Der eskalierte Konflikt zwischen Israel und der Hamas jährt sich diese Woche ein zweites Mal. Doch jetzt sieht es so aus, als könnten sich die beiden Parteien annähern. Findet der Krieg in Gaza bald ein Ende?

Am Dienstag jährt sich der Hamas-Großangriff auf Israel vom 7. Oktober 2023 zum zweiten Mal. Als Reaktion darauf geht Israel seitdem massiv militärisch im Gazastreifen vor. Zehntausende Menschen wurden im Gaza-Krieg getötet. Die radikalislamische Hamas hält noch immer 47 Geiseln in ihrer Gewalt. Die humanitäre Lage in dem Palästinensergebiet ist katastrophal. Erstmals seit Monaten konkretisiert sich die Hoffnung auf eine Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln im Zuge eines Friedensplans von US-Präsident Donald Trump: In Ägypten wollen am Montag Vertreter Israels und der Hamas erneut verhandeln.

Angriff der Hamas vor zwei Jahren

Im Morgengrauen des 7. Oktober 2023 wurden tausende Raketen auf Israel abgefeuert, mehr als tausend Hamas-Kämpfer stürmten mit Motorrädern und Pick-up-Trucks über die Grenze. Mindestens 1.219 Menschen, die meisten von ihnen Zivilisten, wurden bei den Angriffen auf mehrere Ortschaften und das Nova-Musikfestival getötet.

Die Angreifer verschleppten 251 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen, manche von ihnen sind zu diesem Zeitpunkt bereits tot. Es war der folgenreichste Angriff in Israel seit der Staatsgründung. Die israelische Armee und der Geheimdienst Schin Bet räumten später ihr Versagen ein.

Zwei Jahre Bangen um die Geiseln

141 der von der Hamas in den Gazastreifen entführten Geiseln – darunter acht Leichen – wurden während einer Waffenruhe im November 2023 und einer weiteren Feuerpause Anfang 2025 freigelassen. Im Gegenzug ließ Israel mehr als 2.000 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen frei. Einige Geiseln wurden außerdem im Laufe des Krieges von der israelischen Armee in ihre Heimat zurückgebracht, einige von ihnen konnten nur noch tot geborgen werden.

47 Geiseln, unter ihnen auch mehrere deutsch-israelische Doppelstaatler, befinden sich weiterhin in der Gewalt der Hamas. Mindestens 25 von ihnen sind nach Angaben der israelischen Armee bereits tot.

Die Kinder Kfir und Ariel Bibas, die im Alter von achteinhalb Monaten und vier Jahren verschleppt worden waren, wurden in Israel zu einem Symbol für den brutalen Angriff der Hamas. Die beiden Jungen und ihre deutsch-israelische Mutter Shiri Bibas wurden während ihrer Geiselhaft im Gazastreifen getötet. Bibas Mann Jarden, der getrennt von seiner Familie entführt worden war, kam am 1. Februar frei.

Das sind die deutschen Geiseln

Alon Ohel: Der junge Musiker aus dem Ort Lavon in Nordisrael besuchte am 7. Oktober 2023 zusammen mit seinen Freunden das Nova-Musikfestival, als er von den Islamisten in den Gazastreifen verschleppt wurde. Der Pianist war am Tag seiner Entführung 22 Jahre alt. Die Großmutter des mittlerweile 24-Jährigen stammt aus Berlin und hat den Holocaust überlebt. Im September hatte die Hamas kurz hintereinander zwei Propagandavideos von Alon Ohel veröffentlicht. Seiner Mutter Idit Ohel zufolge ist ihr Sohn seit seiner Entführung in Ketten gelegt und droht zu erblinden.

Rom Braslavski: Der 19-Jährige arbeitete als Sicherheitsmitarbeiter, als er bei dem Hamas-Überfall auf das Nova-Musikfestival verschleppt wurde. Dem jungen Mann aus Jerusalem gelang es, mehrere Menschen in Sicherheit zu bringen, bevor er selbst verletzt und entführt wurde. Ein im August veröffentlichtes Hamas-Propagandavideo löste in Israel und international Entsetzen aus: In der Aufnahme ist der mittlerweile 21-Jährige in einem Hamas-Tunnel zu sehen, wie er unter Tränen um seine Freiheit fleht. Nach Einschätzung von Experten ist Braslavski schwer untergewichtig und hochgradig gefährdet.

Itay Chen: Am Tag der Hamas-Angriffe war Itay Chen mit anderen Soldaten in einem Panzer, um die von der Hamas angegriffenen Orte zu verteidigen. Seitdem fehlt von dem damals 19-Jährigen jede Spur. Trotz anderslautender Geheimdienstinformationen glauben die Eltern Ruby und Chagit Chen fest daran, dass ihr Kind, das mittlere von insgesamt drei Geschwistern, lebt. Im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP beschrieben die Eltern ihren Sohn im August als einen "klugen, begabten Jungen, der gerne singt und tanzt". Er habe auch eine Freundin, "die ihn liebt und auf ihn wartet". Itay Chens Großeltern haben den Holocaust überlebt; seine Großmutter stammt aus Bad Reichenhall. Aus Ruby Chens Sicht sollte es "strafrechtliche Konsequenzen haben, deutsche Bürger zu entführen".

Tamir Nimrodi: Von dem 20-jährigen Tamir Nimrodi gibt es seit dem 7. Oktober 2023 kein einziges Lebenszeichen. Als er von den Islamisten in den frühen Morgenstunden im Schlafanzug aus der Armeekaserne verschleppt wurde, war der damals 18-Jährige als Soldat an der Grenze zum Gazastreifen stationiert. Wie die Angehörigen der anderen deutschen Geiseln hat auch Tamirs Vater Alon Nimrodi bei Besuchen in Deutschland mehrfach an die Bundesregierung appelliert, mehr Druck auf die Vermittler auszuüben, um die Geiseln freizubekommen.

Tamir Adar: Der Sozialarbeiter Tamir Adar aus dem Kibbuz Nir Oz wurde am 7. Oktober 2023 getötet, sein Leichnam wird von der Hamas im Gazastreifen festgehalten. Der Vater zweier Kinder verteidigte seinen Kibbuz am Tag des Überfalls gegen die Islamisten. Auch seine 85-jährige Großmutter Jaffa Adar wurde an dem Tag entführt und im November 2023 im Zuge eines Abkommens freigelassen. Die Familie will die Leiche des 38-jährigen Familienvaters endlich nach Hause bringen, um sich von ihm zu verabschieden.

Gali und Ziv Berman: Gali Berman wurde am 7. Oktober aus seiner Wohnung im Jugendviertel in Kfar Aza entführt, nachdem die Islamisten den Kibbuz im Süden Israels überrannt hatten. Der damals 26-Jährige wurde zusammen mit seinem Zwillingsbruder Ziv Berman verschleppt. Beide Brüder sind begeisterte Fußballfans, ihr Herz schlägt sowohl für den israelischen Verein Maccabi Tel Aviv als auch für den Bundesligisten Borussia Dortmund. Die Angehörigen und Freunde hoffen inständig, dass die Brüder noch am Leben sind.

Gaza und die humanitäre Katastrophe

Israels Luft- und Bodenoffensive, deren erklärtes Ziel die Vernichtung der Hamas ist, führte zu massiven Zerstörungen im Gazastreifen. Nach nicht unabhängig überprüfbaren Angaben der Hamas-Behörden wurden mehr als 66.000 Palästinenser getötet. Der UNO zufolge wurden fast 80 Prozent der Gebäude im Gazastreifen beschädigt oder zerstört, darunter Krankenhäuser und Schulen. Die meisten Einwohner wurden durch die Kämpfe vertrieben, viele von ihnen sogar mehrfach.

Humanitäre Hilfe kommt nur spärlich an. Im August erklärte die UNO, dass in Teilen des Gazastreifens eine Hungersnot herrsche. Israel wies die Angaben zurück und warf der Hamas vor, Hilfslieferungen zu plündern. Mitte September warf eine von der UNO eingesetzte Kommission Israel vor, im Gazastreifen einen "Völkermord" zu begehen. Die israelische Regierung nannte den Untersuchungsbericht "verzerrt und falsch".

Die Hamas und ihre Verbündeten

Die Hamas wird von weiteren mit dem Iran verbündeten Gruppen in der Region unterstützt. Mit regelmäßigen Raketenangriffen aus dem Libanon hatte die Hisbollah-Miliz unmittelbar nach dem Beginn des Gaza-Kriegs eine zweite Front gegen Israel eröffnet. Im November 2024 trat eine fragile Waffenruhe in Kraft.

Die Huthi-Miliz im Jemen greift Israel seit Beginn des Gaza-Kriegs ebenfalls regelmäßig mit Raketen und Drohnen an. Im November 2023 begannen die Huthis zudem damit, im Roten Meer und im Golf von Aden Handelsschiffe mit angeblichem Bezug zu Israel anzugreifen. Die israelische Armee reagiert auf den Beschuss mit Angriffen auf militärische Stellungen der Miliz im Jemen.

Im Juni griff Israel außerdem den Iran mit dem erklärten Ziel an, Teheran vom Bau einer Atombombe abzuhalten. Die USA griffen an der Seite Israels in den Krieg ein und bombardierten mehrere Atomanlagen im Iran. Nach zwölf Tagen Krieg trat eine Waffenruhe zwischen Israel und dem Iran in Kraft. Der Iran hatte Israel seinerseits zweimal im Jahr 2024 angegriffen.

Israels Isolation

Wegen der Situation der Zivilbevölkerung im Gazastreifen hat Israels Ansehen weltweit gelitten. Auch viele westliche Partner gingen zuletzt auf Distanz zu Israels Regierung. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte jüngst angeordnet, dass vorerst keine Ausfuhren von Rüstungsgütern nach Israel mehr genehmigt werden, die im Gaza-Krieg verwendet werden können. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte zuletzt, dass nichts den anhaltenden Krieg rechtfertigen könne.

Mehrere wichtige westliche Länder, darunter Großbritannien und Frankreich, erkannten im September einen palästinensischen Staat an. Der symbolische Schritt markiert eine Positionsänderung im Nahostkonflikt. Israels Regierung ist gegen die Gründung eines unabhängigen Staates Palästina, weil sie darin eine Bedrohung der israelischen Existenz sieht.

In der Kunstszene, bei Sportwettbewerben und in der Wissenschaft gibt es Boykottaufrufe gegen Israel. Die Auswirkungen des Gaza-Kriegs spüren auch Jüdinnen und Juden weltweit – antisemitische Anfeindungen und Übergriffe haben seit Kriegsbeginn drastisch zugenommen.

Gesellschaft ist gespalten

Der Gaza-Krieg, der längste in der Geschichte des Staates Israel, spaltet die israelische Gesellschaft. Eine überwiegende Mehrheit der Bevölkerung will aktuellen Umfragen zufolge ein Ende der Kämpfe. Immer wieder gibt es Großdemonstrationen für ein Gaza-Abkommen. Viele Israelis sind zermürbt von der Gewalt und haben den Eindruck, dass die politische Führung den Krieg aus eigenen Interessen weiterführt.

Aber längst nicht alle Israelis haben Verständnis für die Massenproteste, die sich häufig auch gegen die Regierung richten. Sie finden, dass die Hamas vollständig zerschlagen und der Krieg deshalb fortgesetzt werden muss.

Auch rechtsextreme Koalitionspartner von Netanjahu sehen das so. Sie pochen zudem auf eine Annexion und Wiederbesiedlung des Küstenstreifens, aus dem sich Israel vor 20 Jahren zurückgezogen hat. Selbst der Tod der noch lebenden 20 Geiseln sei ein Preis, den die Hardliner bereit seien zu zahlen, sagt Ilana Schpaizman, Dozentin am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Bar Ilan bei Tel Aviv.

Trumps Friedensplan schließt eine Annexion des Gazastreifens durch Israel allerdings aus – Rechtsextreme in Netanjahus Regierung hatten daher auf ein Nein der Hamas zu dem Plan gehofft.

Neue Gaza-Offensive und Verhandlungen in Ägypten

Mitte September begann die israelische Armee eine Bodenoffensive in der Stadt Gaza. Nach Angaben der israelischen Armee ist die Stadt die letzte große Hamas-Bastion im Gazastreifen. Der Einsatz stößt international und im Inland auf Kritik. Die Bundesregierung hatte nach der angekündigten Ausweitung des israelischen Militäreinsatzes im August eine Beschränkung der Rüstungsexporte nach Israel verkündet.

Kurz vor dem zweiten Jahrestag des Hamas-Überfalls richten sich am Montag hoffnungsvolle Blicke nach Ägypten: Im dortigen Badeort Scharm el-Scheich wollen Vertreter Israels und der Hamas in indirekten Gesprächen über eine Übergabe aller Geiseln sowie eine Waffenruhe im Gazastreifen verhandeln. US-Präsident Donald Trump drängte vorab zur Eile, damit sein Nahost-Friedensplan tatsächlich umgesetzt werden kann.

Trump zufolge wollen die technischen Verhandlungsteams am Montag erneut in Ägypten beraten, "um die letzten Details zu klären". Die erste Phase mit der Übergabe der Geiseln könne noch diese Woche abgeschlossen werden. Trumps Ende September vorgestellter Plan sieht neben der Freilassung der Geiseln unter anderem die Entwaffnung der Hamas und einen schrittweisen Abzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen vor.

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"Diese Woche ist die entscheidende Woche dafür, dass die erste Phase (des Friedensplans) gelingen kann, dass die Geiseln freikommen, dass humanitäre Hilfe in den Gazastreifen kommt und dass wirklich ein Waffenstillstand abgemacht wird", sagte Außenminister Johann Wadephul (CDU), der ebenfalls nach Ägypten gereis war und ergänzte: "Dafür lohnt jeder Einsatz." (afp/dpa/bearbeitet von the)