Christine Eixenberger verteilt Blaue Briefe: In ihrer neuen Satire-Show nimmt sich die bayerische Kabarettistin die "Großkopferten" vor. Das Themenspektrum reicht dabei "vom linken bis zum rechten Rand". Wir haben die 38-Jährige gefragt, welche Politiker in der Sendung zum Nachsitzen verdonnert werden.
In jeder Folge von "Nachsitzen mit Christine Eixenberger" (donnerstags um 21 Uhr im BR-Fernsehen und in der ARD-Mediathek) versammelt die Gastgeberin ein prominent besetztes Kollegium aus Kabarettisten und Comedians in "ihrem" Klassenzimmer. Zunächst werden Vorschläge gemacht und Plädoyers gehalten, ehe der jeweilige "Nachsitzer der Woche" auserkoren wird. Das Setting ist für Eixenberger kein Neuland, wäre sie doch fast Grundschullehrerin geworden.
Im Interview mit unserer Redaktion spricht die "Nachsitzen-Frontfrau" über ihren beruflichen Werdegang, weibliche Sichtbarkeit im TV und "allzu schnell in Vergessenheit geratene Schmutzeleien".
Frau Eixenberger, wie oft mussten Sie in der Schule nachsitzen?
Christine Eixenberger: Gar nicht, soweit ich mich erinnern kann – oder ich habe es nur erfolgreich verdrängt (lacht). Trotzdem war ich für meine Lehrerinnen und Lehrer keine einfache Schülerin …
Warum nicht? Waren Sie etwa ein Klassenclown?
Das vielleicht nicht, aber ich habe meine Familie sowie meine Klassenkameradinnen und Klassenkameraden schon gerne unterhalten. Während des Unterrichts habe ich häufig unaufgefordert "geratscht", wie man in Bayern so schön sagt.
Aus Ihnen wäre fast eine Grundschullehrerin geworden. Wieso haben Sie doch einen anderen Weg eingeschlagen?
Offen gesagt, habe ich viele verschiedene Wege eingeschlagen: Ursprünglich wollte ich Goldschmiedin werden. Da ich in diesem Beruf aber wohl weder mich noch eine Familie hätte ernähren können, wie mir ein befreundeter Goldschmied sagte, lernte ich Rechtsanwaltsfachangestellte bei meiner Firmpatin. Als ich zwei war, sagte sie zu meiner Mama, dass ich eines Tages ihre Kanzlei übernehmen würde. Offensichtlich hatte ich schon als kleines Kind ein Anwaltsgesicht.
Später entschied ich mich dann tatsächlich für ein Jurastudium – ehe mich mein Co-Autor, Mentor und Freund Tobias Öller fragte, ob ich nicht Lust auf ein Duo-Programm hätte. Da bei mir zu dem Zeitpunkt ohnehin Baurecht auf dem Plan stand, zog ich die 20, 30 Auftritte gerne vor – auch wenn die finanziellen Aussichten zunächst so rosig aussahen wie die einer Goldschmiedin. Sie sehen, Geld war eher nicht meine treibende Motivation (lacht). Jedenfalls brach ich das Jurastudium ab, nur um dann später Grundschullehramt zu studieren.
"Mir hat die Idee gefallen, den Zuschauerinnen und Zuschauern einen Nostalgie-Moment zu bieten."
Woher kam dieser Sinneswandel?
Über eine Freundin, deren Mutter Grundschullehrerin in Gmund am Tegernsee war. Dort ist jemand für die letzten vier Monate eines freiwilligen, sozialen Jahres abgesprungen. Und ich habe dann quasi übernommen. So durfte ich auch die Theatergruppe an der Schule mit betreuen.
Schon damals war ich der Meinung, dass gute Lehrkräfte immer die sind, die auch besonders gut entertainen können. Also Menschen, die die Passion haben, Kindern oder Jugendlichen die Sinnhaftigkeit von Lernen zu vermitteln und sie auch von Themen zu begeistern, die auf den ersten Blick vielleicht nicht so spannend sind. Irgendwie passte das ganz gut zu mir.
Später entschied ich mich dann aber dafür, als selbständige Kabarettistin zu arbeiten und die Figur der Lehrerin auf die Bühne zu heben. Heute, fast 13 Jahre später, kann ich sagen: Es ist etwas daraus geworden!
Das Klassenzimmer, das als Setting der Satire-Show dient, ist Ihnen also vertraut. Was versprechen Sie sich von dem pädagogischen Ansatz dieser Sendung?
Mir hat die Idee gefallen, den Zuschauerinnen und Zuschauern einen Nostalgie-Moment zu bieten. Wir sitzen in einem Klassenzimmer, begegnen dem Publikum aber auf Augenhöhe – und eben nicht mit erhobenem Zeigefinger. Vielmehr treten wir nach oben zu den "Großkopferten".
Wen meinen Sie mit "Großkopferten"?
Die Mächtigen, die – wenn sie denn wollten – die Möglichkeit hätten, an den Missständen etwas zu ändern. Es wäre wünschenswert, wenn einige Politikerinnen und Politiker mal über die vierjährige Legislaturperiode hinausschauen würden.
Am Ende des Tages ist "Nachsitzen" aber eine Unterhaltungsshow. Die Leute sollen ihren Fernseher danach mit einem Grinsen auf dem Gesicht ausschalten können. Abgesehen von dem nostalgischen Ansatz habe ich das Gefühl, dass es dringend an der Zeit ist, das Thema Bildung mehr in den Fokus zu rücken. Es wird seit Jahren viel zu stiefmütterlich behandelt.
Welche Themen werden in der Sendung angesprochen?
Erst zu Beginn dieser Woche haben wir zwei Folgen aufgezeichnet, mit Michael Kessler und Maxi Gstettenbauer sowie Christian Springer und Lara Ermer. Die Themen könnten unterschiedlicher kaum sein – vom linken bis zum rechten Rand über die Causa erneuerbare Energien bis hin zu der Frage "Was darf man denn eigentlich noch sagen?". Letztere Frage wird ja vorzugsweise gerne von älteren Männern in den Raum geworfen …
Wer hat es denn verdient, zum Nachsitzen verdonnert zu werden?
Wie Sie sich sicher vorstellen können, ist die Liste ziemlich lang (lacht) …
"Mir war es von Anfang an wichtig, dass bildungspolitische Themen als Rahmen Teil der Sendung sind."
Wäre zum Beispiel
Mark Rutte, die Wendehals-Schnecke? Für mich definitiv. Und so viel darf ich schon verraten: Wir werden durchaus vergleichbare Beispiele, auch aus dem amerikanischen Raum, zur Sprache bringen. Auch ich werde eigene Themen setzen – über meinen eigenen Anspruch hinaus, eine gute, warmherzige Gastgeberin zu sein.
Mir war es von Anfang an wichtig, dass bildungspolitische Themen als Rahmen Teil der Sendung sind. Eine Frage, der ich persönlich beispielsweise auf den Grund gehen wollte, lautet: Welchen Einfluss hat die KI aufs Klassenzimmer? Oder: Was macht es mit einem, wenn man als kinderlose Frau ständig mit der Frage "Wann ist es denn endlich bei dir so weit?" konfrontiert wird.
Trotz der thematischen Bandbreite: Ist "Nachsitzen" in erster Linie als Reaktion auf die Wahl von älteren, weißen Staatsmännern wie
Nein, es ist nicht spezifisch als Reaktion auf Trump und Merz zu verstehen. Die Aufgabe von Kabarett ist es generell, den Leuten und vor allem den Entscheidungsträgerinnen und -trägern den Spiegel vorzuhalten – und das überspitzt darzustellen. Und wenn die Entscheidungsträger alte weiße Männer sind, dann eben ihnen.
Was erhoffen Sie sich davon?
Unsere – vielleicht etwas naive – Hoffnung ist, dass sich ein bisschen was verändert. Oder dass wir jemanden mit dem einen oder anderen Argument doch noch abholen können. Man mag daran zweifeln, dass sich ein Herr Merz oder ein Herr Dobrindt wegen unserer Sendung einer Baustelle annehmen wird. Aber wenn wir zumindest einen kleinen Beitrag zur gesellschaftspolitischen Debatte leisten können, haben wir schon viel erreicht.
Führt ein Blauer Brief nicht dazu, dass der Empfänger am Ende des Tages mehr Aufmerksamkeit bekommt, als ihm eigentlich zusteht?
Bei der Flut an Informationen und den Fake-News, die uns täglich in die Timeline gespült werden, kann es passieren, dass manche Themen unter den Teppich oder schnell wieder aus unserem Gedächtnis gekehrt werden. Darauf nochmal hinzuweisen, halte ich für wichtig. Wir haben das doch bei Trump und den Epstein-Files gesehen: Niemand redet mehr darüber. Die Aufgabe von Kabarett und Satire ist es, auch die allzu schnell in Vergessenheit geratenen Schmutzeleien der Nebenschauplätze zu beleuchten.
Politisch-satirische Formate haben im BR-Fernsehen Tradition – man denke an "schlachthof" oder "Asül für alle". Sie bringen jetzt eine weibliche Handschrift mit hinein. War das überfällig?
Ich bin total happy, dass man sich beim BR für ein neues Satire-Format mit einer weiblichen Frontfrau entschieden hat. Mit Blick auf deutsche Unterhaltungsshows sind wir immer noch nicht so weit, wie wir vielleicht sein könnten. Von daher freue ich mich, dass ich hier meinen weiblichen Blickwinkel einbringen kann. Frauen machen rund 50 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Warum sollte man das im deutschen Fernsehen nicht auch sehen?
Über die Gesprächspartnerin
- Christine Eixenberger ist eine deutsche Kabarettistin und Schauspielerin. Am Tegernsee geboren, schloss sie ihr Grundschullehramtstudium 2015 mit dem Staatsexamen ab. Bereits in den Jahren zuvor sammelte sie als Teil des Kabarett-Duos "Öller & Eixenberger" ihre ersten Bühnenerfahrungen. Einem breiten TV-Publikum wurde Eixenberger durch die ZDF-Serie "Marie fängt Feuer" bekannt, in der sie von 2016 bis zur Einstellung 2025 eine Hauptrolle spielte.