in Zukunft noch mehr, nämlich fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts, für Verteidigung und zivile Sicherheit auszugeben. "Dieses Ziel kann ihm in Amerika die erste Tür öffnen", hofft Kiesewetter.
"Der Bundeskanzler kann selbstbewusst nach Washington reisen."
Ähnlich sieht das der SPD-Bundestagsabgeordnete Metin Hakverdi. Er ist auch Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung und Mitglied im Vorstand des Vereins Atlantik-Brücke, dessen Mitglieder sich seit 1952 für eine enge Partnerschaft mit den USA einsetzen. "Der Bundeskanzler kann selbstbewusst nach Washington reisen", sagt Hakverdi unserer Redaktion. "Donald Trump möchte, dass die Nato-Mitglieder wertvolle Verbündete sind." Dafür habe Deutschland viel getan, unter anderem das Grundgesetz geändert, um höhere Verteidigungsausgaben zu ermöglichen. "Damit besteht eine gute Grundlage, auf der wir kooperieren können, auch mit Präsident Trump."
Die Liste der Konfliktthemen ist lang. Europas Regierungen drängen auf eine weitere militärische Unterstützung der Ukraine – Trump dagegen hat sie zurückgefahren und geht auf Russland zu. Seine Verbündeten hat er nicht nur mit massiven Zöllen verstört, sondern auch mit Drohungen, sich Kanada oder das offiziell zu Dänemark gehörende Grönland.
"Friedrich Merz sollte als guter Demokrat auch nicht schweigen zu den jüngsten Angriffen auf Justiz, Medien und Gesellschaft."
Aus Sicht der Grünen-Bundestagsabgeordneten Agnieszka Brugger verbindet die Gesellschaften auf beiden Seiten des Atlantiks trotzdem immer noch vieles. "Die Trump-Administration ignoriert sehr oft, wie sehr die Sicherheitspolitik in Europa mit der im Indopazifik und damit einer der wichtigsten Interessen der USA zusammenhängt", teilt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende mit.
Auch sie findet daher, der Kanzler müsse in Washington selbstbewusst auftreten. "Wer glaubt, es sei eine kluge Strategie, mit Unterwürfigkeit Donald Trump schmeicheln zu wollen oder sich von ihm erpressen lässt, wird das schnell bereuen. Friedrich Merz sollte als guter Demokrat auch nicht schweigen zu den jüngsten Angriffen auf Justiz, Medien und Gesellschaft."
Ukraine im Mittelpunkt
Der Kanzler hat am Anfang dieser Woche in Berlin einen Mann getroffen, der ihm womöglich Tipps für den Umgang mit dem Mann im Weißen Haus geben konnte: den republikanischen US-Senator Lindsey Graham. Der ist eine schillernde Person, die beim Thema Ukraine sozusagen zwischen den Stühlen sitzt. Graham sieht Putin als den Schuldigen und hat im Senat harte Sanktionen gegen Russland vorbereitet. Gleichzeitig hat er aber einen guten Draht zu Trump.
Wann wäre der Antrittsbesuch ein Erfolg? SPD-Politiker Hakverdi findet: "Man darf von dem Treffen nicht zu viel erwarten, dafür ist der US-Präsident zu unberechenbar." Im Mittelpunkt wird aus seiner Sicht die Ukraine-Politik stehen. Deutschland müsse klarmachen, dass es im Verbund mit anderen Staaten bereit ist, die Ukraine weiter zu unterstützen und selbst mehr Verantwortung zu übernehmen. "Im besten Fall kann man Präsident Trump für eine gemeinsame Friedensinitiative für die Ukraine gewinnen."
CDU-Politiker Kiesewetter hat etwas höhere Erwartungen. "Es wäre hilfreich, wenn Merz Trump überzeugen kann, die militärische Unterstützung für die Ukraine wieder aufzunehmen", sagt er. Ein Weg dorthin könne auch so aussehen, dass die Europäer die benötigten Waffensysteme von den USA kaufen und sie dann an die Ukraine weitergeben. "Damit wäre die US-Industrie gestärkt – und es würden keine Kosten für die Amerikaner entstehen."
Verwendete Quellen
- Gespräch mit Roderich Kiesewetter
- Stellungnahmen von Agnieszka Brugger und Metin Hakverdi
- Regierungs-PK in der Bundespressekonferenz am Montag, 2. Juni 2025