Die Geschichte von Jochen Rindt ist die eines großartigen Rennfahrertalents, das dem rücksichtslosen Geschwindigkeitsrausch der Formel 1 zum Opfer fiel. Der exzentrische Österreicher ist bis heute der einzige Weltmeister der Königsklasse des Motorsports, der diesen Titel posthum erhielt. Heute vor 50 Jahren kam er auf der Rennstrecke von Monza ums Leben.

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"Als die Meldung von Jochen Rindts Tod kam, konnte man das nicht glauben. Jochen Rindt war einer, zu dem man aufgeschaut hat", erinnert sich Marc Surer. Der Schweizer war 1970 noch junger Kartfahrer und hatte Rindt nur einmal getroffen, aber trotzdem schien er mitgenommen von dem, was am 5. September mit seinem Helden passiert war.

Rindt, ein gebürtiger Mainzer, dessen Eltern bei einem Luftangriff 1943 in Hamburg ums Leben gekommen waren, war in den 60ern ein Senkrechtstarter in der Motorsportszene. Gesegnet mit einem außergewöhnlichen Talent zum Fahren arbeitete er sich innerhalb weniger Jahre von kleinen Klassen in seiner neuen Grazer Heimat bis in die Formel 1 hoch. Nebenher gewann er das 24-Stunden-Rennen von Le Mans und stand auf dem Podium beim 1000-Kilometer-Rennen auf der Nordschleife.

1969 fand er mit dem Team Lotus, das vom berühmten Colin Chapman geleitet wurde, eine rennfahrerische Heimat, die ihm einen künftigen Weltmeistertitel eigentlich garantieren sollte. Allerdings war Lotus nicht frei von Fehlern, denn manche neuartigen Erfindungen entpuppten sich als lebensgefährliche Spielereien.

Teamchef Chapman war ein Hasardeur

In seiner ersten Saison verletzte sich Rindt beim Grand Prix in Barcelona schwer, weil der hochbeinige Heckflügel an seinem Lotus 49 brach. Auch Teamkollege Graham Hill verunglückte an dem Wochenende. "Die Lotus waren nicht so sicher, wie sie sein konnten. Colin Chapman hasardierte", berichtet Jochen Mass, der drei Jahre später selbst sein Formel-1-Debüt geben sollte.

Mit dem Fahrzeug im typischen British-Racing-Grün feierte Rindt seine ersten großen Erfolge, inklusive seines ersten Grand-Prix-Siegs am Ende der Saison 1969. Das darauffolgende Jahr sollte seines werden. Er lieferte sich harte Duelle mit dem Australier Jack Brabham, der mehrmals aufgrund von Unfällen und technischen Defekten aufgeben musste.

Rindt fuhr derweil wie ein Uhrwerk und steuerte bereits vier Rennen vor Saisonende auf den Weltmeistertitel zu. "Rindt war unglaublich schnell. Jeder hat gedacht: Da ist der nächste Weltmeister – und dann passiert sowas", sagt Surer. Mit "sowas" ist der Unfall beim Abschlusstraining auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke von Monza gemeint, der Rindt das Leben kostete.

Sicherheitsgurte aus Angst nicht festgezogen

Er wurde damals von einem Reporterteam begleitet, dem er irgendwann mitteilte, dass er noch ein paar Testrunden vorm Rennen am Sonntag drehen würde und gleich wieder da wäre. Als der Wahl-Österreicher allerdings im Bremsbereich vor der Parabolica-Kurve herunterschaltete, brach wohl die vordere rechte Bremswelle an seinem Lotus 72.

Der Wagen prallte links in die Leitplanken, drehte sich einige Male und touchierte noch mehrfach die Begrenzung, ehe er etwa fünf Meter neben der Leitplanke liegen blieb. Rindts Wagen war auseinandergebrochen und er selbst erlitt schwere Verletzungen im Brustbereich.

Wenige Wochen zuvor war sein Freund Piers Courage durch schwere Verbrennungen ums Leben gekommen. Rindt hatte Angst, dass er im Fall eines Crashs nicht schnell genug der Feuerhölle entkommen könnte und zog deshalb die neuartigen Sicherheitsgurte nur unzureichend an. Beim Aufprall war er deshalb durch die Gurte gerutscht. Dass sich dann der Abtransport in die Mailänder Universitätsklinik lange hinzog, kam erschwerend hinzu.

Melancholie des Montags

Die genaue Ursache des Unfalls ist bis heute nicht geklärt, wobei viele die Schuld bei Colin Chapman sahen. Der Brite "war rücksichtslos", wie Mass berichtet. "Rindt wollte weg von ihm." Denn der angehende Weltmeister hatte erkannt, dass die Lotus aufgrund des wenigen Gewichts schnell waren, aber auch noch gefährlicher als andere Fahrzeuge in einer ohnehin hochgefährlichen Zeit des Motorsports, in der viele Fahrer ums Leben kamen.

"Ich habe das Bild noch im Kopf, Montagmorgen nach dem Rennen: 'Rindt stirbt' auf Italienisch", erinnert sich Mass. "Es war die Melancholie des Montags, wenn etwas passierte. Ich habe das mit einer gewissen Traurigkeit, Sentimentalität wahrgenommen." Rindts Tod war in seiner Schockwirkung vergleichbar mit jenem von Jim Clark 1968 oder auch Ayrton Senna 1994.

Wegen seiner fünf Saisonsiege hatte der Wahl-Österreicher bereits vor dem Rennen in Monza und den drei abschließenden Grand Prix viele Punkte gesammelt. Da die anderen Fahrer in den verbliebenen Rennen, nicht ausreichend Zähler holten, reichte diese Vorsprung, um am Ende den Titel zu bekommen. "Diese Art und Weise, posthum Weltmeister zu werden, ist sehr, sehr schade gewesen", sagt Hans-Joachim Stuck, ein enger Freund von Rindt.

Bis heute unvergessen

"Wir waren oft vor Weihnachten zum Skifahren in Zürs im gleichen Hotel, bei den sogenannten 'Wedelwochen'", erzählt Stuck. "Der Jochen war ein genialer Gammon-Spieler. Er hat mit irgendwelchen reichen Leuten auch richtig um Geld gezockt. Er hat mich dann engagiert, um aufzupassen, dass die ihn nicht betrügen."

Das war die andere Seite des Jochen Rindt, der abseits der Rennstrecke den Lebemann gab und auch deshalb von vielen Fans verehrt und nach seinem Tod nie vergessen wurde. Die Essen Motor Show wurde zeitweilig in Jochen-Rindt-Show umbenannt. Udo Jürgens schrieb mit "Der Champion" eine Hommage an ihn. Und in Graz sollten 2020 eine große Feier sowie die Einweihung eines nach ihm benannten Platzes über die Bühne gehen.

Rindt und andere Motorsportler aus jener Zeit mussten Draufgänger sein und wussten um die Gefahr. Sie waren Helden zu Lebzeiten und wurden zu Legenden, als sie bei der Jagd nach Ruhm und Erfolgen dem Wahnsinn zum Opfer fielen.

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Marc Surer
  • Interview mit Jochen Mass
  • Interview mit Hans-Joachim Stuck
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