Das Oktoberfest ist ihr zweites Zuhause: Heute führt Stephanie Spendler das Löwenbräu auf der Wiesn in dritter Generation. Im Interview spricht die Wirtin über ihren persönlichen Tiefpunkt – und warum Schönheit allein für den Job als Wiesn-Bedienung nicht reicht.
Seit sie zwölf ist, gehört Stephanie Spendler zum Löwenbräu, eines der größten Festzelte auf dem Oktoberfest. Heute führt sie es als Wirtin in dritter Generation.
Im Interview mit unserer Redaktion verrät sie, wie sich das Wiesn-Publikum verändert hat und welches Jahr für sie "die krasseste Zäsur" war. Auch beim Thema Personal wird sie deutlich: Wer nur hübsch aussehen will, hat auf der Wiesn nichts verloren. Die Festzeltwirtin erklärt, worauf sie bei neuen Wiesn-Bedienungen achtet.
Frau Spendler, wie hat sich das Oktoberfest in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert?
Stephanie Spendler: Das Verhalten der Gäste hat sich verändert: Die Welt ist kleiner geworden. Wir haben viele Anfragen aus Italien, den USA, der Schweiz, Österreich und den Niederlanden. Da merkt man: Die Wiesn boomt. 80 Prozent der Besucher kommen heute aber noch aus München und Umgebung. Die meisten Tischreservierungen haben die Einheimischen und bilden somit das Gerüst des Zeltes.
Wie sieht es mit der Trinklust aus?
Früher haben die Gäste mehr Alkohol getrunken. Obwohl wir mehr Besucher haben, kommen wir an die Bier-Zahlen aus den 1980ern und aus der Wende-Zeit nicht mehr ran. Die Jahre nach der Wiedervereinigung, als die Gäste aus den neuen Bundesländern zum ersten Mal auf die Wiesn gekommen sind, waren unsere stärksten.
Mit dem Alkoholkonsum kommt häufig die Aggression. Gibt es mehr Schlägereien?
Gott sei Dank wird nicht mehr so viel geschlägert. Wir haben mit Schlägereien – im Vergleich zu den Jahren, in denen ich angefangen habe – so gut wie keine Probleme mehr. Früher haben die Gäste nur gesessen, haben bestenfalls etwas geschunkelt. Irgendwann kam der Enten-Tanz. Aber mittlerweile stehen sie alle auf der Bank und tanzen, weil wir Musik haben, die dazu animiert. Das nimmt sehr viel von dem Aggressionspotenzial, weil die Gäste ständig in Bewegung sind.
Stephanie Spendler: "Das erste Corona-Jahr war die krasseste Zäsur"
Womit hatten Sie als Wiesn-Wirtin in den letzten Jahren am meisten zu kämpfen?
Es gibt immer Herausforderungen beziehungsweise Jahre, in denen etwas passiert, zum Beispiel 2001 in New York. Das war eine ganz schlimme Wiesn. Es war kurz davor, dass man sie absagt. 2016 hatten wir den Amoklauf im OEZ [Olympiaeinkaufszentrum in München, Anm. d. Red.]. Solche Ereignisse sind für Großveranstaltungen, wie wir es sind, immer schlecht: Die Leute haben Angst, gehen nicht mehr so gerne raus.
Für Leute wie mich, die das ganze Jahr die Wiesn vorbereiten und für die Wiesn leben, war die krasseste Zäsur das erste Corona-Jahr. Weil es da keine Wiesn gegeben hat. In dem Sommer habe ich eine kleine Depression und Gürtelrose bekommen. Dieser Lockdown hat mir psychisch gar nicht gutgetan.
Und danach?
Das Jahr 2022, in dem es dann endlich wieder losging, war extrem hart, weil wir Probleme hatten, genügend Mitarbeiter zu finden – auch im Service. Jetzt hat sich das wieder beruhigt. Dieses Jahr hatten wir sehr viele Bewerbungen für den Service.
Und zuletzt haben wir unsere Küche renoviert. Das ist schon eine Challenge, weil wir keinen Probelauf hatten: Man fängt am Samstagmittag um 12 Uhr von null auf hundert an – und muss aus dieser neuen Küche in drei Stunden 8.000 Essen rausschicken.
Wenn du eher jemand bist, dem es wichtig ist, dass die Fingernägel schön sind, dann ist das nichts für dich.
Das müssen Wiesn-Bedienungen mitbringen
Worauf achten Sie am meisten bei den Service-Bewerbungen?
Wir haben so gut wie niemanden mehr, den wir nehmen, weil wir langjährige Mitarbeiter haben. Wenn im Service-Team jemand ausfällt, kommt die Empfehlung für Ersatz in der Regel aus dem Team selbst. Und darauf verlasse ich mich. Die Service-Mitarbeiter arbeiten im Team in einen Geldbeutel. Da kann ich nicht einfach einen Fremden dazutun, da muss Vertrauen da sein.
Ansonsten tendiere ich eher zu Damen, weil das die klassische Wiesn-Bedienung im Dirndl ist. Und dann habe ich es gern nicht ganz so jung. Ein bisschen lebenserfahren sollten sie schon sein. Also einen 18-jährigen Schulabgänger würde ich nicht nehmen. Und man muss körperlich belastbar sein und Lust haben zum Arbeiten, denn das ist eine sehr anstrengende körperliche Arbeit. Wenn du eher jemand bist, dem es wichtig ist, dass die Fingernägel schön sind – oder nicht die körperliche Konstitution hast, dass du zehn Maß Bier tragen kannst –, dann ist das nichts für dich.
Stephanie Spendler: "Wir Frauen sind gute Gastgeberinnen"
Erleben Sie die Festzeltbranche als eine Männer-Domäne?
Ich habe nicht das Gefühl, dass ich hier in einer Männerwelt bin. Wir haben auf der Wiesn vier Wirtinnen. Im Grunde ist in jedem Zelt eine Frau dabei. Das Gastgeben ist meines Erachtens eine Frauen-Domäne.
Warum?
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Wir Frauen sind gute Gastgeberinnen. Zu Hause ist es doch auch oft so, dass die Frau bei einer Einladung den Tisch schön herrichtet, die Blumen-Deko macht und zusieht, dass alles ordentlich ist. Männer kochen ja jetzt neuerdings auch gerne. Früher war das so, dass die Frau die Hausfrau und die Gastgeberin war.
Ein komplett alkoholfreies und/oder veganes Wiesn-Zelt: Wären Sie dabei?
Das macht keinen Sinn. Für mich unvorstellbar. Alkoholfrei trinken circa drei Prozent der Gäste, vegan essen unter einem Prozent der Gäste. Der Gast trinkt gerne Bier mit Alkohol. Der Gast möchte Würstl, Hendl, Haxe, Schweinsbraten essen. Aber klar, wir müssen das Angebot auch stellen. Es gibt auch viele Leute, die keinen Alkohol trinken möchten.
Über die Gesprächspartnerin
- Stephanie Spendler führt seit 2019 als Festzeltwirtin das Löwenbräu - eines der größten Zelte auf dem Oktoberfest. Ihre Familie ist seit Jahrzehnten auf dem Oktoberfest vertreten: Ihre Großeltern übernahmen 1953 das Schützenzelt, 1979 zog die Wirtsfamilie Hagn & Spendler ins Löwenbräuzelt um. Seit 2023 ist Spendlers Sohn Lukas in vierter Generation dabei.