Mode ist heute kurzlebiger, austauschbarer, generischer. Auch, weil große Luxuskonzerne ein Modehaus nach dem anderen schlucken. Ein Abgesang auf eine Branche, die langsam zum Rummelplatz wird.
Mit
Radikale Zeitlosigkeit
Und während Saint Laurent ein bisschen nach PowerPoint müffelt und Balenciaga sich immer wieder selbst parodiert, trug Armani weiter seine doppelt geknöpften Sakko-Schnitte durch die Welt, als wäre es 1983 – und das war’s eben auch. Zeitlosigkeit war seine radikalste Geste.
Mag sein, dass seine Entwürfe deshalb vielleicht nicht ins Auge fielen, im Gedächtnis blieben sie trotzdem. "Um die Eleganz zu erobern, braucht es einen Dämpfer, mit dem man schrille Trends entschärfen kann", soll Giorgio Armani einmal gesagt haben. In einer Zeit, in der viele Kollektionen dafür gemacht scheinen, sich gut fotografieren zu lassen, auf dem Laufsteg zu irritieren und im Feed aufzufallen, war seine Mode so ein stiller Dämpfer.
Stil statt Hype
Keine Hype-Kollaborationen mit Fast-Fashion-Ketten, keine Skandal-Kampagnen, keine NFTs in Sicht. Nur Stil – kompromisslos. Armani soll sein Imperium wie ein Mailänder Medici regiert haben, mit eiserner Kontrolle, jeder Menge Charme und keiner Lust auf LVMH, den über 246 Milliarden Euro schweren Luxusmarken-Staubsauger von Bernard Arnault, der schon Armanis Mitstreitende Dior, Fendi, Loewe und Celine aufgesaugt, umgebaut und neu gebrandet hat. Die Folgen hier? Eine angepasste Ästhetik, die immer glatter, generischer, globaler wird.
Last Man Standing
Umso bemerkenswerter Armanis Standhaftigkeit. Er war der "Last Man Standing" in einer Branche, in der bereits so viele gefallen sind und sich der Logik von Konzernen und Konsumentenalgorithmen unterworfen haben.
Gucci wird mal maximalistisch, mal minimalistisch – je nachdem, ob gerade Alessandro, Sabato oder neuerdings Demna an der Macht ist. Bei dessen Ex-Label Balenciaga laufen derweil weiterhin schultergepolsterte Models der Endzeit entgegen.
Jil Sander? Seit Jahren Teil des Diesel-Mutterkonzerns, der OTB Group, zu der auch Maison Margiela gehört. Selbst die Avantgarde hat heute einen Marketing-Plan.
Wenig Lärm, viel Präsenz
In dieser verdealten Welt war Armani ein Anachronismus mit klarer Kante. Kein Kreativ-Kollektiv, kein Moodboard-Gewimmel, keine Metaverse-Mätzchen. Stattdessen: 200 Millionen Euro Jahresumsatz mit Maßanzügen. Muss man erst mal schaffen, mit so wenig Lärm so viel Präsenz zu zeigen!
Empfehlungen der Redaktion
Schlicht, indem man dagegenhält. Armani ließ sich nie kaufen, weder von Konzernen noch vom Zeitgeist. Für ihn war Stil nicht Strategie, sondern (Under-)Statement. Seine Mode war still, aber präzise wie ein scharfes Revers. Nun also der Nachruf – und die Frage: Wie lange bleibt das Haus Armani noch unabhängig? Die Familie sagt: für immer. Doch was währt schon ewig?