In "Das gläserne Kind" spielt Hanna Plaß eine Tochter, die von ihrer Mutter vernachlässigt wird. Auch komplizierte Vater-Tochter-Beziehungen sind der 36-Jährigen nicht fremd, wie zwei aktuelle Filme mit ihr in der Hauptrolle belegen. Wir haben die Schauspielerin gefragt, welcher der beiden Eltern-Kind-Konflikte für sie in der Darstellung herausfordernder ist.
In dem Film "Ein ganz großes Ding" (in der ZDF-Mediathek streambar) liefert sich Hanna Plaß als Charlotte Kraft einen Machtkampf mit ihrem Vater Joachim (gespielt von Jörg Schüttauf). Am 9. August ist die gebürtige Londonerin in "Nächte vor Hochzeiten" (um 20:15 Uhr im Ersten) zu sehen. Die von ihr verkörperte Saskia Kampmann hat nicht nur unter den Erwartungen ihres Vaters zu leiden, sondern wird obendrein kurz vor der Hochzeit sitzengelassen.
Im Interview mit unserer Redaktion erklärt Hanna Plaß, inwiefern sich Vater-Tochter-Konflikte von Mutter-Tochter-Konflikten unterscheiden. Zudem spricht sie über Junggesellenabschiede und ihre Dreh-Erfahrungen mit älteren Schauspielern.
Frau Plaß, welches war das größte Ding, das Sie jemals gedreht haben?
Hanna Plaß: Ich glaube, das größte Ding, das ich jemals gedreht habe, war mein erster eigener Film. Auf der einen Seite fühlte es sich wie Hochstapelei an, auf der anderen Seite musste es unbedingt passieren.
Inwiefern Hochstapelei?
Jeder Film besteht aus gefühlt unendlich vielen Komponenten. Ton, Bild, Farben, Linsen, Technik, Make-up, Kostüm: Es gibt so viele Expertisen, die es zu berücksichtigen gilt. In dem Moment, wo du einen eigenen Film machst, tauschst du dich mit sämtlichen Expertinnen und Experten aus. Die Entscheidung liegt letztendlich aber immer bei dir selbst – und du hoffst, dass du dich richtig entschieden hast. Es ist wirklich sehr aufregend.
"Großstädter unterscheiden sich nicht so sehr von Dorfleuten."
Sie wurden in London geboren, sind aber in Oberfranken auf dem Land aufgewachsen. Der Film spielt in Waldsee, einer fiktiven Kleinstadt irgendwo in Deutschland. Sie kennen beide Welten. Ticken Großstädter wirklich anders als weite Teile der Landbevölkerung?
Stimmt, ich bin auf dem Dorf groß geworden. Und meine Eltern leben heute noch in einem Dorf mit nur 300 Einwohnerinnen und Einwohnern. Meine Erfahrung ist, dass sich Großstädter nicht so sehr von Dorfleuten unterscheiden – was die Mentalität und die Einstellung zur Politik oder allgemein zu Veränderungen angeht. Auch in Berlin, wo ich lebe, führt man manchmal Gespräche, über die man sich schon wundern muss. Zwar ist man hier von einer anderen Internationalität umgeben, doch auch in ländlichen Regionen gibt es viele unterschiedliche gelebte Kulturen. Wenn man seine Augen und Ohren nicht verschließt, kann man mit allen Menschen in einen guten Austausch kommen.
Was nehmen Sie aus den "Dorfgesprächen" mit, wenn Sie zum Beispiel Ihre Eltern besuchen?
Dass in den vergangenen Jahren durch die Regierung richtig viel auf die Kommunen abgewälzt wurde – zum Beispiel mit Blick auf die Finanzierung von Schwimmbädern, Schulen oder Straßen. Das hat dazu geführt, dass es mittlerweile einen Mangel an Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern oder Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern gibt. Diese Jobs sind wahnsinnig undankbar. Demokratie ist voller Kompromisse und ewig langer Diskussionen. Umso dankbarer bin ich jeder einzelnen Person, die sich einer solchen Aufgabe annimmt. Und ich finde es super, dass sich unser Film diesem Thema widmet.
Die Bürgermeisterin in dem Film, gespielt von Silke Bodenbender, möchte eines Tages Bundeskanzlerin werden. Wie gefällt Ihnen der Gedanke, immer nach dem Größtmöglichen zu streben?
Ein gewisses Machtstreben braucht es schon, wenn man in der Politik etwas bewegen will. Ob als Politikerin oder Schauspielerin: Aktivismus bedeutet für mich auch, das Leben in seiner Fülle zu leben und die Welt zu einem Ort zu machen, an dem man leben möchte.
Hanna Plaß: Kollektive Lachanfälle wegen "Provinz-Gangstern" Schönemann und Schwarz
Wie gefallen Ihnen
Richtig, richtig gut. Wobei sie uns bei den Dreharbeiten vor ein Problem gestellt haben. Jedes Mal, wenn die beiden auftauchten, verfiel das gesamte Team sofort in einen kollektiven Lachanfall. Niemand konnte sich zusammenreißen. Zumal Hinnerk und Sebastian auch nach einer Szene in ihren Rollen blieben und einfach nicht aufhörten, ihre Gags vom Stapel zu lassen. Mich hat nur gerettet, dass ich keine direkte Szene mit den beiden Gangstern hatte.
Dafür hatten Sie in Ihrer Rolle der Charlotte Kraft umso mehr Szenen mit Ihrem Film-Vater Jörg Schüttauf. Wie lief die Zusammenarbeit mit ihm?
Jörg Schüttauf war für mich das nächste große Problem. Dass er vor der Kamera sensationell sein würde, damit hatte ich gerechnet. Worauf ich nicht eingestellt war, weil ich noch nie zuvor mit ihm zu tun hatte: Er ist hinter der Kamera unfassbar witzig. Noch nie zuvor habe ich an einem Set so viel gelacht. Am liebsten würde ich nur noch mit Jörg Schüttauf spielen.
Als seine Film-Tochter haben Sie an seiner Seite allerdings wenig zu lachen …
Das stimmt. Vater und Tochter tragen innerhalb des Unternehmens, das sie beide lieben, einen Machtkampf aus. Sie möchte es weiterführen, hat aber ganz andere Ideen als ihr Vater. Doch er ist der Chef und sie seine Nachfolgerin. Vater und Tochter müssen also einen Weg finden, um sich aus dieser Konstellation zu befreien.

Während Charlotte in "Ein ganz großes Ding" also mit ihrem Vater konkurriert, versucht Saskia in "Nächte vor Hochzeiten", sich von dem Erwartungsdruck ihres Vaters zu befreien. Was reizt Sie als Schauspielerin an der Darstellung von Vater-Tochter-Beziehungen?
Es ist ein spannender Konflikt, den ich mit meinem Vater zum Glück nie erlebt habe. Beruflich kann ich mich aber hineinversetzen. Lange Zeit war ich für andere nur "die junge Schauspielerin". Ich habe mit vielen Männern zusammengearbeitet, die meine Väter hätten sein können. Es liegt in der Natur der Sache, dass unsere Erfahrungswelten weit voneinander entfernt sind. Nicht falsch verstehen: Es waren tolle Männer und tolle Arbeiten. Aber dieses Gefühl von "Du kannst mich nicht verstehen" und "Ich kann dich nicht verstehen" verlässt einen nicht.
Der Unterschied zwischen Vater-Tochter-Konflikten und Mutter-Tochter-Konflikten
In "Das gläserne Kind" wiederum tragen Sie mit Katharina Böhm einen Mutter-Tochter-Konflikt aus. Was ist schauspielerisch herausfordernder: mit einem Film-Vater oder einer Film-Mutter zu interagieren?
Bei Vater-Tochter-Konflikten geht es – weil wir in einer patriarchalischen Struktur leben – immer um Macht. Bei Müttern hingegen steht immer die Fürsorge im Vordergrund. Macht ist ein Kampf, nicht mehr und nicht weniger. Fürsorge ist grundsätzlich viel emotionaler, sie geht unter die Haut – zumal hier auch die Angst vor dem Alleinsein eine Rolle spielt. Es sind ganz unterschiedliche Konflikte. Ich möchte unbedingt hinzufügen, dass diese strukturelle Aufteilung überhaupt nicht fair ist. Ich finde, dass Väter unfassbar fürsorglich sein können. Und Mütter sind herausragende Führungskräfte.
In "Nächte vor Hochzeiten" stellen zwei Junggesellenabschiede das Leben zweier Paare völlig auf den Kopf. Wie stehen Sie zu JGAs?
Das Ritual verstehe ich. Ein Junggesellenabschied steht symbolisch dafür, dass man von der einen Lebensphase in die andere übergeht. Ich glaube aber, dass Beziehungen heute nicht mehr so aufgestellt sind. Bei einem JGA schwingt vielleicht immer ein bisschen dieser hilflose Versuch mit, eine Struktur zu finden – für eine Entscheidung, die man eigentlich schon lange getroffen hat. Dieses Gefühl, dass man am liebsten für immer gemeinsam durchs Leben gehen möchte, beginnt ja nicht erst am Tag des Junggesellenabschieds. Aber dieser Wunsch nach Struktur ist nur menschlich.
Wie fühlt es sich an, kurz vor der Hochzeit sitzengelassen zu werden? In Ihrer Rolle als Saskia Kampmann haben Sie genau das erlebt.
Im besten Sinne lebendig (lacht). Ausgerechnet in dem Moment, in dem sich Saskia Kampmann dafür entscheidet, aus ihrem alten System auszubrechen, bricht alles um sie herum zusammen. Auf einmal steht sie völlig allein da. Sie tut mir furchtbar leid. Andererseits ist es für sie eine große Befreiung und Chance, noch einmal ganz neu anzufangen.
Sie sind Schauspielerin, Regisseurin und Musikerin. Ist es Fluch und Segen zugleich, viele Talente zu haben, weil am Ende die Zeit fehlt, allen Leidenschaften nachzukommen?
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Ja, es ist schwer auszuhalten. Schon mein gesamtes berufliches Leben lang bemühe ich mich, die Strukturen zu finden, die es mir ermöglichen, alle Wünsche und Talente leben zu können. Mittlerweile bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass alles seine Zeit hat. Es gilt, die Dinge zu genießen, die ich im Moment machen darf – und eben nicht dem Druck zu erliegen, unbedingt etwas Neues herausbringen zu müssen. Trotzdem weise ich an dieser Stelle gerne auf ein kleines Konzert hin, das wir am 04.09. in Spreefeld/Berlin im Bootshaus geben werden. Wer mag, darf gerne vorbeikommen …
Über die Gesprächspartnerin
- Hanna Plaß ist eine deutsche Schauspielerin, die in London geboren wurde und in einem Dorf im Fichtelgebirge aufwuchs. Als Darstellerin bringt man sie vor allem mit diversen Episoden-Hauptrollen ("Die Chefin", "Lena Lorenz") und dem Film "Das gläserne Kind" in Verbindung, in dem sie an der Seite von Katharina Böhm spielte. Neben der Schauspielerei widmet sich Plaß der Musik – ihre ersten Lieder schrieb sie im Alter von 14 Jahren.