Jessica Schwarz und Max von Thun ermitteln zum vierten Mal als Freudenstädter Doppelspitze in einem zweiteiligen "Schwarzwaldkrimi". Im Zentrum steht diesmal ein komplexer, mysteriöser Mordfall voller Mythen, der die Kriminalisten an gespenstische Orte führt. Von Thun, der den Kommissar Konrad Diener spielt, hat uns verraten, wie über die Handlung des Films ein aktueller Aspekt transportiert wird.
In der Stunde, die es nicht gibt, geschieht ein grausamer Mord an einem Bräutigam. Todeszeitpunkt: zwischen 2 und 3 Uhr, in der Nacht der Zeitumstellung von Winter- auf Sommerzeit. Verdächtigt werden zunächst Mitglieder eines wandernden Volkes, dem vor Jahrzehnten großes Leid widerfahren ist.
Der ZDF-Zweiteiler "Vogelfrei – Ein Schwarzwaldkrimi" (am 06. Oktober um 20:15 Uhr und 21:45 Uhr) mit
Im Interview mit unserer Redaktion spricht der 48-Jährige über den mystischen Drehort, das Älterwerden sowie sein Verhältnis zu seinem berühmten Vater und Kollegen
Herr von Thun, die Handlung von "Vogelfrei" reicht bis in die Historie der jenischen Bevölkerungsgruppe zurück. Interessieren Sie sich für Sagen und Legenden?
Max von Thun: Ich bin zwar kein abergläubischer Mensch, aber Sagen und Legenden faszinieren mich schon. Diese Geschichten sind mit einer gewissen Tradition verbunden. Und sie stammen aus Zeiten, in denen es kein Fernsehen und erst recht kein Internet gab. Man saß abends in der Stube oder draußen am Lagerfeuer zusammen und hat versucht, sich Dinge zu erklären. Oft haben Sagen einen sehr spannenden Hintergrund. Dank unserer Autorin Anna Tebbe, die solche Geschichten regelmäßig für unsere "Schwarzwaldkrimis" ausgräbt, darf ich immer wieder etwas dazulernen.
Wünschen Sie sich die Zeit zurück, in denen Smartphones und Social Media noch keine Rolle gespielt haben?
In der Tat finde ich nicht regelmäßig bei Social Media statt, was sich auch in der Anzahl meiner Follower ausdrückt (knapp 14.000 Follower bei Instagram; Anm. d. Red.). Ich bin nicht der Typ, der Storys teilt oder sich damit beschäftigt, was andere Leute posten. Ich empfinde das eher als Zeitverschwendung.
Natürlich versuche ich, im Hier und Jetzt zu sein. Dazu gehört für mich eben auch, dass, wenn ich zum Beispiel ein Konzert besuche, den Live-Moment nicht verpasse, weil ich mich mit meinem Smartphone beschäftige. So etwas kann ich nicht nachvollziehen. Und ich gebe mir Mühe, diese Werte auch meinem Sohn zu vermitteln. Wir arbeiten da schon mit Zeitlimits.
Sollte die Nutzung von Smartphones bei Konzerten verboten oder zumindest eingeschränkt werden?
Ich finde es richtig, wenn von den Veranstaltern darauf hingewiesen wird, dass die Besucherinnen und Besucher den Moment genießen sollen. Die Menschen verpassen doch beides. Wer nur auf den kleinen Bildschirm starrt, verpasst das Live-Event. Und dann hast du im Anschluss an das Konzert zwar unzählige Videos, die du dir aber nie wieder anschaust. Das ist ja auch logisch, weil so ein Clip nicht so beeindruckend ist wie ein Live-Erlebnis. Beim Posten der Videos und Fotos geht es um den Schein – das Sein ist aber viel schöner und auch wichtiger.
Drehort spielt heimliche Hauptrolle
Mit diesen Themen mussten sich die Jenischen, denen unterstellt wird, mit Geistern verbündet zu sein, nicht auseinandersetzen. Wer sind die Jenischen, die im Film "Vogelfrei" thematisiert werden?
Zunächst einmal war mir die Existenz dieses wandernden Volkes vor der Arbeit an diesem Film nicht bewusst. Wie ich erfahren habe, gibt es auch heute noch Jenische. Diese Bevölkerungsgruppe konnte nie sesshaft werden, weil sie immer mit großem Misstrauen beäugt wurde. Das ist vielleicht eine Parallele zu den Sinti und Roma. Die Jenischen hatten eine eigene Sprache und verdienten sich ihren Lebensunterhalt unter anderem mit Karten legen oder Altmetall sammeln. In dem Film klingt zudem an, dass ihnen Schreckliches angetan wurde. Zum Beispiel wurden ihnen die Kinder weggenommen, um sie umzuerziehen.
Insofern wird über diese Geschichte in dem Film ein aktueller Aspekt transportiert. Wir erleben das heute noch. Leider lernt der Mensch nicht aus der Vergangenheit und wiederholt seine Gräueltaten – nur trifft es heute eben nicht die Jenischen, sondern andere Bevölkerungsgruppen.
Wie gespenstisch hat der Drehort, eine alte Mühle mitten im Wald, auf Sie gewirkt?
Der Drehort spielt in unseren Filmen immer eine heimliche Hauptrolle. Die Verzweiflung im Team ist jedes Mal groß, wenn wir ein Set erreichen und sehen, dass die Sonne herauskommt. Im Idealfall hängt immer irgendwo Nebel in den Baumkronen. Aber das sind Orte, die es wirklich gibt. Diese Gegend um die Rabenmühle herum sieht in der Realität fast genauso aus wie im Film. Lediglich ein Gasthaus wurde abgedeckt.
"Die Morde werden auch bei uns von echten Menschen und nicht von Geistern begangen."
Der Zweiteiler ("Zwischenzeit" und "Das Luder") hat mehrere Ebenen: die sagenumwobene Geschichte auf der einen Seite, die Mordermittlung im Hier und Heute auf der anderen Seite. Ist das der große Unterschied zu anderen Krimis?
Ein Krimi-Experte bin ich nicht, was andere Formate angeht. Zumindest aber ist es ein Merkmal unserer Filme, dass sich regional angesiedelte Legenden wie ein roter Faden durchziehen. Sobald es dann aber um die Mordermittlungen geht, spielen diese Sagen nur noch eine untergeordnete Rolle. Mir gefällt, wie diese Handlungsstränge hier miteinander verwoben werden. Am Ende des Tages lässt sich aber alles, was passiert ist, immer rational erklären. Die Morde werden auch bei uns von echten Menschen und nicht von Geistern begangen (lacht).
Bei diesem Mordfall liegt der Todeszeitpunkt zwischen 2 und 3 Uhr, genau in der Nacht der Zeitumstellung von Winter- auf Sommerzeit …
Ja, genau. Das passt auch ganz gut zu dieser mystischen Atmosphäre des Films. Der Mord passiert genau während dieser verschwundenen Stunde. Absurderweise haben wir immer noch eine Zeitumstellung, was ich persönlich nicht verstehe. Dazu gab es ja schon zahlreiche Petitionen. De facto fehlt auf dem Papier eine Stunde. Doch wo ist die abgeblieben? Zuvor habe ich mir noch nie ernsthaft Gedanken darüber gemacht, wie viele Stunden uns in diesem Leben quasi schon geklaut worden sind …
Die Handlung ist ziemlich komplex. Könnte das die Zuschauerinnen und Zuschauer nicht überfordern?
Da jeder "Schwarzwaldkrimi" aus zwei Teilen besteht, gibt uns das die Möglichkeit, ein bisschen mehr in die Tiefe gehen zu können. Also ja, es handelt sich um Filme, denen man schon aufmerksam folgen muss. Wir wissen, dass wir dem Publikum etwas abverlangen – im positiven Sinne. Wenn man mich als Konsumenten fragt, dann empfinde ich genau das als Wohltat. Schließlich laufen mittlerweile viele Produktionen im Fernsehen, bei denen man wunderbar nebenbei andere Dinge erledigen kann. Da sind wir eigentlich wieder bei dem Thema, das wir eingangs besprochen hatten …
Sie meinen also, dass man das Smartphone besser aus der Hand legen sollte, wenn man sich einen Film anschaut?
Grundsätzlich schon. Wobei ich dazusagen muss: Wenn ich während eines Films darüber nachdenke, ob ich nicht nochmal schnell etwas checken könnte, dann spricht das nicht für den Film. Dann hat er mich offensichtlich nicht so gepackt. Dennoch sollte man sich schon ein bisschen disziplinieren.
Max & Friedrich von Thun: Aus Vater-Sohn-Verhältnis wurde Freundschaft
Sind das Werte, die Ihnen Ihr Vater Friedrich von Thun mit auf den Weg gegeben hat?
Mein Vater hat meiner Schwester (die Filmproduzentin Gioia von Thun; Anm. d. Red.) und mir viele positive Werte vorgelebt und weitergegeben. Wir leben alle in München und sind sehr eng miteinander. Irgendwann wird aus einem Vater-Sohn-Verhältnis auch eine Freundschaft. Jedenfalls ist das bei uns der Fall. Ich bin sehr froh, einen so coolen, gebildeten und humorvollen Vater zu haben, der übrigens auch ein toller Großvater ist. Außerdem ist er wunderbarer Kollege, der in unserer Branche sehr geschätzt wird.
Würden Sie gerne nochmal einen Film mit ihm drehen?
Absolut. Es sind immer mal wieder Projekte in Planung, doch die Filmbranche gestaltet sich momentan etwas schwierig – mit Blick auf die Finanzierungen. Manchmal fehlt vielleicht auch der Mut. Man verlässt sich gerade wieder sehr auf das Wiederbeleben von alten, erfolgreichen Formaten. Aber: An uns soll es nicht liegen. Wenn jemand ein tolles Drehbuch für uns hat, dann immer her damit!
Sie sind auch Musiker und Mitglied der "Band 77". Der Name nimmt Bezug auf Ihr Geburtsjahr. Demnach gehen Sie langsam auf die 50 zu. Hadern Sie heute damit, dass der Bandname Sie immer an das fortschreitende Alter erinnert?
Empfehlungen der Redaktion
Konnte ja keiner ahnen, dass mir das irgendwann auf die Füße fallen würde (lacht). Nein, ich habe überhaupt kein Problem mit dem Älterwerden. Es ist kein Scherz: Über mein erstes graues Haar habe ich mich damals sogar gefreut. Lediglich auf die kleinen Zipperlein würde ich gerne verzichten. Mittlerweile muss ich mir zum Lesen eine Brille aufsetzen. Da merkt man, dass der Körper langsam verfällt (lacht). Aber zum Glück ist es ein langsamer Prozess, mit dem ich gut leben kann. Zudem bin ich im Kopf jung geblieben – genauso wie mein Vater.
Über den Gesprächspartner
- Max von Thun ist ein deutscher Schauspieler und Musiker. 1977 in München geboren, spielte er an der Seite seines Vaters Friedrich von Thun erstmals 1997 in einem Fernsehfilm ("Lamorte") mit. Hauptrollen, etwa in der TV-Serie "Zwei am großen See" (2004-2006) oder in dem Kinofilm "Rubbeldiekatz" (2011), folgten. Der "Schwarzwaldkrimi"-Darsteller ist zudem als Kinderbuchautor-Darsteller tätig – 2018 erschien der erste "Der Sternenmann"-Band.