New York erlebt ein politisches Erdbeben: Ein 33 Jahre alter Linker mit indisch-ugandischen Wurzeln hat beste Chancen, Bürgermeister zu werden. Politologin Julia Simon analysiert im Interview, wie es Zohran Mamdani gegen das Establishment der eigenen Partei schaffte, Massen zu mobilisieren und wie diese Taktik den Demokraten helfen kann, die Republikaner bei den nächsten Wahlen zu schlagen.
Ende Juni erfasste New York ein politisches Erdbeben: Bei den Vorwahlen zur Bürgermeisterwahl setzte sich mit Zohran Mamdani ein völlig unbekannter Linker als demokratischer Kandidat durch. Der 33-Jährige mit indisch-ugandischen Wurzeln gilt unter Demokraten als Hoffnungsträger gegen Donald Trump, polarisiert sie aber ebenso. Politologin Julia Simon erklärt im Interview, warum.
Frau Simon, Sie haben den Wahlkampf von Zohran Mamdani verfolgt. Wie kam es, dass ein unbekannter Kandidat nun in der Pole-Position ist, im November Bürgermeister zu werden?
Julia Simon: Sein Wahlkampf war beeindruckend, insbesondere wenn man sieht, welchen Startpunkt er hatte. Er war zwar im lokalen Parlament aktiv, aber keine Figur, die in den Medien herausgestochen wäre. Zu Beginn war er namentlich nur einem Prozent der Befragten bekannt. Er hat es jedoch geschafft, mit einem Vorsprung von zwölf Prozent vor Andrew Cuomo zu gewinnen, der ja als ehemaliger Gouverneur des umliegenden Bundesstaates in der Stadt selbst viel bekannter war.
Cuomo trat nach Vorwürfen von Fehlverhalten gegen Frauen 2021 zurück. Warum war er nun Favorit?
Cuomo hat trotz des Rücktritts wieder einige Unterstützung aus der Parteielite der Demokraten erhalten und ein enormes Volumen an Spenden eingeworben, was bei Mamdani nicht der Fall war.
Was hat Mamdani also anders gemacht, um seinen Namen bekannt zu machen?
Er hat einen sehr themenfokussierten Wahlkampf geführt, sich stark auf die Lebenshaltungskosten in New York konzentriert, insbesondere auf Themen wie Wohnungen, Lebensmittel und Kinderbetreuung. Das ist bemerkenswert, weil er es geschafft hat, aus dem nationalen Kulturkampf-Diskurs auszubrechen, und sich auf die Bedürfnisse der Wähler zu konzentrieren.
"Er hat sich mit den Bürgern getroffen und gefragt, was sie brauchen. Besonders auch in den Stadtteilen, in denen Trump bei der Präsidentschaftswahl gut abgeschnitten hatte. Und er hat auch dort einen Nerv getroffen."
Ist er ein typisches Phänomen des Social-Media-Zeitalters?
Einerseits ja. Klassische Medien wie die "New York Times" haben sich ihm gegenüber kritisch positioniert. Er hat jedoch verschiedene andere Formate genutzt, um mit den Menschen in Kontakt zu treten – digital, aber auch analog. Er hat sich mit den Bürgern getroffen und gefragt, was sie brauchen. Besonders auch in den Stadtteilen, in denen
Er bezeichnet sich als demokratischen Sozialisten. Ist er also nur ein Liebling der Linken?
Die Demokratische Partei vereint ja viele Flügel. Er versucht, seine Ideen mit der Tradition von Martin Luther King zu begründen, um zu zeigen, dass sie nicht extrem sind. Er ist inspiriert von
Dennoch gibt es Widerstand innerhalb der Demokratischen Partei gegen ihn.
Es gibt unterschiedliche Reaktionen. Viele Geldgeber haben sich offen gegen ihn geäußert, was zeigt, welche Macht diese ja nicht demokratisch legitimierten Privatpersonen und Unternehmen in der Partei haben. Das schadet ihm, da es sich auf die Unterstützung durch die Parteielite auswirkt.
Mamdani ist Muslim. Ist das etwas, was ihm schadet oder nutzt?
Muslime, die sich zu ihrem Glauben bekennen, werden oft kritisch hinterfragt. Trump und andere haben das besonders hervorgehoben, um Misstrauen zu schüren. Mamdani konnte aber bislang einen Weg finden, das Thema harmloser zu gestalten, indem er offen und locker damit umgeht.
Gibt es in Bezug auf den Gazakonflikt nicht eine Spaltung, die ihm schaden könnte?
In den Vorwahlen war das tatsächlich ein wichtiger Punkt. Viele Wähler teilten seine Kritik an der Kriegsführung Israels, darunter auch sehr viele jüdische Wähler, insbesondere diejenigen unter 44 Jahren. Er versucht jedoch, es nicht zu seinem Hauptthema zu machen.
Man sollte denken, dass die Demokraten das als Erfolgsgeschichte feiern, auch wenn New York nicht die USA ist. Wie sehen Sie den Zustand der Demokraten als Opposition landesweit?
Die Lage ist schwierig. Innerhalb der Demokratischen Partei gibt es keine Einigkeit darüber, wie man auf Trump, die Autokratisierung und Radikalisierung im Land reagieren soll. Es gibt viele unterschiedliche Kandidaten und Kandidatinnen, aber es fehlt an einer einheitlichen Strategie.
Es gibt einige prominente Figuren wie Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez, die eher links stehen. Gewinnt man mit solchen Kandidaten keine nationalen Wahlen?
Solche Annahmen können leicht zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden. Man hat das 2016 bei Bernie Sanders gesehen, als die Partei trotz seiner Fähigkeit, zu begeistern und zu mobilisieren, auf Hillary Clinton hingearbeitet hat. Es ist ja schon bemerkenswert, dass man sagt, man möchte stärker auf die Wähler hören und sich neu orientieren, aber gleichzeitig Kandidaten mit breiter Graswurzelunterstützung als nicht erfolgversprechend abtut.
Hat die Demokratische Partei auch ein Kommunikationsproblem?
Absolut. Viele Positionen, die Demokraten vertreten, sind in der Mehrheit der Bevölkerung beliebt, aber die Partei hat es nicht geschafft, legislative Erfolge mit sich zu verbinden und gut zu erklären.
"Mamdani darf als Präsident nicht antreten, da er nicht in den USA geboren ist, und muss erst in New York gewinnen, um national relevant zu werden."
Könnte es helfen, eine charismatische Figur wie Mamdani zu haben, die Wähler anspricht?
Mamdani darf als Präsident nicht antreten, da er nicht in den USA geboren ist, und muss erst in New York gewinnen, um national relevant zu werden. Aber er könnte vielen als Beispiel dienen.
Muss die demokratische Seite da kommunikativ von den Taktiken der Rechten lernen?
Ja, die Medienrezeptionsgewohnheiten haben sich stark geändert. Podcasts und alternative Medien spielen eine immer größere Rolle, um jüngere Wähler zu erreichen. Diesbezüglich probieren demokratische Politiker gerade Verschiedenes aus.
Ist es möglich, noch einen Wahlkampf zu führen, der Versöhnung will, oder hilft nur klare Kante?
In der aktuellen polarisierten politischen Landschaft wird das Bestreben, Kompromisse zu finden, oft als Verrat angesehen, insbesondere an den Rändern. Die Demokraten haben aber eher versucht, national keinen progressiven Kandidaten aufzustellen, und haben trotzdem zwei Mal gegen Trump verloren. Die Partei hat noch keine klare Linie gefunden und ist sich uneins, ob sie noch weiter auf moderate Konservative zugehen oder ein klareres progressives Profil entwickeln sollte.
Was könnten die Demokraten von Mamdani lernen für die Kongresswahlen 2026 und die nächste Präsidentschaftswahl 2028, unabhängig davon, wer dort antritt?
Empfehlungen der Redaktion
Es ist wichtig, sich von nationalisierten Diskursen und immer wiederkehrenden Talking Points zu entfernen. Der Fokus sollte auf der Graswurzelebene liegen, um die Wählerinnen und Wähler vor Ort zu erreichen. Es gab auf Seite der Demokraten eine gewisse Vernachlässigung dieser Basisarbeit.
In New York wird im November gewählt. Haben Sie eine Prognose? Wird sich Mamdanis Überraschungserfolg fortsetzen, oder wird es Widerstand aus der eigenen Partei geben?
Der Gegenwind ist enorm. Cuomo und der amtierende Bürgermeister Eric Adams treten als unabhängige Kandidaten an. Es könnte letztlich ein Vorteil für Mamdani sein, falls sich beide gegenseitig Stimmen wegnehmen. Gleichzeitig haben sich konservative Medien schon auf ihn eingeschossen. Und selbst wenn er gewinnt: Viele seiner politischen Vorhaben wie die Mietpreisbremse benötigen die Unterstützung der Stadtversammlung oder der Gouverneurin. Das könnte schwierig werden.
Über die Gesprächspartnerin
- Dr. Julia Simon ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bremen und aktuell Lehrbeauftragte am John-F.-Kennedy-Institut der FU Berlin. Die Politikwissenschaftlerin forscht zur US-amerikanischen Politik und Gesellschaft.