Im westafrikanischen Land Burkina Faso sorgt der erst 37-jährige Präsident Ibrahim Traoré für Aufsehen: In den sozialen Medien ist er bekannt und beliebt wie kaum ein zweiter Staatschef in Afrika und wendet sich immer mehr vom Westen ab. Doch das online gezeichnete Bild ist nicht vollständig – und lässt eine blutige Realität außen vor. Mit Skepsis beobachten Experten außerdem den neuen Hauptpartner: Russland.
1,3 Millionen Follower allein auf TikTok, Hunderttausende auf Instagram und X. Unter den Inhalten: Fotos beim Fußballspielen, in Militäroutfit mit roter Mütze, aber auch vom Handshake mit Putin. Burkina Fasos Präsident Ibrahim Traoré ist derzeit mit 37 Jahren das jüngste Staatsoberhaupt der Welt und ist in Afrika so bekannt wie kaum ein zweiter Präsident.
Dabei sollte der Militäroffizier längst nicht mehr an der Macht sein. Denn als sich das Militär im September 2022 an die Macht putschte, wurde Traoré lediglich als Übergangspräsident eingesetzt – bis eine zivile Regierung im Amt ist.
Botschaft findet Widerhall
Doch die ist nicht in Sicht, stattdessen hat Traoré das Land in Westafrika ziemlich auf den Kopf gestellt. Seine Hauptbotschaft: Burkina Faso soll von den "Fesseln" des westlichen Imperialismus und Neo-Kolonialismus befreit werden.
Eine Botschaft, die Widerhall auf dem gesamten Kontinent findet – und vor allem bei jungen Menschen gut ankommt. Burkina Faso ist mit Ressourcen wie Baumwolle, Gold, Zink und Kupfer ein ressourcenreiches Land – bei der Bevölkerung angekommen ist davon bislang allerdings wenig.
Auf dem Afrika-Gipfel in Russland im Jahr 2023 forderte Traoré von seinen afrikanischen Präsidenten-Kollegen "aufzuhören, sich wie Marionetten zu benehmen, die jedes Mal tanzen, wenn die Imperialisten an den Schnüren ziehen".
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Französische Truppen mussten gehen
Entsprechend gehandelt hat Traoré bereits und sich militärisch wie auch wirtschaftlich vom Westen abgewandt: 2023 mussten französische Truppen, die seit 2014 stationiert waren, innerhalb von vier Wochen ihren Posten räumen. Mit Frankreich verbindet Burkina Faso eine enge Geschichte: 1896 begann eine brutale Kolonialisierung, 1960 erlangte das Land – damals noch unter dem Namen "Obervolta" – seine Unabhängigkeit.
Traoré hat Goldminen verstaatlicht – zu Beginn seiner Amtszeit waren 90 Prozent davon im Besitz ausländischer Firmen. Außerdem hat er den Zugang für ausländische Medien und NGOs zum Land beschränkt, den Bau eines neuen Flughafens initiiert und massive Investitionen in die Landwirtschaft getätigt. Traoré lehnt westliche Staatshilfen ab, zwischenzeitlich durften Flugzeuge von "Air France" nicht mehr in Burkina Faso landen.
In die Fußstapfen von Sankara
"Er versucht, sich als Nachfolger des früheren Staatschefs Thomas Sankara darzustellen. Sankara regierte bis zu seiner Ermordung 1987 und ist bis heute beliebt, weil er der unbeliebten früheren Kolonialmacht Frankreich die Stirn bot", sagt Afrika-Experte Ulf Laessing von der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Ebenso wie Sankara trete Traoré immer in Uniform auf und lasse Poster drucken, wo er neben Sankara steht.
Nicht immer hält das, was in den sozialen Medien zu sehen ist, der Realität stand: So kursieren KI-generierte Videos von Musikstars wie Rihanna, Beyoncé oder Justin Bieber, die angeblich über Traoré singen, und es machen immer wieder Gerüchte über Attentatsversuche auf den burkinischen Präsidenten die Runde – ohne, dass es dafür Belege gibt. Teilweise werden Videos von angeblichen Solidaritätsdemonstrationen geteilt, die eigentlich Aufnahmen von Demonstrationen in Serbien zeigen.
"In den sozialen Medien sind immer wieder Bilder von Traoré und Lobgesängen auf ihn zu lesen", sagt der Experte. Dahinter steckte eine gewisse Verklärung und Sehnsucht einiger Menschen in Afrika, die einen Aufbruch ohne westliche Hilfe wollten. Zum anderen sei aber klar die Handschrift Russlands zu sehen, dem neuen Hauptpartner Burkina Fasos.
"Traoré war erst gerade wieder in Moskau bei
Online nur die halbe Story
Eine Beziehung, die im Ausland auf Skepsis stößt: Traoré sei Teil einer "barocken Allianz zwischen selbsternannten Panafrikanern und Neoimperialisten", sagte Frankreichs Präsident
Experte Laessing ist sich jedoch sicher: "Ibrahim Traoré hat im Ausland ein besseres Image als zu Hause." In Burkina Faso sei er eher gefürchtet als beliebt. Denn online wird nur die "halbe Story" gezeigt: Zwar stimmt es, dass beispielsweise die Anzahl derjenigen Menschen, die mit weniger als umgerechnet etwa 1,80 Euro am Tag leben, gesunken ist.
Auch spricht der "Internationale Währungsfonds" (IMF) von einer "robusten" Wirtschaft, gibt das BIP-Wachstum für das vergangene Jahr mit 5 Prozent an und erwartet für 2025 ein durchschnittliches BIP-Wachstum von 4,2 Prozent. Doch Experte Laessing hält die Erfolge in der Wirtschaft für bescheiden.
"Es gab einige Initiativen, um die einheimische Lebensmittelproduktion zu stärken. Bislang ist dies aber eher Symbolik, weil die meisten Lebensmittel immer noch importiert werden", meint er. Die Kampagnen für Traoré in den sozialen Medien seien wohl auch ein Versuch, um von Kritik an mangelnden Erfolgen abzulenken.
Sicherheitslage verschlechtert
Gleichzeitig ist Burkina Faso im Ranking der internationalen Pressefreiheit auf Rang 105 abgestürzt und zählte 2023 doppelt so viele Tote durch Terror als 2022. "Bei seinem Putsch im Herbst 2022 hatte Traoré versprochen, die Sicherheitslage zu verbessern – sie hat sich aber verschlechtert", sagt auch Laessing. Ableger vom Islamischen Staat (IS) und Al-Quaida sorgen im Land weiterhin für Bluttaten.
Dschihadisten würden fast die Hälfte des Landes kontrollieren. Innerhalb des Landes sind mehr als zwei Millionen Menschen auf der Flucht. "Die Regierung reagiert mit Repression – wer die angeblichen Erfolge der Regierung anzweifelt, wird als Kanonenfutter im Kampf gegen Dschihadisten an die Front geschickt", sagt Laessing.
Massaker an Volksgruppe
Im "Massaker von Solenzo" sollen laut "Human Rights Watch" 130 Zivilisten getötet worden sein. Sie waren Angehörige der Volksgruppe der "Fulani". Die Täter: Einheiten der burkinischen Armee, deren Oberbefehlshaber Traoré ist. Das Militär selbst weist die Vorwürfe zurück.
"Bei vielen jungen Menschen ist Traoré dennoch beliebt, weil sie ihn als unverbraucht und nicht mit Frankreich verbandelt sehen – sie wollen keine Rückkehr zu den alten Eliten, die das Land ruiniert haben", sagt Laessing. Jungen Menschen gefalle auch, dass Traoré die Abhängigkeit vom Ausland im Goldbergbau verringern wolle. "Es bleibt aber abzuwarten, ob nationale Firmen das Know-how haben, um die Minen allein weiterzubetreiben", sagt Laessing.
Über den Gesprächspartner
- Ulf Laessing hat Geschichte, Islamwissenschaft und Volkswirtschaft studiert und leitet bei der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) seit Dezember das Regionalprogramm Sahel in Mali. Zuvor hat er als Auslandskorrespondent und Büroleiter bei der Nachrichtenagentur Reuters im Nahen Osten, Nordafrika und Afrika südlich der Sahara gearbeitet.
Verwendete Quellen
- Internationaler Währungsfonds: IMF Executive Board Completes the Third Review under the Extended Credit Facility Arrangement for Burkina Faso
- Human Rights Watch: Burkina Faso: Army Directs Ethnic Massacres
- bbc.com: Macron looks on as France's Africa policy crumbles
- bbc.com: Why Burkina Faso's junta leader has captured hearts and minds around the world
- cnn.com: Who is Ibrahim Traore, the soldier behind Burkina Faso’s latest coup?
- economist.com: Meet Ibrahim Traoré, Burkina Faso’s retro revolutionary