In den USA will Trump in Massen abschieben. Dafür muss die Einwanderungsbehörde an Personal aufstocken – und zwar schnell. Experten warnen vor sinkenden Standards und einer Rekrutierung im Schnellverfahren – mit Folgen.
Sie tauchen am Arbeitsplatz, an Schulen und vor der Haustür auf. Oft geht es schnell. Ihr Ziel ist es, Menschen festzunehmen, die sich mutmaßlich illegal in den USA aufhalten. Seit der Rückkehr von
Aufnahmen der Verhaftungswelle erinnern Kritiker an einen Polizeistaat. Trumps Anhänger feiern hingegen seine aggressive Migrationspolitik, wofür er unter anderem die ICE enorm ausbaut.
Mit der "Beautiful Big Bill" ist der finanzielle Rahmen geschaffen. Bis 2030 (gestreckt über mehrere Jahre) soll der Behörde etwa 150 Milliarden US-Dollar zur Verfügung stehen, wie "Newsweek" berichtet. Die US-Regierung will den Bau von Haftzentren vorantreiben, den Grenzschutz verstärken und die ICE soll täglich bis zu 3.000 irregulär eingereiste Migranten abschieben. Für diese Pläne braucht sie Personal und zwar schnell. Der Rekrutierungsprozess versetzt Experten in Alarmbereitschaft.
"Die Trump-Regierung kratzt offenbar den Boden des Fasses ab, um genügend ICE-Rekruten zu finden, die ihre ehrgeizigen Pläne umsetzen können", sagt der US-amerikanische Strafrechtler Robert Rogers auf Anfrage unserer Redaktion.
Er lehrt an der "Middle Tennessee State University". In Hinblick darauf, wen die Trump-Regierung alles als ICE-Beamte einsetzen könnte, lautet sein Urteil: "Ideologie ist offenbar das wichtigste Kriterium für ICE. Professionalität ist dabei nebensächlich."
"America Needs You": Onkel Sam lockt zukünftige ICE-Beamte an
Auf der offiziellen Regierungsseite werden potenzielle Bewerber von "Onkel Sam" begrüßt. Als Personifizierung der US-Regierung schmückte er Plakate während des Zweiten Weltkriegs als Symbol für Patriotismus und Mobilmachung. Gekleidet mit Frack, gestreiften Hosen und Zylinder macht er sich offenbar wieder auf die Suche – diesmal für die Trump-Regierung.
Über ihm steht in Großbuchstaben geschrieben: "America Needs You". Ein Aufruf, der sich auch an pensionierte Bundespolizeibeamte richtet. "Dein Land ruft dich erneut zum Dienst", heißt es.
Die Möglichkeiten seien vielfältig, ob für Studenten oder Veteranen. Interessenten könnten zum Beispiel im Bereich der "Enforcement and Removal Operations" (auf Deutsch "Vollzugs- und Abschiebungsbehörde", kurz: ERO) eine Karriere als "Deportation Officer" oder "Detention and Deportation Officer" anstreben.
In dem 17-seitigen "ICE-Einstellungshandbuch" heißt es, dass beim Bewerbungsprozess niemand aufgrund seiner Herkunft, Hautfarbe, Religion oder seines Geschlechts diskriminiert werde.
Es gebe "wettbewerbsfähige Gehälter und ein attraktives Leistungspaket". Das beinhalte etwa Krankenversicherung, Zahnversicherung, Augenversicherung, Lebens- und Pflegeversicherung, Altersvorsorgepläne sowie persönliche und krankheitsbedingte Urlaubstage und bezahlte Bundesfeiertage.
Vorzüge, die in den USA nicht selbstverständlich sind. Laut dem US-Sender NBC News verspricht ICE neuen Mitarbeitern eine Prämie von maximal 50.000 Dollar (circa 43.000 Euro) für den Vertragsabschluss über drei Jahre und bis zu 60.000 Dollar (51.500 Euro) etwa für die Rückzahlung von Studiendarlehen.
ICE-Beamte werden teils innerhalb von vier Wochen eingestellt
Angaben darüber, was die Bewerber für den Job erfüllen müssen, gibt es erst im Abschnitt "Fragen und Antworten". Dort heißt es, die Behörde suche Personen mit "Integrität und Mut". ICE-Mitarbeiter sollten in "ausgezeichneter körperlicher Verfassung" sein, über "ausgeprägtes kritisches Denkvermögen" verfügen und sich der Mission verpflichtet fühlen, "die USA vor grenzüberschreitender Kriminalität und illegaler Einwanderung zu schützen".
In einer Stellenausschreibung für einen "Deportation Officer" sind unter anderem die US-Staatsbürgerschaft und das erfolgreiche Bestehen des "Background Checks" sowie Drogentests die Voraussetzungen. "Es gibt aber keine Altersobergrenze für ICE-Bewerber. Das ist in einer professionellen Strafverfolgungsbehörde beispiellos", meint Rogers.
Um das nötige Personal für Trumps Massenabschiebung aufzutreiben, schaffte die Ministerin für Innere Sicherheit, Kristi Noem, die Altersgrenze ab. Zuvor konnten sich ausschließlich Personen unter 40 Jahren auf eine Stelle als Abschiebe-Agent bei der ERO bewerben.
Für Einstiegspositionen sei zudem keine Erfahrung im Strafverfolgungsbereich erforderlich. Allerdings müsse man die Bildungsvoraussetzungen für die Besoldungsgruppe der Position erfüllen. Wer sich bewerben will, soll einen Lebenslauf mit maximal fünf Seiten einreichen, heißt es im "ICE-Einstellungshandbuch".
Erfüllt der Kandidat die Mindestqualifikationen für die Stelle, folgen unter anderem eine Hintergrundprüfung, eine medizinische Untersuchung, ein Drogen- sowie Fitnesstest und das Vorstellungsgespräch. Vier bis 52 Wochen laufe das Bewerbungs- und Einstellungsverfahren.
Die Rekrutierung von ERO-Beamten dauert in der Regel Monate, meint Scott Shuchart, der ehemalige stellvertretende Direktor der ICE unter der Biden-Regierung. Im Gespräch mit dem US-Magazin "Slate" erklärt er, dass die Bewerber ein Sicherheitsüberprüfungsverfahren durchlaufen und anschließend eine Ausbildung an einer Akademie absolvieren müssen.
Dass ICE die Einstellungsstandards senkt, sieht er kritisch. Für ihn sei es auch ein Zeichen dafür, dass die Behörde nicht mit qualifizierten Bewerbern überhäuft werde.
"Proud Boys und Rowdys": Ehemaliger ICE-Beamter ist besorgt über ICE-Rekrutierung
"Ich hoffe, dass sie keine anderen wichtigen Standards senkt – dass die Rekruten keine Spione, Kriminellen, Verräter oder Drogenabhängigen sind –, denn es handelt sich um vereidigte Beamtenpositionen, bei denen die Menschen bewaffnet sind und in der Öffentlichkeit auftreten", sagt Shuchart im Gespräch mit der "Washington Times". Er geht davon aus, dass ICE auch Mitglieder der rechtsextremen Miliz "Proud Boys" einstellen könnte.
Die ultrarechten Proud Boys bezeichnen sich selbst als eine pro-westliche, traditionelle und maskuline Gemeinschaft. Als Trump-Anhänger sagen sie der linken Bewegung in den USA den Kampf an.
Beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 war die gewaltbereite Extremistengruppe in der vordersten Reihe dabei, um den Wahlsieg von
"Dadurch haben die Randalierer vom 6. Januar nicht einmal Vorstrafen, die den Bewerbungsprozess erschweren würden", sagt Rogers. Dazu zählen auch diejenigen, die Polizeibeamte angegriffen hatten. Nun könnten sie die leeren Reihen in Trumps ICE-Behörde füllen, befürchtet Shuchart. "Ich bin sehr besorgt, dass es sich dabei um Proud Boys und andere Aufständische und Rowdys handeln wird", sagt er gegenüber "Slate".
Öffentliche Berichte oder Beweise für seine Befürchtung gibt es nicht. Auf Nachfrage der US-Zeitschrift "Atlantic", ob sich "Proud Boys" um Stellen bei der ICE bewerben oder schon eingestellt wurden, antwortet das Ministerium für Innere Sicherheit (DHS), dass "jede Person, die bei der ICE arbeiten möchte, einer intensiven Hintergrund- und Sicherheitsüberprüfung unterzogen wird – ohne Ausnahme".
Dennoch teilen sowohl Migrationsexperten als auch Gesetzeshüter Shucharts Bedenken, dass Extremisten das DHS, zu dem auch die ICE gehört, unterwandern könnten. Shuchart fragt sich, welche Art von Mensch mit Selbstachtung, der eine sinnvolle Karriere in der Strafverfolgung anstrebt, sich derzeit als Abschiebe-Agent bewerben würde, in Hinblick darauf, wie sich die ICE unter Trump verhält. Einer von ihnen ist Ex-"Superman" Dean Cain.
"Ex"-Superman Dean Cain will für Trump abschieben
Früher spielte der 58-Jährige die Hauptrolle in "Superman – Die Abenteuer von Lois & Clark", heute wolle er als Abschiebe-Agent für ICE arbeiten. "Ich glaube wirklich, dass das das Richtige ist", sagt er im Interview mit "Fox News".
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"Dieses Land wurde von Patrioten aufgebaut, die aufstanden, ob es populär war oder nicht." Als bereits vereidigter Reservepolizist und Sheriff-Stellvertreter liegen seine Chancen gut. Er behauptet, dass er so bald wie möglich als Agent verpflichtet werde, und hofft, dass ihm viele weitere ehemalige ICE- oder Polizeibeamte folgen würden.
Verwendete Quellen
- newsweek.com: ICE Budget Now Bigger Than Most of the World's Militaries
- nbcnews.com: ICE is leaning hard on recruitment, but immigration experts say that could come at a price
- slate.com: A Former ICE Official Is Worried the Agency Is About to Go on a Spree of Hiring Proud Boys
- washingtontimes.com: Immigration enforcement agency scraps age limits, reports 80,000 applications in one week
- theatlantic.com: Where Have the Proud Boys Gone?
Über den Gesprächspartner
- Robert Rogers ist Professor für Strafjustiz an der Middle Tennessee State University in den USA. Er befasst sich mit der Thematik seit mehr als 45 Jahren. Bevor er seine akademische Laufbahn begann, war er unter anderem als Justizvollzugsbeamter bei der Bundesstrafanstalt Memphis, Tennessee, tätig.