Erneuter Anlauf gegen hohe Medikamentenkosten: Trump will die Preise in den USA drücken – und zeigt dabei mit dem Finger auf Europa. Widerstand in Politik und Industrie ist vorprogrammiert.

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US-Präsident Donald Trump will die Arzneimittelpreise in den Vereinigten Staaten senken und nimmt dafür steigende Kosten in Deutschland und anderen EU-Ländern in Kauf. Trump unterzeichnete am Montag in Washington ein Dekret, das die Preise für rezeptpflichtige Medikamente in den USA deutlich senken soll. "Wir subventionieren die Gesundheitsversorgung anderer", sagte der Republikaner bei der Unterzeichnung im Weißen Haus. Die Menschen in den USA hätten jahrelang viel zu viel gezahlt.

Trumps wirft Pharmakonzernen vor, "ihre Produkte stark zu rabattieren, um Zugang zu ausländischen Märkten zu erhalten" etwa in Deutschland und anderen EU-Ländern. Die entgangenen Erlöse holten sie dann durch "extrem hohe Preise" in den USA wieder herein.

Abhilfe soll sein Dekret schaffen. Damit will Trump die Kosten für in den USA verkaufte Medikamente an den niedrigsten Preis binden, der in anderen Ländern für dasselbe Medikament gezahlt wird. Damit seien Kostensenkungen um 59 Prozent möglich, versprach er in bestimmten Fällen sogar von 80 bis 90 Prozent. Zugleich will er die Pharmakonzerne so zwingen, in Europa mehr für ihre Arzneimittel zu verlangen.

Trump: EU-Länder "gemeiner als China"

"Ich mache den Pharmakonzernen nicht die größten Vorwürfe", sagte Trump nun. Die Unternehmen seien oft gezwungen, sich unter Druck zu beugen. Besonders scharf griff er stattdessen europäische Staaten an. Amerikanische Patienten hätten "sozialistische Gesundheitssysteme" wie das in Deutschland mitfinanziert. Der Europäische Union warf Trump vor, sich in Preisverhandlungen "unverschämter als China" zu verhalten. Europa müsse künftig tiefer in die Tasche greifen: "Der Rest der Welt wird mehr zahlen müssen", sagte er. "Und Amerika wird viel weniger zahlen."

Trump beruft sich in seinem Dekret auf das Prinzip der "Most Favored Nation", das er schon während seiner ersten Amtszeit einführen wollte: Die USA sollen für bestimmte Medikamente künftig nicht mehr zahlen als das Land, das den weltweit niedrigsten Preis verlangt – unabhängig von Marktgröße oder Wirtschaftskraft. "Dieses Spiel ist vorbei", sagte Trump mit Blick auf Länder, die seiner Ansicht nach bislang auf Kosten der USA von günstigen Konditionen profitiert hätten.

Ob die Rechnung aufgeht, ist unklar: Trump hatte bereits in seiner ersten Amtszeit (2017-2021) versucht, die Medikamentenpreise in den USA zu senken. Seine Pläne scheiterten jedoch am Widerstand der Pharmaindustrie.

Pharmabranche unter Druck - Folgen für Patienten?

Die Ankündigung des US-Präsidenten setzt die Pharmabranche unter Druck. "Die USA sind der wichtigste Markt für innovative Arzneimittel", sagt Han Steutel, Präsident des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (VFA). "Ohne die Erlöse in den Vereinigten Staaten wären Forschung und Entwicklung, wären neue Therapien auch für europäische Patientinnen und Patienten vielfach nicht denkbar. Was jetzt in den USA entschieden wurde, hat Folgen für die ganze Welt."

Mit einer internationalen Referenzierung auf den jeweils niedrigsten Preis ließen sich Forschungskosten nicht bezahlen und Markteinführungen könnten zunehmend infrage gestellt werden, so Steutel. Nötig sei nun einer starker, gemeinsamer EU-Markt mit einer abgestimmten Arzneimittelpolitik.

Auch die Beratungsgesellschaft Simon-Kucher erwartet weitreichende Auswirkungen auf die globale Pharmaindustrie und deutsche Unternehmen. "Eine sinkende Ertragslage gefährdet die Mittel für Forschung, Produktion und Arbeitsplätze auch an deutschen Standorten", heißt es in einer Studie.

Mit einem Umsatzrückgang in den USA steige zudem der Druck für Unternehmen, höhere Preise in anderen Industrienationen wie Deutschland zu erzielen. Ferner könnten Pharmafirmen den Markteintritt in Deutschland oder Europa verzögern oder gar nicht erst vornehmen, um niedrige Preisreferenzen zu vermeiden und somit den Preis in den USA zu schützen, so Simon-Kucher.

Trump aktiviert mehrere Behörden

Für die Umsetzung von Trumps Dekret sollen mehrere US-Behörden aktiv werden. So soll das Handelsministerium gegen Preispolitiken im Ausland vorgehen, die aus amerikanischer Sicht als unfair gelten – etwa staatlich festgelegte Höchstpreise, die US-Unternehmen benachteiligen. Das Gesundheitsministerium soll – wo möglich – Direktverkäufe von Medikamenten an US-Verbraucher zu niedrigeren Preisen ermöglichen. Die Arzneimittelbehörde FDA soll außerdem prüfen, ob künftig Importe aus zusätzlichen Industrieländern erlaubt werden können. Auch Exportbeschränkungen stehen laut Weißem Haus zur Diskussion.

Innerhalb von 30 Tagen soll das Gesundheitsministerium konkrete Ziele für Preissenkungen festlegen. Auf dieser Grundlage will die Regierung mit der Pharmaindustrie verhandeln. Sollte die Industrie nicht freiwillig auf die Regierung zugehen und die Preise senken, seien weitere Maßnahmen geplant.

Im Mittelpunkt sollen vor allem Arzneimittel stehen, bei denen die Preisunterschiede zwischen dem US-Markt und dem Ausland besonders groß sind. Konkrete Medikamente oder Produktgruppen wurden zunächst nicht genannt. Eine Einschränkung auf bestimmte Medikamentengruppen ist laut Regierungsangaben aber nicht vorgesehen.

Eine Lobby mit Einfluss – parteiübergreifend

Trump warf der Pharmabranche zu großen politischen Einfluss vor. Die Lobby sei "wahrscheinlich die mächtigste der Welt", sagte er und behauptete, die gegnerischen Demokraten hätten die Industrie über Jahre geschützt.

Tatsächlich zählt die Branche zu den einflussreichsten in Washington. Mit gezielten Spenden – an Demokraten und Republikaner – verschaffen sich Pharmaunternehmen Gehör in der Gesetzgebung. Reformversuche zur Senkung von Medikamentenpreisen stoßen wohl auch deshalb parteiübergreifend immer wieder auf Widerstand – häufig unter Verweis auf mögliche Folgen für Forschung und Innovation.

Die Kosten für Medikamente sind in den USA ein Dauerthema. Anders als in vielen anderen Industrieländern gibt es dort keine zentrale staatliche Preisregulierung. Die Preisgestaltung liegt weitgehend in der Hand der Pharmaunternehmen. Das führt zu oft erheblich höheren Kosten als etwa in Europa. In Deutschland greifen verschiedene Formen staatlicher Kontrolle.

Kürzungen beim US-Gesundheitsprogramm

An anderer Stelle wollen Trumps Republikaner viele US-Bürger bei den Gesundheitskosten nicht entlasten, sondern zusätzlich belasten. Ein am Sonntag vorgestellter Entwurf für das Bundesbudget sieht im kommenden Jahrzehnt Kürzungen von mehr als 700 Milliarden Dollar für das Gesundheitsprogramm Medicaid vor, von dem insbesondere einkommensschwache Amerikaner profitieren. Dadurch könnten nach Einschätzungen des Kongresses mindestens 8,6 Millionen US-Bürger bis 2034 ihre Krankenversicherung verlieren.

Der einflussreiche demokratische Abgeordnete Frank Pallone sagte, damit schneide Trumps Regierung kein Fett an den Rändern weg, sondern es gehe "bis auf den Knochen". Die geplanten Kürzungen bei Medicaid sind Teil eines umfassenden Budgetpakets. Damit sollen die von Trump in Aussicht gestellten Steuererleichterungen in Milliardenhöhe gegenfinanziert und zugleich der US-Grenzschutz ausgebaut werden. (AFP/dpa/bearbeitet von tas/skr)

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