Als Markus Söder hat Schauspieler Stephan Zinner astreines Fränkisch gesprochen, eigentlich kommt er aber aus Oberbayern. Das hört man auch seiner Rolle als Kriminalhauptkommissar Dennis Eden im Münchner "Polizeiruf" an – und das soll auch unbedingt so bleiben. Auch, wenn er mitunter mal zum Nachsynchronisieren muss.
Er war CSU-Generalsekretär, Minister im bayerischen Kabinett und irgendwann auch bayerischer Ministerpräsident. Heute klärt er Mordfälle auf. All das nicht im wahren Leben, sondern in Schauspielrollen:
In den Eberhofer-Krimis ist er außerdem als Metzger Simmerl zu sehen, seine Rolle in "Himmel, Herrgott, Sakrament" basiert auf dem Buch von Pfarrer Rainer Maria Schießler.
Im Interview mit unserer Redaktion spricht der Schauspieler – in konsequentem Bairisch – über den neuen "Polizeiruf: Ein feiner Tag für den Bananenfisch" und darüber, was ihn an seiner Rolle Dennis Eden stört.
Was macht mehr Spaß: Markus Söder oder ein Mordermittler?
Stephan Zinner: (lacht) Das ist etwas ganz anderes. Nockherberg ist Haudrauf – das ist der "Polizeiruf" nicht. Aber der Söder hat schon wirklich Spaß gemacht, weil ich da in die Vollen gehen durfte. Und es war eine sehr gute Truppe, diese Zeit mag ich nicht missen. Aber nach 14, 15 Jahren hat’s auch gelangt. Der "Polizeiruf" macht auch sehr viel Spaß, weil wir – was das deutsche Fernsehen anbelangt – Glück haben: vom Budget her, wir haben Zeit, haben immer sehr gute Regisseurinnen und Regisseure wie
Gibt es etwas, was Sie an Ihrer Rolle Dennis Eden stört?
Der Name.
Der Name?
(lacht) Alle Dennise der Welt so: What the fuck!?
Warum der Name?
Nein, nein. Ein Spezl hat mal zu mir gesagt: "Wirklich, Stephan, alles okay, was Ihr da beim 'Polizeiruf' macht – aber du bist ja so gar kein Dennis." Da hab' ich gesagt: Was soll ich machen? Das ist halt einfach so.
Wäre Ihnen ein Münchner Name lieber gewesen?
Ich komme vom Chiemsee, da gibt es nicht so viele Dennisse. Aber es gab bislang noch keine Seite an meiner Rolle, die mir nicht getaugt hätte.
Ihre Rolle wird so beschrieben: "Vertraut oft auf sein Bauchgefühl, neigt zur Bequemlichkeit. Ab und zu ist er etwas ungeduldig." Erkennen Sie sich wieder?
Ja. Ja. Ja. (lacht) Die Geduld ist im Alter besser geworden. Bauchgefühl? Stimmt hundertprozentig. Bequemlichkeit: Jein, ich kann schon mal die Füße hochlegen. Aber bei Urlaub am Strand werde ich wahnsinnig. Manche können das, eine Woche nix tun. Ich geh' dann lieber auf den Berg und sitze bequem auf der Hütte. Und sag' dann vielleicht: Den letzten Gipfel brauchen wir nicht mehr.
Ihre Rolle als Kommissar Dennis Eden ist eher ernst angelegt – etwa im Vergleich zu dem "Tatort"-Team aus Münster oder dem Kabarett, was Sie ja auch machen. War das eine bewusste Entscheidung, Ihre "Polizeiruf"-Rolle ernsthafter zu spielen – und fällt es Ihnen manchmal schwer, nicht ins Komische zu kippen?
Wir haben das Komische nicht ganz rausgenommen. Ich bin ein bisschen in die Rolle reingeschlängelt:
Der neue Fall "Ein feiner Tag für den Bananenfisch" ist kein klassischer Whodunit, bei dem der Täter ermittelt wird, sondern lässt sich sehr viel Zeit mit der Geschichte, nimmt beide Seiten ernst, Gesellschaftskritik ist auch dabei. Macht diese Gesellschaftskritik den "Polizeiruf" aus?
Gesellschaftskritik ist im Münchner "Polizeiruf" immer wieder vorgekommen, vielleicht öfter als im "Tatort". Klassische Whodunits mag ich als Krimileser auch, aber es gibt eben auch diese Krimis: Jetzt wissen wir, wer’s war – aber warum? Oder: Was passiert dann? Die Gesellschaftskritik war im "Polizeiruf" immer dabei und wird es immer bleiben. Ich kenne das nächste Drehbuch noch nicht, aber habe schon ein bisschen vom Plot gehört, da geht es auch wieder um die Gesellschaft. Finde ich gut.
Ist das der Unterschied zum "Tatort"?
Ich habe in letzter Zeit nicht mehr so viele "Tatorte" gesehen.
Muss man dieses Hobby aufgeben, wenn man selbst "Polizeiruf"-Kommissar wird: dass man "Tatort" und "Polizeiruf" sonntagabends nicht mehr genießen kann?
Das liegt bei mir eher am Musikmachen und am Musikkabarett, wofür ich Freitag und Samstag unterwegs bin. Am Sonntag wird dann gekocht, Zeit mit den Kids verbracht. Das beißt sich mit "Tatort" und "Polizeiruf" a bisserl, weil meine Familie – inklusive mir – nicht gern schon um halb sieben isst. Bequem, vielleicht.
Sie sagen im neuen Fall den Satz: "Wahrheit vor woke." Würden Sie den auch privat sagen?
Schwierig. Man muss sich die Situation anschauen, in der er gesagt wird – auch im Film. Ich glaube, es gibt Situationen, in denen dieser Satz sehr wichtig ist: dass es egal sein muss, wer, wo, wie, wann, was, Couleur, Religion, Sexualität. Ich glaube, man kann diesen Satz in den richtigen Situationen hernehmen. In anderen sollte man ihn stecken lassen. Man muss aufpassen, abwägen und schauen: Ist der Satz gerechtfertigt? Oder ist es Blödsinn? Und das macht meine Figur im "Polizeiruf" auch. Es gibt im neuen Fall eine Annäherung zwischen zwei Gruppen, die ich sehr gut und sehr spannend finde: dass jemand mit einem konservativeren Weltbild merkt, dass Drag Queens ganz normale Leute sind, die auch ganz normale Probleme haben. Auf dieser Basis können sie miteinander ratschen, ein Spiel spielen oder einen Abend gemeinsam verbringen.
Wir dachten kurz, Sie überleben die Folge nicht …
Dann haben wir die Szene gar nicht so schlecht gemacht! Aber das wäre ja Blödsinn: Jetzt haben wir uns als Team eingespielt – und dann gleich wegballern? Das wär ja a Kaas.
Man weiß ja nie, was passiert.
Man weiß wirklich nicht, was passiert! Es gibt auch Kolleginnen und Kollegen, die dachten, sie machen das die nächsten zehn Jahre und dann waren's weg. Ich bin froh, dass ich durch die Folge durchgekommen bin.
Sie sprechen in Ihrer Rolle bairisch. Oft schreiben unsere Leserinnen und Leser, dass sie sich daran stören, dass in "Tatort" und "Polizeiruf" so viel Dialekt gesprochen wird.
Das kann ich mir vorstellen, aber ein Münchner, ein Giesinger, redet halt so. Es ist ja auch kein Krachbairisch, des kannt i a. Aber dann wird’s halt dünn, dann würde man mich wirklich nur bis zur Donau verstehen (lacht). Meine Figur ist lokal angehaucht, die Johanna spricht sauberes Hochdeutsch – so hat sich das Team ergeben. Wenn sich daran jemand stört, muss man das akzeptieren, aber die Zuschauerinnen und Zuschauer müssen auch akzeptieren, dass es das gibt. Das gibt's ja auch in der Realität. Ich hatte schon eine sehr schöne Polizeikontrolle mit zwei Niederbayern, bei der ich mir gedacht habe: "Freunde, wenn das jetzt nicht ich wäre, hätte euch keiner verstanden." (lacht) Der Dialekt im "Polizeiruf" wird also bleiben.
Ist Ihre Rolle im "Polizeiruf" überregionaler angelegt und spielen Sie die Rolle auch anders – im Vergleich zu den Eberhofer-Krimis oder "Himmel, Herrgott, Sakrament"?
Ja! Und ich geh' auch ab und zu zum Nachsynchronisieren. Gerade wenn es emotional wird, wird mehr Dialekt gesprochen. Da wird manchmal ein Halbsatz rausgehauen, wo man sich denkt, oh Gott, da muss man nachjustieren, sonst wird es unsportlich jemandem gegenüber, der den Dialekt nicht versteht.
Kommt so ein Halbsatz dann nicht aus dem Drehbuch?
Doch, doch, wir haben sehr gute Drehbücher, da ist die Improvisationsrate sehr gering. (lacht) Aber ein Wort oder ein Halbsatz werden durchaus mal nachsynchronisiert, wenn's wirklich a Kaas war. Auch in dem "Polizeiruf", den wir gerade abgedreht haben, werde ich nachsynchronisiert. Denn das hält ja auf, wenn man als Zuschauer überlegen muss, was hieß das jetzt? Das ist nicht cool.
Untertitel vielleicht?
(lacht) Untertitel wären auch was, ja genau!
Man könnte den Eindruck haben, dass derzeit eine ganze Generation von "Tatort"-Kommissarinnen und -kommissaren abtritt – Ivo und Franz in München, Bibi und Moritz Eisner in Wien. Haben Sie diesen Eindruck auch? Und wie lange wollen Sie noch machen – machen Sie auch die 100 Folgen voll, so wie Batic und Leitmayr in München?
(lacht) Der Ivo und der Franz, das ist schon eine ganz spezielle Nummer. Ich durfte im Münchner "Tatort" auch dreimal mitspielen, in unterschiedlichsten Rollen. Aber für mich will ich das gar nicht. Und ich sprech’ jetzt einfach auch für die Kollegin Wokalek – die auch nicht. Sagen wir mal, wir machen das dieses Jahr, nächstes Jahr und übernächstes Jahr – und dann schau’ mer mal. So einen langen Bogen wie bei den Münchner Jungs sollten wir nicht machen. Ich bin gespannt, wie das in München wird, wenn Nemec und Wachtveitl aufhören und der Carlo Ljubek dazu kommt. Ich hoffe sehr, dass man den beiden Neuen etwas Luft lässt – denn es ist immer richtig scheiße, wenn neue Schauspieler die Position von alten einnehmen und dann direkt ein Vergleich aufgebaut wird.
Was sagen Sie zu dem Trend, dass gerade viele ältere Kommissare gegen jüngere ausgetauscht werden?
Ich find' das gut, das ist der Lauf der Zeit. Man muss auch mal überlegen, wie lange eine Person im Polizeidienst ist. Da ist es richtig, dass man irgendwann sagt, jetzt mal neue Gesichter, dann ergeben sich auch zwangsläufig neue Geschichten. Wenn du Mitte 60 bist oder Anfang 30, bist du ja in einer vollkommen anderen privaten Lebenslage. Da trifft dich ein Tod oder ein Unfall ganz anders. Ich finde es auch sehr gut, dass jetzt viel mehr Frauen dabei sind, homosexuelle Kommissare – was ja normal ist, aber lange nicht normal war. Ein Generationenwechsel ist sehr wichtig und sehr richtig.

Wenn’s mit dem "Polizeiruf" irgendwann zu Ende geht, gehen Sie dann zurück an den Nockherberg?
Nein. (lacht)
Auch in einer anderen Rolle nicht?
Ach so! Diese Option werde ich nicht ausschließen. Obwohl ich es scho schräg fänd. Aber never say never! (lacht)
Der neue Münchner "Polizeiruf 110: Ein feiner Tag für den Bananenfisch", läuft am Sonntag, 18. Mai, um 20:15 Uhr in der ARD.
Über den Gesprächspartner
- Stephan Zinner, geboren 1974, kommt vom Chiemsee und ist Schauspieler, Musiker und Kabarettist. Bevor er als Dennis Eden beim "Polizeiruf" anfing, war er in unterschiedlichen Rollen in "Tatort" und "Polizeiruf" zu sehen.