Ein Streit um Drogen eskalierte am Wiener Yppenplatz und endete in einer Schießerei. Die Täter wurden nun zu langen Haftstrafen verurteilt.

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Nach einer Schießerei am Wiener Yppenplatz in Ottakring vom 14. Juli 2024 ist am Donnerstag am Landesgericht gegen zwei Männer im Alter von 21 und 29 Jahren wegen versuchten Mordes verhandelt worden. Der Jüngere hatte mit einer Pistole vier Schüsse abgegeben und einen 23-jährigen Staatenlosen und einen 19-jährigen Syrer schwer verletzt. Er wurde wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung und Drogenhandels zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Dem 29-Jährigen war vorgeworfen worden, gemeinsam mit dem Komplizen den Tatplan ausgecheckt, den Schützen mit einer zumindest 40 Zentimeter langen Machete zum Tatort begleitet und in den Hüftbereich eines weiteren Mannes gestochen zu haben. Er erhielt wegen Beteiligung an bzw. versuchter absichtlicher schwerer Körperverletzung und Drogenhandels fünf Jahre Haft. Vom zentralen Vorwurf der Anklage - dem versuchten Mord - wurden die beiden Angeklagten von den acht Geschworenen einstimmig freigesprochen.

Die zwei Männer waren mit den Entscheidungen des Gerichts einverstanden. Der Staatsanwalt hatte ebenfalls keine Einwände. Die Urteile sind somit bereits rechtskräftig.

Streit um Drogen war Auslöser

"Ein Streit um Drogen war der Auslöser für die Taten", hatte der Staatsanwalt zu Beginn der Verhandlung dargelegt. Die beiden Angeklagten hätten "intensive Kontakte im Suchtmittelmilieu" unterhalten und - vermutlich im Rahmen einer auf Drogen-Geschäfte ausgerichteten Gruppierung - mit dem Verkauf von Cannabis weitgehend ihren Lebensunterhalt bestritten.

Die Verteidiger Alexander Philipp und Andreas Reichenbach pflichteten dem bei. "Es ging um Geldschulden und finanzielle Forderungen, die die eine Seite nicht erfüllt hat", sagte Philipp. Die Angeklagten hätten den Forderungen Nachdruck verleihen wollen.

Vier Schüsse auf zwei Personen

"Ich habe vier Schüsse auf zwei Personen abgegeben. Aber nicht, um sie zu töten. Wenn ich sie töten hätte wollen, hätte ich ihnen in den Kopf schießen können. Sie waren unweit vor mir. Dann hätte ich ihnen nicht absichtlich in die Hinterteile geschossen", sagte der 21-Jährige. Zu weiteren Angaben war der gebürtige Libyer nicht bereit: "Grundsätzlich kann ich nicht mehr dazu sagen. Es war einfach so."

Ähnlich gestaltete sich die Einvernahme des Zweitangeklagten. Auch diese war nach gefühlten zwei Minuten vorbei. "Ich wollte einzig und allein die Person bedrohen bzw. ihr Angst machen", sagte der Algerier. Eine Verletzungsabsicht räumte der 29-Jährige ein. Darüber hinausgehende Fragen beantwortete er nicht und verwies auf sein Aussageverweigerungsrecht.

Rucksack mit Marihuana am Tatort

Die Angeklagten hatten davon schon unmittelbar nach ihren Festnahmen Gebrauch gemacht. Die Polizei hatte am Tatort einen Rucksack mit offenbar zum Straßenverkauf vorbereiteten Marihuana-Baggies sichergestellt. Neben dem versuchten Mord legte die Anklage dem Jüngeren das Überlassen von einem Kilogramm, dem 29-Jährigen von 800 Gramm Marihuana zur Last. Dabei handle es sich "nur um die Spitze eines Eisbergs", betonte der Staatsanwalt. Die Angeklagten hätten mutmaßlich wesentlich mehr verkauft. Man habe im Sinne des Beschleunigungsgebots hinsichtlich der Drogen-Deals nur eindeutig Belegbares in die Anklage mit aufgenommen.

Zum inkriminierten Suchtgifthandel waren die zwei Männer umfassend geständig. Hinsichtlich der Wild-West-Szenen am Yppenplatz - laut Verteidiger Reichenbach "mittlerweile ein sehr bekannter Drogenumschlagplatz in Wien" - wurden die Angeklagten von Aufnahmen aus Überwachungskameras belastet, die im öffentlichen Raum bzw. vor Lokalen angebracht waren. Auf diesen wurden die inkriminierten Tathandlungen dokumentiert.

Die Angeklagten hatten sich gegen 18.00 Uhr zum Tatort begeben. Als der mit einer Pistole bewaffnete 21-Jährige die drei gegnerischen Männer wahrnahm, die ihm offenbar Geld schuldeten, feuerte er zunächst auf einen 23-Jährigen, der am Gesäß, am rechten Oberschenkel und am linken Unterschenkel getroffen wurde. Die beiden anderen versuchten davonzulaufen, der 21-Jährige gab einen weiteren Schuss ab und traf einen 19-Jährigen ebenfalls am Gesäß. Der mit der Machete Bewaffnete "kümmerte" sich um den dritten Mann und hieb in Richtung dessen Hüfte. Die Klinge zerfetzte zwar die Hose des Angegriffenen, fügte aber keinen weiteren Schaden zu.

Der Staatsanwalt betonte, die "Abrechnung" habe "am helllichten Tag" stattgefunden. Bereits bei einer geringfügigen Abweichung des jeweiligen Schusskanals hätten die zwei Angeschossenen mit lebensgefährlichen Verletzungen rechnen müssen. Es sei "nur mit viel Glück" nicht mehr passiert. "Jedem muss klar sein, dass man bei einem Schuss in die Körpermitte auch sterben kann", meinte der Ankläger.

Europaweite Fahndung führte zu Festnahme

Der 21-Jährige war im Zuge einer europaweiten Fahndung Ende Oktober festgenommen worden. Die Identität des Libyers konnte deshalb geklärt werden, weil dieser bereits eine Vorstrafe wegen Drogenhandels aufweist und von Ermittlern des Wiener Landeskriminalamts auf dem von Überwachungskameras aufgezeichneten Bildmaterial erkannt wurde. Als für den 21-Jährigen die Handschellen klickten, befand er sich in Begleitung des 29-Jährigen, der sich dann als der gesuchte zweite Täter herausstellte. Der Algerier war bis dahin nicht strafrechtlich auffällig geworden.

Der von drei Kugeln getroffene Mann stand dem Gericht nicht als Zeuge zur Verfügung. Nach seiner Entlassung aus dem Spital haben sich die Spuren des 23-Jährigen verloren. Er hatte gegenüber der Polizei erklärt, er könne sich nicht erklären, warum auf ihn geschossen wurde. "Ich war so schockiert und habe nichts mehr mitbekommen", wurden die Angaben des Staatenlosen verlesen.

Der zweite Angeschossene wurde von der Justizwache als Zeuge in den Gerichtssaal gebracht. Der 19-Jährige befindet sich wegen Verdachts auf Drogenhandel in U-Haft. "Ich kann mich nicht erinnern, was abgelaufen ist. Es ist schon ein Jahr her", gab der gebürtige Syrer zu Protokoll. Er wolle "nichts Falsches" sagen: "Irgendwer hat mich angeschossen. Dann bin ich weggelaufen. Ich habe erst im Nachhinein diese Schusswunde wahrgenommen." (APA/bearbeitet von amb)