Das Abkommen über Handelszölle zwischen den USA und der EU wird immer mehr als einseitige Begünstigung Amerikas kritisiert. Dabei ist teilweise nicht ganz klar, welchen Zweck das Abkommen verfolgt. Einige Bestandteile des Deals sind nach Experten-Meinung nicht umsetzbar.

Nachdem nun immer mehr Details über das Abkommen bekannt geworden sind, welches der US-Präsident Donald Trump am vergangenen Sonntag mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Schottland vereinbart haben, wird die Kritik immer lauter.

"Der Deal hat eindeutig Schlagseite zugunsten der USA", erklärte der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange, im Deutschlandfunk.

Auch in den Reihen der Bundesregierung regt sich Unmut. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche nannte das Abkommen einen Warnschuss für die EU.

"Die deutsche Wirtschaft wird erheblichen Schaden nehmen durch diese Zölle."

Friedrich Merz

Auch Bundeskanzler Friedrich Merz zeigt sich nach einer anfänglich eher positiven Reaktion pessimistisch. "Die deutsche Wirtschaft wird erheblichen Schaden nehmen durch diese Zölle", sagte Merz nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts in Berlin am Montag.

Dabei ist bei einigen Punkten im Abkommen gar nicht klar, welchen Zweck diese verfolgen und ob sie überhaupt umsetzbar sind.

Unrealistische Zahlen

So soll die EU in den nächsten drei Jahren für 750 Milliarden US-Dollar Energie aus den USA importieren. Eine laut Experten absolut unrealistische Größenordnung. Im vergangenen Jahr beliefen sich die gesamten Energieimporte Europas aus den USA auf etwa 76 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Der Deal sieht also eine Verdreifachung der bisherigen Importe pro Jahr vor.

Der Energie-Experte Simone Tagliapietra vom Thinktank Bruegel in Brüssel sagte der "Zeit": "Es ist unmöglich, dass die Vereinigten Staaten all diese zusätzlichen Energiemengen so schnell aufbringen können, insbesondere Flüssiggas. Selbst wenn man jetzt mit Investitionen in neue LNG-Projekte beginnen sollte, würde es Jahre dauern, bis sie liefern können – also erst nach der zweiten Amtszeit von Trump."

Unklare Vorgaben

Ein weiterer Bestandteil des Deals ist die Zusage der EU-Kommission, dass private Unternehmen aus der EU über 600 Milliarden US-Dollar in den USA investieren sollen. Eine Klausel, die stark an dem Abkommen orientiert ist, welches die USA mit Japan abgeschlossen haben. Auch hier stellt sich die Frage, wie diese Abmachung umzusetzen ist, denn die EU-Kommission kann privaten Unternehmen keine direkten Anweisungen geben, wie diese zu investieren haben und wo.

Nach dem Treffen hieß es laut Informationen der "Zeit" aus Kommissionskreisen, die versprochenen 600 Milliarden bezögen sich "auf Absichten von privaten Investoren". Man habe "diesbezüglich detaillierte Gespräche mit verschiedenen Unternehmensverbänden geführt, um zu sehen, was deren Investitionsabsichten sein könnten". Hier bleibt unklar, wie genau die Kommission für die Einhaltung dieser Vorgaben sorgen möchte.

Es ist denkbar, dass sie Anreize schaffen könnte, etwa über Steuervorteile oder Subventionen, aber vielmehr ergibt sich das Bild, dass es sich hier um Zusagen handelt, die nicht wirklich kontrolliert und nachverfolgt werden sollen. Möglich wäre also folgendes Szenario: Die Kommission hat Donald Trump etwas versprochen, im Glauben, dass dieser sich nicht weiter um die Zusage kümmern wird, sobald sie vom Tisch ist.

Was bezweckt Donald Trump mit diesem Deal?

Der Eindruck verstetigt sich also, dass es beim Abkommen gar nicht um die Vereinbarung geht, die einen klaren Zweck im Sinne einer Zielerfüllung von Vorgaben verfolgt. Welches Ziel soll dieser Deal also erreichen und was beabsichtigt Donald Trump mit seinem Vorgehen?

"Das kann man auch den Einlassungen des Präsidenten sowie seines Umfelds entnehmen, die von einem 'historischen Sieg' sprechen oder behaupten, damit sei Europa 'in die Knie gezwungen' worden."

David Sirakov

David Sirakov, Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz, erklärt gegenüber unserer Redaktion, im Kern gehe es bei dem Deal mit der EU um eine Machtdemonstration Donald Trumps: "Das kann man auch den Einlassungen des Präsidenten sowie seines Umfelds entnehmen, die von einem 'historischen Sieg' sprechen oder behaupten, damit sei Europa 'in die Knie gezwungen' worden." Sirakov zufolge überwiegt eindeutig die Symbolhaftigkeit dieses Deals.

Nachricht an die eigenen Wähler

Ganz so planlos, wie es ihm oft vorgeworfen wird, scheint der US-Präsident dabei aber nicht vorzugehen. Vielmehr verfolgt er dabei eine Ideologie: Trump glaubt nicht an den Multilateralismus und will eine Rückkehr zu einer Politik, in der die Macht des Stärkeren gilt. Das entspricht seiner eigenen Weltanschauung, die in Gewinnern und Verlierern denkt und in der es immer darum geht, den eigenen Gewinn durch Deals zu maximieren.

Politikwissenschaftler Julian Müller-Kaler, Leiter des Programms für Strategische Vorausschau beim Stimson Center, einem unabhängigen Thinktank in der US-Hauptstadt Washington, sieht hinter Trumps Vorgehen folgendes System: "Donald Trump wurde mit einem Mandat ausgestattet, nicht nur Amerika, sondern auch das internationale System nachhaltig zu verändern", sagte er unserer Redaktion.

Diese Einstellung entspricht auch der von Trumps Anhängern. Die Wählerschaft des amtierenden US-Präsidenten hatte von dem aktuellen System nicht profitiert, daher soll es nun von einem anderen System abgelöst werden, so Müller-Kaler: "Trump kann nun gegenüber seiner Basis klarmachen, dass er bessere Deals ausgehandelt hat, als es der Vorgängerregierung möglich war." Es geht also im Abkommen weniger um den Inhalt, als vielmehr die Signalwirkung und den Schaden für das bestehende System.

Bisher profitieren die USA

Gleichzeitig ist in den USA die Wirtschaft aktuell überraschend stark und eher auf Wachstumskurs. "Man muss auch sehen, dass die Zollpolitik für den Staatshaushalt der USA zumindest bisher ganz gut funktioniert", erklärt Politikwissenschaftler Julian Müller-Kaler aus Washington. Langfristig sei allerdings die Frage, wer die Kosten trägt. "Ich gehe davon aus, dass Donald Trump massiven Druck auf Unternehmen auswirken wird, damit diese die Kosten für die Zölle nicht an die Konsumenten weiterreichen."

Empfehlungen der Redaktion

Fraglich ist außerdem, ob Trump darauf beharren wird, dass der Deal auch umgesetzt wird, oder, was viele in der EU offenbar hoffen, die Bestimmungen vergisst. Das sei in der Vergangenheit oft der Fall gewesen, so David Sirakov. So könne es sein, dass der US-Präsident "nach diesem PR-Erfolg die Umsetzung nicht ernsthaft weiterverfolgt" und es letztlich auch gar nicht so wichtig ist, was in Schottland zwischen ihm und Kommissionspräsidentin von der Leyen vereinbart wurde.

Über die Gesprächspartner

  • Julian Müller-Kaler leitet das Programm für Strategische Vorausschau beim Stimson Center, einem unabhängigen Thinktank in der US-Hauptstadt Washington. Er ist darüber hinaus Associate Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin.
  • David Sirakov ist Politikwissenschaftler und seit 2015 Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz. Seine Forschungsschwerpunkte sind die US-Innenpolitik mit besonderem Schwerpunkt auf die politische und gesellschaftliche Polarisierung sowie der Aufstieg des Populismus in Europa und den USA.

Verwendete Quellen: