Der Zoll-Deal zwischen Brüssel und Washington steht. Doch selbst unter Spitzenpolitikern wird man aus der Vereinbarung noch nicht hun­dert­pro­zen­tig schlau. Vor allem eine Frage treibt viele um: Wer zahlt den Preis für das Abkommen?

"Ich blicke auch auf manches dieser Einigung mit ein paar Fragezeichen", sagte Deutschlands Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) jüngst mit Blick auf den Zoll-Deal zwischen der EU und den USA.

Rund eine Woche steht die Grundsatzvereinbarung nun. Abgewendet wurde dadurch, dass auf die Einfuhr europäischer Produkte in die USA Zölle in Höhe von 30 Prozent erhoben werden. Stattdessen hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Trump auf 15 Prozent heruntergehandelt, die künftig bei der Mehrheit der Importe aus Europa anfallen sollen.

Dafür sichert die EU zu, dass sie große Mengen an Energie von den Amerikanern kaufen, und hunderte Millionen in den USA investieren wird. "Ich glaube, das ist der größte Deal, der jemals gemacht wurde", so Trump nach der Einigung.

Doch: An wen die Rechnung für diesen Deal geht, ist auch rund eine Woche nach dem Handschlag zwischen von der Leyen und dem US-Präsidenten nicht klar.

Was hat die EU-Kommission bisher konkret versprochen?

Die EU hat den USA im Kern zwei Zusagen gemacht. Zum einen verspricht sie, bis zum Ende der Amtszeit Trumps, US-Energie im Wert von 750 Milliarden Dollar kaufen zu wollen. Laut von der Leyen geht es dabei um Flüssigerdgas (LNG), Öl und Kernbrennstoffe. Mit den Energie-Importen soll die Lücke gefüllt werden, die nach dem vollständigen Verzicht auf russisches Gas und Öl in der EU entstehen werden.

Außerdem sollen in den kommenden Jahren weitere 600 Milliarden Dollar in die USA investiert werden.

Wer bezahlt dafür?

Das ist die große Frage. Es ist bislang zum Beispiel unklar, wer genau das amerikanische Gas und die anderen Energieträgern kaufen soll. Deutschlands Vizekanzler Klingbeil weiß seinen Worten zufolge etwa nicht, ob es dabei etwa um private Investitionen geht. Dies seien Dinge, "die zwischen Donald Trump und Ursula von der Leyen verabredet sind und wo es genau jetzt um die Klärung der Details geht".

Das Problem: Die EU kann privaten Unternehmen nicht ohne Weiteres vorschreiben, Energie aus den USA zu beziehen. In einer Erklärung der EU-Kommission teilt die Behörde mit, dass man zwar die Kontakte zwischen Käufern und Verkäufern vereinfachen könne, "aber die kommerziellen Entscheidungen natürlich bei den Unternehmen liegen".

Ähnliches ist aus der EU auch mit Bezug auf die Investitionen zu hören. Auch hier kann Brüssel Firmen nicht vorschreiben, Geld in den USA anzulegen. Eine Kommissionsbeamtin stellte klar, dass dies Sache von Privatunternehmen ist, die Kommission als öffentliche Behörde könne die Investitionen nicht garantieren. Doch was passiert, wenn die nicht so hoch ausfallen, wie in der Grundsatzvereinbarung mit Trump ausgehandelt wurde?

Trump gab darauf jüngst eine klare Antwort: "Dann zahlen sie Zölle in Höhe von 35 Prozent" erklärte er in Richtung der EU in einem Gespräch mit dem Sender CNBC. Doch der US-Präsident interpretiert die zugesagten Investitionen gänzlich anders als die EU. Die EU-Kommission hatte zuletzt klargemacht, dass es sich bei den 600 Milliarden um Interessenbekundungen von Unternehmen handle.

Trump bezeichnet die Summe hingegen als "Geschenk". Gegenüber CNBC sagte er: "Sie haben uns 600 Milliarden Dollar gegeben, die wir in alles, was wir wollen, investieren können". Es handle sich auch nicht um ein Darlehen, das zurückgezahlt werden müsse.

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Braucht die EU überhaupt so viel Energie?

Um die Zusage von 750 Milliarden an die USA zu erreichen, rechnet die EU damit, künftig US-Energie im Wert von 250 Milliarden Dollar pro Jahr zu kaufen. Aktuell sind es den Angaben zufolge nur rund 100 Milliarden. Es fehlen also 150 Milliarden pro Jahr. Die EU argumentiert, dass man künftig mehr Energie von den USA kaufen werde, um den Wegfall russischer Energieträger wie Gas zu kompensieren.

Doch bislang geht die Rechnung nicht auf. Offiziellen Angaben zufolge kamen in den ersten Monaten dieses Jahres noch 15 Prozent der EU-LNG-Importe aus Russland. Angenommen, dieser Anteil würde komplett durch US-LNG ersetzt werden, würde das immer noch nur einem Bruchteil der von der EU versprochenen Energie-Importe entsprechen.

Insgesamt importierte die EU eigenen Angaben zufolge 2024 fossile Energieträger aus Russland im Wert von 22 Milliarden Euro. Zudem will die EU laut einem Plan der Kommission russische Gasimporte erst ab 2028 komplett eingestellt haben.

Dass die EU die versprochene Steigerung allein durch Energie-Importe erreichen kann, bezweifeln Expertinnen und Experten deshalb schon jetzt. Simone Tagliapietra, Energie-Experte beim Brüssler Thinktank Bruegel erklärte etwa in der "Zeit", dass es "völlig unrealistisch" sei, dass die EU die Summe von 750 Milliarden bezüglich der Energieimporte erreichen werde. "Die Zahlen sind bestenfalls Wunschvorstellungen", denn Europa benötige diese Menge an Energien überhaupt nicht.

Der Experte hält es zudem für "unmöglich, dass die Vereinigten Staaten all diese zusätzlichen Energiemengen so schnell aufbringen können, insbesondere Flüssiggas". Selbst wenn die USA sofort mit Investitionen in neue LNG-Projekte starten, "würde es Jahre dauern, bis sie liefern können – also erst nach der zweiten Amtszeit von Trump."

Wie viel LNG kommt überhaupt in die EU?

EU-Angaben zufolge führte der Staatenbund insgesamt im vergangenen Jahr mehr als 100 Milliarden Kubikmeter LNG ein. Fast 45 Prozent der Gesamtmenge lieferten die USA, die Tendenz war in den vergangenen Jahren steigend.

Nach Angaben der US-Statistikbehörde für Energiedaten war Europa inklusive der Türkei trotz eines deutlichen Rückgangs weiterhin der größte Abnehmer von amerikanischem LNG. Etwas mehr als die Hälfte der US-Exporte des Flüssiggases gingen in die Region, explizite Zahlen ausschließlich für die EU gibt es nicht.

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Die deutlich eingebrochene Nachfrage in den meisten EU-Ländern und Großbritannien begründete die Behörde, die Teil des US-Energieministeriums ist, mit einem generell niedrigeren Gasverbrauch und hohen Lagerbeständen aus dem vorherigen milden Winter.

Gibt es weitere Möglichkeiten, die Milliarden-Zusage zu erreichen?

Die EU-Kommission erklärt, dass es eine weitere Säule gibt, um die versprochenen Milliarden zu erreichen. Laut ihr sind das Importe amerikanischer Atomtechnik. Die Kommission teilte zudem mit, dass es zwar Prognosen gebe, aber "die endgültigen Mengen und die Aufteilung auf Öl, LNG und Kernbrennstoffe sowie Brennstoffdienstleistungen werden von verschiedenen Faktoren abhängen".

Genaueres scheint mal also selbst bei der EU noch nicht zu wissen. Gegen die Fragezeichen im Kopf von Lars Klingbeil dürfte das vermutlich nicht viel helfen. (dpa/bearbeitet von thp)