Rapper Sido nimmt bekanntlich eher selten ein Blatt vor den Mund. Umso interessanter also, wie er die Neuinterpretation seiner drei Hits in der ProSieben-Show "My Hit. Your Song" beurteilen würde. Neben ihm nahmen Platz: Namika und "Ace of Base"-Sängerin Jenny Berggren.
Worum geht’s? In der ProSieben-Show "My Hit. Your Song." interpretieren kaum bekannte Solo-Künstler und Bands die Tracks dreier erfolgreicher Musiker neu. Jeder Star hat zwei Newcomer, die in der ersten Runde den gleichen Track ihres Idols performen müssen und danach ihren persönlichen Lieblingssong des Stars.
Die bekannten Musikgrößen – in der jüngsten Sendung
"My Hit. Your Song.": Moderatorin kündigt Stars singend an
Weniger gut, eigentlich sogar ein wenig verstörend, war der Beginn der Show. Die Moderatorin
Man stelle sich vor, Robert Lembke hätte einst bei "Was bin ich?" Annette, Guido & Co. "eingesungen" oder
Wie auch immer, die allwissende Internet-Müllhalde Wikipedia verriet mir Unwissendem, dass Jeannine Michaelsen auch als Musicaldarstellerin zu Werke geht. Von mir aus. Deswegen muss man in fünf Minuten aber noch lange nicht 38 Mal "toll" sagen. Selbst, wenn 38 Mal was toll war.
Nach einer Eloge auf "Ace of Base", die in den 90er-Jahren eine einzige Song-Idee erfolgreich auf circa sechs Nummern ausrollten, ging’s los. Die Popsängerin Anna Pape und die Hawaii-Hemden tragende Reggae-Band "Cris Cosmo" hatten es mit "Don‘t turn around" gleich mit einem der Megahits der Schweden zu tun.
Die Bläser von "Cris Cosmo" verrichteten bei ihrer groovigen Version einen wirklich ordentlichen Dienst, wenngleich einem die Hawaii-Adjustierung der Bandmitglieder schon auch immer wieder die Impfstellen aufspritzen ließ. Das Problem: Sie erinnerten damit streckenweise an eine Spaßfraktion, die zuvor im Backstage-Bereich einem Eimer Sangria und ein paar Strohhalmen begegnet waren.
Makellose Singer-Songwriter-Qualitäten
Die 20-jährige Pape brachte hingegen unaufgeregt ihre Singer-Songwriter-Qualitäten ein, beeindruckte mit den Stimmbändern und bewies, dass sie durchaus auch ein großes Publikum entertainen kann. "Das war makellos und hat mir wirklich gut gefallen", sagte auch die "Ace of Base"-Queen zur jungen Musikerin.
Sido sah das ähnlich, wirkte aber dennoch mächtig gelangweilt. "Cris Cosmo" fanden die Stars auch ziemlich okay. Ebenso konnte man sich deren Version des Klassikers "All that she wants" durchaus anhören, während Anna Pape beim Track "Beautiful Life" an Amy Macdonald erinnerte. Jenny Berggren entschied sich dann auch für Anna Pape aus Hamburg als erste Finalistin des Abends. Das ergab Sinn.
Die Dialoge zwischen den Tracks waren bis dahin langweilig bis enervierend. Und wenn wir schon beim Lästern sind: Dass man sich in einer ProSieben-Werbepause beinahe den ganzen Film "Ben Hur" reinziehen kann, könnte man auch mal anderorts diskutieren.
Dann waren die Songs der Frankfurterin Namika an der Reihe. Die deutsche Rockband "Lumbematz" aus dem Saarland musste gegen den Südtiroler Dialekt-Barden Max von Milland antreten. Beide hatten sich zunächst an "Lieblingsmensch", dem großen Hit von Namika, abzuarbeiten.
Wenn man in Werbepausen "Ikea"-Schränke zusammen bauen kann
Während jene von "Lumbematz" an "Wanda" und die "Toten Hosen" erinnerten, bot der Südtiroler eine irgendwie putzige, aber etwas blasse "Lieblingsmensch"-Version. Auch Sido applaudierte verhalten, beurteilte aber den sympathischen Südtiroler besser. Namika wiederum fand die Acts "total fresh" sowie "Hammer und klasse", die "Ace of Base"-Jenny hingegen fand keine Worte. Was man schon konstatieren muss: Es gab schon kreativere und spannendere Jury-Begründungen in der Geschichte des deutschen Fernsehens.
Danach intonierten "Lumbematz" und Max von Milland noch die Namika-Stücke "Je ne parle pas francais" und "Alles was zählt". Letzteres fand die Frankfurterin dieses Mal "mega-interessant" statt "total fresh", den Track von "Lumbematz" nun "völlig in die Fresse" statt "Hammer und klasse".
Sido war nur noch gelangweilt, sein Bart inzwischen um einige Zentimeter gewachsen. "Lumbematz" gingen aus diesem Duell als Sieger hervor und zogen ins Finale ein. Die nächste Werbepause bot Gelegenheit, den schon vor Wochen gelieferten "Ikea"-Schrank zusammenzubauen. Sieht gut aus.
Bei seinen Hits erwachte Sido aus dem Tiefschlaf
Da jetzt Sidos eigene Hits an die Reihe kamen, die von der Duo-Dixie-Band "Goldmeister" und der Alternative-Indie-Posse "ABAY" interpretiert werden mussten, bemühte sich der Berliner, einen Weg aus dem Tiefschlaf zu finden. Dabei half ihm der "ABAY"-Sänger, der in einer Einspielung berichtete, dass er Musik von innen heraus mache und "weil ich es auch sehr gut kann".
"Wow, sympathisch", dachte sich wohl Sido. "Wow, sympathisch", dachte ich mir, während wir beide die Pyjama-Hose des Sängers bestaunten, die er auch beinhart den Rest des Abends nicht verließ. Jedenfalls schickten die Anzugträger "Goldmeister", die – ebenso wie "ABAY" – zuerst den Sido-Schlager "Astronaut" zum Besten gaben mussten, für ihre Swing-Version einen fetten Bläserset ins Rennen. Das hatte tatsächlich Charme. Sido war aber zunächst von "ABAY" mehr angetan. "Die Mucke ist genau mein Film", sagte der Berliner. "Hätte mir aber gewünscht, dass du ein bisschen besser singst", sagte er dann aus dem Nichts heraus zum "ABAY"-Sänger.
"Goldmeister" widmeten sich anschließend noch Sidos Nummer "Der Himmel soll warten", während "ABAY" den Song "Einer dieser Steine" präsentierte, bei dem sich in der Originalversion Mark Forster in den Refrain reinkuschelt. Und erneut gab es von Sido eine verbale Backpfeife für den "ABAY"-Sänger: "Du hast leider nicht so gut gesungen." Obwohl Paul Hartmut Würdig, wie Sido mit bürgerlichem Namen heißt, meinte, er würde prinzipiell gern mehr von "ABAY" hören, schickte er "Goldmeister" ins Finale. Zu viel Selbstvertrauen in Pyjamahose im Hauptabendprogramm? Geht sich nicht aus.
Das große Finale – eine einzige Enttäuschung
Wer am Donnerstag zum ersten Mal bei "My Hit. Your Song." eingeschaltet hatte, wird wohl nach Sidos Entscheidung mit einem großen Schlussakt in Form wohlklingender Schlussakkorde der drei Finalsten gerechnet haben. Davon konnte keine Rede sein.
Was noch folgte, war ein hochgradig nüchternes Studio-Voting. Da war überhaupt nichts mehr von "mega-interessant" bis "Hammer und klasse" oder "völlig in die Fresse". Kein Auftritt der Stars, kein finaler Song. Nada.
Ich sag es nur ungern: Aber dramaturgisch hätte diesem schrecklichen Ende vermutlich sogar ein finales Ständchen der singenden Moderatorin gut getan. Da stand sie nun, die Anna Pape, die 57 Prozent der Stimmen einheimste und als Gewinnerin des Abends hervorging. Völlig verdient übrigens.
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