Ein bisschen Nostalgie, ein paar "Coldplay"-Seitenhiebe und rund 60.000 Fans im Regen: Robbie Williams betritt am Samstagabend im Astronautenanzug die Bühne im Münchener Olympiastadion – und verspricht einmal mehr, der größte Entertainer aller Zeiten zu sein. Kann er das Versprechen auch mit 51 Jahren noch mühelos einhalten? Eine Show, die Robbie-typisch irgendwo zwischen Gänsehaut und Größenwahn pendelt.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Anika Richter dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

"Er ist der größte Entertainer unserer Generation", kündigt "The Lottery Winners"-Sänger Thom Rylance den eigentlichen Grund der rund 60.000 Zuschauer und Zuschauerinnen im Münchener Olympiastadion am Abend des 26. Julis an: "die Britpop-Tour von Robbie fu**ing Williams".

Nur ein paar Minuten später wird klar: An Rylances ziemlich überheblich anmutender These scheint etwas dran zu sein. Der in Deutschland noch unbekannte Musiker mit schwarzem Hut und Harry-Potter-Brille braucht gefühlt nur Millisekunden, um mit "Angels" einen der größten Hits von Robbie im ganzen Stadion ertönen zu lassen. Mutige Entscheidung als Vorband, das würde sich sicherlich nicht jede trauen.

Aber der Schachzug ist einfach zu clever: Das ganze Stadion ist trotz des anhaltenden Regens gleich ordentlich in Stimmung. Da hat wohl einer vom großen Meister gelernt.

Und der große Meister des Entertainments lässt nicht lang auf sich warten. Punkt 20:40 Uhr, wie angekündigt, betreten eine Reihe von Tänzerinnen mit schwarz-weißen "RW"-Fahnen die Bühne. An den riesigen Bildschirmen rechts und links flimmern Worte, die von einer futuristischen Stimme aka Künstliche Intelligenz vorgelesen werden. Der einprägendste Satz dürfte der gewesen sein: "Es gibt einen Entertainer, der über allen anderen steht. Sein Name ist Robbie Williams."

Gleich hier – eigentlich hatte man bereits bei Rylances Ankündigung eine leise Vorahnung - wird die Marschrichtung des Abends klar: Robbie ist und bleibt der größte Entertainer – mit einer guten Prise Narzissmus.

"Let me entertain you" ist und bleibt der Opener

Robbie Williams performt in seinem ikonischen roten Trainingsanzug. © 1&1 Mail & Media/Anika Richter

Ganz in diesem Sinne erscheint The One and Only in einem silbernen Astronauten-Dress, das die aufgemotzte Version von Tom Cruises Overall aus "Top Gun" hätte sein können - und performt mit Roboter-Moves und sprühenden Funken seinen neuen Song "Rocket". Mit einem Blick ins Publikum merkt man allerdings schnell: Den Leuten (einschließlich mir) gefällt zwar der Song, sie klatschen und summen mit, aber eigentlich haben sie etwas anderes erwartet.

Doch Robbie wäre nicht Robbie, wenn er das offenbar nicht schon geahnt hätte. Und so greift der 51-Jährige in seine altbewährte Entertainment-Trickkiste und stimmt als Zweites seinen Opener-Klassiker "Let me entertain you" an – aber nicht ohne in seinen ikonischen roten Trainingsanzug zu schlüpfen, den er 1995 auf dem berühmten Glastonbury-Festival getragen hatte.

Gleich während der ersten Töne stehen alle von ihren Sitzen auf, heben ihre Hände und singen lauthals mit. Stärker hätte der Kontrast zu der Reaktion auf das erste Lied nicht sein können. Und schneller hätte Robbie es nicht beweisen können: Er kann es nach all den Jahren immer noch, entertainen. Aber kann er das Tempo im Laufe des Abends beibehalten?

Robbie Williams
Robbie Williams bei seinem Auftritt im Olympiastadion München am 26. Juli 2025. © 1&1 Mail & Media/Anika Richter

Robbie Williams und die Selbstliebe

Seine Worte nach dem zweiten Song verheißen zumindest vielversprechendes: "Mein Traum ist es, der bester Entertainer der Welt zu sein. Michael Jackson ist der King of Pop. Aber ich nenne mich selbst den King of Entertainment." Die Messlatte ist hoch. Einige würden an dieser Stelle – oder auch nach Sätzen wie "Ich bin so fu**ing berühmt hier in Deutschland" - wahrscheinlich sagen, dass auch noch etwas anderes sehr hoch ist, nämlich Robbies Selbstverliebtheit. Das stimmt auch vermutlich.

Merchandise-Shirt
Offizielles Merchandise-Shirt von Robbie Williams' Britpop-Tour. © 1&1 Mail & Media/Anika Richter

Doch Robbie hat eine Eigenschaft, mit der seine Selbstverliebtheit für ein paar Momente gut übertünchen kann: (selbst-)ironisch, statt (selbst-)mitleidig zu sein. Beispielsweise wenn er zu seinen Problemen nicht nur Angstzustände, Depressionen und Suchterkrankungen aufzählt, sondern auch – mit einem breiten Grinsen - die kleine Größe seines besten Stückes. Oder wenn er sich beschwert, dass niemand den Refrain seines Songs "Candy" (2012) vollständig auswendig singen könne – er mit eingeschlossen. Oder wenn er sich mal wieder lächelnd über sein Alter beschwert: "Ich habe die besten Zeiten hinter mir. Ich bin hier nicht mehr für den Ruhm oder das Geld. Sondern, weil ich vier Kinder und ein Haus habe." Womit er im Grunde wieder eines tut: entertainen.

Robbie Williams interviewt sein jüngeres Ich

Sehr gut funktioniert das auch mit Nostalgie, gepaart mit ein paar technischen Helferlein. Zum Beispiel als er Familienbilder auf der Leinwand während des Sinatra-Covers "My way" kommentiert oder mit seinem 17-jährigen Ich mithilfe von KI ein Interview führt.

Robbie William spricht mit seinem 17-jährigen Ich. © 1&1 Mail & Media/Anika Richter

Offenbar reicht auch eine schlichte Frage wie "Wollt ihr mit mir alt werden?" für lauten Jubel. Und manchmal braucht es nur ein anstimmendes "Bambam-badadada", um das Publikum umgehend in die melancholische Welt von "The Road to Mandalay" (2001) entfliehen zu lassen.

Robbie Williams verteilt Seitenhiebe gegen Coldplay

Robbie ließ es sich nicht nehmen, öffentlich ein paar Seitenhiebe gegen Coldplay zu verteilen. So versichert er einem Mann im Publikum, der in den Lichtkegel gerät und ganz erschrocken sein Selbstbild auf der großen Leinwand sieht, dass es sich nicht um den "Coldplay-Moment" handle.

In einem anderen Moment sendet er dem Frontsänger ein "Fu** off, Chris Martin!" Hintergrund des nicht ganz so charmanten, aber mit einem Augenzwinkern versehenen Ausrufs war übrigens nur eine zusätzliche Bühne, um die er zuvor Coldplay-Sänger Chris Martin beneidet hatte und sich nun selbst auch hat aufbauen lassen. Also alles halb so wild.

Letztendlich überzeugt, dass Robbie in puncto seiner Entertainment-Fähigkeit zu Anfang kein (halb-)leeres Versprechen abgegeben hat, haben allerdings seine letzten beiden Songs des Abends: "Feel" und das von ihm zur "Nationalhymne des Oktoberfests" ernannte "Angels". Einfach absolute Klassiker.

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Und wie es sich in Robbie-Manier gehört, durfte nach knapp zweieinhalbstündiger Power-Show eine theatralischer – Entschuldigung, ich meinte natürlich "King of Entertainment"-würdiger – Abgang mit funkensprühenden Engelsflügeln nicht fehlen.