• Ist der Bundeskanzler bei Waffenlieferungen zu zögerlich?
  • Olaf Scholz weist diese Kritik in einer Regierungserklärung im Bundestag zurück. Er werde weiterhin mit "Umsicht und Nervenstärke" entscheiden.
  • Oppositionsführer Friedrich Merz kritisiert dagegen: Die "Zeitenwende" des Bundeskanzlers finde bisher nur auf dem Papier statt.

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Der Auftakt ist harmonisch und nachdenklich. Bevor es losgeht, schütteln sich der Kanzler und der Oppositionsführer am Mittwoch im Bundestag die Hand. Ein kurzer Wortwechsel zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz, ein freundliches Lächeln. Danach hält das ganze Haus inne. Die Abgeordneten erheben sich gleich zweimal für Schweigeminuten: für den kürzlich verstorbenen CDU-Abgeordneten Gero Storjohann und für die Opfer des schweren Erdbebens in der Türkei und Syrien. Mehr als 11.000 Tote – das lässt auch die Volksvertreter nicht ungerührt.

Bundeskanzler Olaf Scholz gibt danach eine Regierungserklärung ab – und schlägt einen staatsmännischen Ton an. In den vergangenen Wochen war der Kanzler nicht nur in der CDU/CSU-Opposition, sondern auch bei seinen Koalitionspartnern Grünen und FDP in die Kritik geraten: Zu langsam, zu zögerlich habe er sich zur Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine durchgerungen.

Olaf Scholz: "Es ist an Russland, diesen Krieg zu beenden"

Scholz will von seinem Kurs aber nicht abweichen. Er werde weiterhin zunächst "vertraulich beraten" und dann erst Beschlüsse verkünden. "So wie Joe Biden und ich das zum Beispiel mit Blick auf die Entscheidung getan haben, der Ukraine Kampfpanzer zu liefern", sagt der Kanzler über sich und den US-Präsidenten. Er verspricht "Umsicht und Nervenstärke". "Und dafür stehe ich mit meinem Wort." Kritik äußert er an einem "Überbietungswettbewerb und markigen öffentlichen Statements" über Waffenlieferungen. "Deutschland wird sich daran nicht beteiligen."

Scholz will an der militärischen Unterstützung der Ukraine aber nicht rütteln. Auch die wirtschaftlichen Sanktionen werde die EU noch einmal verschärfen: "als klares Signal an Putin, dass er keinen Erfolg hat mit seinen imperialistischen Plänen". Nicht die Nato führe Krieg gegen Russland, sondern Russland habe die Ukraine überfallen, betont der Kanzler: "Es ist an Russland, diesen Krieg zu beenden. Je eher, desto besser, für die Ukraine, für Russland und für die ganze Welt." Den Menschen in der Ukraine gelte "unser ganzes Mitgefühl und unsere Solidarität", sagt der Kanzler. Daraufhin applaudiert mit Ausnahme der AfD-Fraktion das ganze Plenum.

Am Donnerstag und Freitag treffen sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union zu einem EU-Ukraine-Gipfel und einer anschließenden Sondertagung. Zentrales Thema wird die Unterstützung der Ukraine im Verteidigungskrieg gegen Russland sein.

Allerdings werden sich die Vertreterinnen und Vertreter auch mit Einwanderung und Flucht beschäftigen. Der Bundeskanzler sagt dazu im Bundestag: Deutschland brauche Fachkräfte und sei daher auf Einwanderung angewiesen. Er sagt aber auch: "Wir brauchen Klarheit, wer nach Europa kommt und warum." Ausdrücklich stellt er sich hinter den Plan der Europäischen Kommission, Kontrollen an den EU-Außengrenzen zu verschärfen und Grenzpatrouillen zu verbessern.

Kritik von Friedrich Merz: "Bis zum Schluss gebremst und gezögert"

Auf die Regierungserklärung von Scholz folgt die Antwort von Friedrich Merz (CDU). Im Ton bleibt auch Merz eher ruhig. Man dürfe sich nicht an diesen Krieg gewöhnen, mahnt der Oppositionsführer – und stellt sich im Grundsatz hinter den Kurs der Bundesregierung, die Ukraine militärisch, finanziell und humanitär zu unterstützen.

Das "Aber" folgt schnell: "Ich möchte mit Ihnen allen zusammen nur hoffen, dass wir nicht eines Tages aus der Rückschau sagen müssen: Das war zu wenig und das war zu spät", sagt Merz. Noch sei keine Ausschreibung für eine bessere Ausrüstung der Bundeswehr veröffentlicht. "Große Teile der sogenannten Zeitenwende finde bisher in Deutschland weitgehend auf dem Papier statt", schimpft Merz. Wahr sei auch, dass Deutschland "bis zum Schluss gebremst und gezögert" habe, als es um die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine ging.

Auch die Bundesaußenministerin knöpft sich Merz vor: Annalena Baerbock hatte im Europarat gesagt, man befinde sich in einem Krieg gegen Russland. Das sei "in hohem Maße verstörend", sagt Merz und richtet sich an Baerbock: "Sie dürfen sich nicht wundern, wenn ein solcher Satz rasende Verbreitung findet in den russischen Medien und Teil wird der russischen Propaganda."

Amira Mohamed Ali: "Hören Sie endlich auf, die Lage zu beschönigen"

Katharina Dröge, Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, dreht den Spieß danach um. Deutschland und Europa müssten gegenüber Russland geschlossen auftreten, sagt sie. Wenn die CDU/CSU-Opposition sich jetzt gegen die deutsche Außenministerin wende, dann nutze das der russischen Propaganda viel mehr.

Vorbei ist es mit dem sachlichen Ton spätestens bei Alice Weidel. Die AfD-Fraktionsvorsitzende muss mit einem Gipsbein zum Rednerpult humpeln, lässt sich davon aber nicht bremsen. Ob der Bundeskanzler eigentlich morgens in den Spiegel schauen könne, fragt sie. Der Bundesregierung wirft sie "geballte Inkompetenz" vor. Falsch findet Weidel die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine und sagt zu Scholz: "Am Ende haben Sie sich von den Kriegstreibern in den eigenen Reihen nötigen lassen, diesen Schritt zu gehen."

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Johannes Vogel bezeichnet die AfD danach als "fünfte Kolonne Moskaus". Wie die AfD lehnt aber auch die Linke die Ukraine-Politik der Bundesregierung ab. Die Sanktionen gegen Russland würden auch die Menschen in Deutschland empfindlich treffen, kritisiert die Fraktionschefin Amira Mohamed Ali. "Hören Sie endlich auf, die Lage zu beschönigen. Öffnen Sie die Augen und handeln Sie", ruft sie in Richtung des Bundeskanzlers. Eigentlich ruft sie es ihm viel mehr nach. Denn genau in diesem Moment verlässt er den Saal.

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