Die 100. Tour de France war in jeglicher Hinsicht ein besonderes Rennen. Die berühmteste Radrundfahrt der Welt stand nach den Doping-Enthüllungen rund um Lance Armstrong unter ganz besonderer Beobachtung. Und derzeit sieht es tatsächlich so aus, als wäre die Tour ohne Doping-Skandal ausgekommen. Wir haben mit Eva Bunthoff von der deutschen Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) gesprochen, ob die Zeit der Schummel-Rennen tatsächlich vorbei ist.

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Die 100. Tour de France ist zu Ende und es gab keinen Doping-Skandal. Ist das ein Grund zur Freude?

Eva Bunthoff: Es ist eines der wichtigsten Radrennen der Welt, das für viele Fans und Sportliebhaber auch heute noch den Höhepunkt des Sportkalenders ausmacht. Natürlich hat man da manchmal gemischte Gefühle, wenn man weiß, was in den vergangenen Jahren so alles passiert ist. Aber es hat sich im Anti-Doping-Bereich in den letzten Jahren sehr viel getan und wir verlieren nie unser Ziel aus den Augen. Wir setzen uns jeden Tag für den sauberen Sport ein. Wir klären schon früh die jungen Radsportler über die Gefahren und Folgen von Leistungsmanipulation auf. Natürlich machen wir im Radsport auch Dopingkontrollen, die dem Schutz der sauberen Athleten dienen und dem Betrüger als Abschreckung. Proben werden eingefroren und später re-analysiert mit neuen Nachweisverfahren. Betrüger können sich also nicht sicher sein. Prävention und Kontrollen - das sind die beiden wichtigen Säulen unserer Arbeit.

Haben Sie manchmal das Gefühl, gegen Windmühlen zu kämpfen? Oft scheint es, als wären die Sportler und ihre Ärzte den Anti-Doping-Agenturen einen Schritt voraus, wenn es um die Entwicklung und Verschleierung von neuen Substanzen geht.

Eva Bunthoff: Wir haben sehr viel erreicht. Sie müssen sehen, die Fälle Ullrich oder Armstrong liegen fünf oder mehr Jahre zurück, in dieser Zeit hat sich im Anti-Doping-Bereich sehr viel getan. Das Netz wird immer enger. Das wissen wir auch durch Gespräche mit überführten Athleten, die sagen, dass es immer schwieriger wird zu dopen. Natürlich gibt es immer wieder Hürden zu überwinden, aber wir sind auf dem richtigen Weg. Der Schwarzmarkt wird beobachtet, es werden immer wieder neue Nachweismethoden erforscht und eingeführt. Die Kontrollsystematik wird fortentwickelt und immer zielgerichteter. Und durch die Task Force–Arbeit und die Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften, BKA, Zoll und den Laboren werden gezielt Hinweise und Auffälligkeiten ausgewertet. Wichtig ist, dass wir die junge Generation aufklären und alle gemeinsam für einen sauberen Sport einstehen.

In welcher Frequenz werden die Fahrer bei einer Tour de France getestet? Wie ist das Prozedere?

Eva Bunthoff: Die NADA kontrolliert die deutschen Radfahrer außerhalb der Wettkämpfe, das sind die sogenannten Trainingskontrollen. Das heißt, dass wir Athleten jederzeit unangekündigt kontrollieren. Wir reisen den Athleten dafür auch ins Ausland hinterher, um sie dort überraschend zu kontrollieren. Das geschieht vor der Tour, aber auch nach der Tour kontrollieren wir weiter, denn nach dem Wettkampf ist vor dem Wettkampf. Bei der Tour handelt es sich um sogenannte Wettkampfkontrollen. Die Kontrollen bei der Tour übernehmen die Kollegen in Frankreich.

Wie lange werden diese Proben aufbewahrt? Ist es realistisch, dass ein Dopingverdacht gegen einen Fahrer vielleicht erst Jahre später tatsächlich bestätigt wird?

Eva Bunthoff: Ja, das kann passieren. Proben können bis zu 8 Jahre eingefroren und bei neuen oder verfeinerten Nachweisverfahren aufgetaut und re-analysiert werden. So können nachträglich Siege aberkannt werden. Das dient der Abschreckung für Betrüger.

Der Gewinner der Tour de France Chris Froome sieht sich anhaltenden Dopingvorwürfen ausgesetzt. Wird der Radsport dieses Stigma je wieder ablegen?

Eva Bunthoff: Der Radsport ist durch die Dopingfälle in den vergangenen Jahren sehr in den Fokus gerückt. Aber auch in anderen Sportarten gibt es Dopingfälle, da ist keine Sportart ausgenommen. Aber Sport ohne Doping ist das Normale. Und dafür setzen wir uns jeden Tag ein. Sie tun sicherlich einigen Athleten unrecht, wenn Sie alle pauschal verdächtigen würden. Uns geht es darum, die sauberen Athleten zu schützen, dass sie den Sport so betreiben können, wie er betrieben werden soll, nämlich ohne Doping. Dabei müssen wir die Betrüger finden. Und das Netz immer enger machen. Wichtig ist, und das ist auch der wichtig Ansatz der NADA, die junge Generation über die Risiken und Folgen von Doping aufzuklären, damit sie eindeutig und selbstbestimmt "Nein" zu Doping sagen.

Die Nationale Anti-Doping-Agentur Deutschland (NADA) hat seit der Aufnahme ihrer Tätigkeit im Jahr 2003 das Ziel, gegen Doping im Sport vorzugehen. Die Stiftung mit Sitz in Bonn koordiniert Dopingkontrollsysteme, führt diese durch und arbeitet sie weiter aus, um mit den Entwicklungen in der Dopingszene Schritt zu halten.
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